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26.02.2022 | (rsn) – Mit einer Attacke am Bosberg bereitete Wout Van Aert (Jumbo – Visma) 13 Kilometer vor dem Ziel seinen überlegenen Sieg beim Omloop Het Nieuwsblad vor. Nachdem er vorher bereits ausgerissen war und wieder gestellt wurde, überquerte er nach seinem erfolgreichen Solo den Zielstrich mit 22 Sekunden Vorsprung auf die 19-köpfige Verfolgergruppe, aus der heraus Sonny Colbrelli (Bahrain Victorious) Zweiter vor Greg Van Avermaet (AG2R – Citroën) wurde. Oliver Naesen (AG2R – Citröen) belegte vor Victor Campenaerts (Lotto Soudal) Rang vier.
33 Jahre nach Etienne de Wilde war Van Aert der erste Belgier, der im Meistertrikot den Omloop für sich entscheiden konnte. “Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut laufen würde. Aber was man hat, das hat man. Der Sieg ist sowieso ein schöner Bonus“, befand der 27-Jährige nach seinem ersten Saisoneinsatz im ersten Interview.
31 Kilometer vor dem Ziel wurde der spätere Sieger erstmals aktiv. “Am Berendries haben wir das Rennen zum Explodieren gebracht, danach haben wir es bis zum Schluss kontrolliert“, blickte Van Aert zurück. Mit vier Kontrahenten hatten sich die Jumbo-Fahrer abgesetzt, doch an der Muur van Geraardsbergen kam eine große Gruppe zusammen.
Am Bosberg, dem letzten der 133 Hellingen, lancierte Van Aert seine entscheidende Attacke. “Ich dachte, wenn ich ein paar Meter Vorsprung vor dem Kopfsteinpflaster bekomme, ist das gut. Man weiß nie, was passiert, wenn man angreift. Ich habe erst oben gemerkt, dass ich allein war. Dann musste ich natürlich weiterfahren“, analysierte er. Die verbleibenden Kilometer bis zum Ziel spulte er im Zeitfahrmodus herunter und konnte dabei seinen Vorsprung weiter ausbauen.
Doch von einer überragenden Frühform wollte Van Aert nichts wissen. “Durch die Rennhärte werden noch ein paar Prozente dazukommen. Die brauche ich noch für die Ronde und Roubaix“, so der Sieger, der noch eine wichtige Botschaft loswerden wollte: “Radrennen ist momentan nur die wichtigste Randsache der Welt. Es ist Wahnsinn, was zurzeit passiert. Ich denke auch in solchen Momenten an den Krieg in der Ukraine. Es ist schwer vorstellbar, dass dieser Wahnsinn heutzutage noch passieren kann.“
Campenaerts war der tragische Held
Sehr zufrieden war der drittplatzierte Van Avermaet. “Ich gehörte zu den Besseren, aber nicht zu den Besten. Darum musste ich schlau fahren“, erklärte der Olympiasieger von Rio im Sporza-Studio. Der 36-jährige Belgier hat eine schwere Zeit hinter sich. “Ich habe nach meiner zweiten (Corona-)Impfung acht Wochen nicht trainieren können. Es tat in letzter Zeit weh, den Kontakt zum Feld in Momenten zu verlieren, in denen ich eigentlich noch dabei hätte sein müssen. Darum tut mir der dritte Platz sehr gut“, freute sich Van Avermaet.
Tragischer Held im Rennen war Campenaerts. Der Belgier hatte mehrmals Pech und wurde trotzdem Fünfter. “Es war nicht der tollste Tag, Wellens ist krank aufgestanden. Ich selbst hatte zwei Mal einen Platten - und bin durch den Platten auch noch gestürzt“, fasste der Neuzugang von Lotto Soudal die Rückschläge des Tages zusammen. Eine Attacke seines Teamkollegen Florian Vermeersch wendete das Blatt für den Zeitfahrspezialisten, der vor dem Rennen bereits als aussichtsreicher Außenseiter genannt worden war. “Da Florian vorn war, konnte ich mich hinten ein bisschen schonen. Vorher wäre mit Platz 5 sehr zufrieden gewesen.“
Bester Deutscher in Ninove war Nils Politt (Bora – hansgrohe) auf Rang 27. Juri Hollmann (Movistar) gehörte zur Gruppe des Tages, fuhr ein sehr starkes Rennen und konnte sich bis kurz vor der Muur vor dem Feld behaupten. Der 22-Jährige wurde zusammen mit Stefan Küng (Groupama – FDJ), der später im Rennen zur Gruppe vorstieß, gestellt. Der Schweizer konnte sich im Gegensatz zum Deutschen auch nach der Muur noch in Szene setzen und das Rennen auf Position 12 beenden. Neben Politt kamen auch sein Teamkollege Jonas Koch, der nach dem Berendries kurz in einer Gruppe fuhr, und John Degenkolb (DSM), der am Wolvenberg angegriffen hatte, im Hauptfeld ins Ziel.
So lief das Rennen:
Pünktlich um 11:15 Uhr startete das Feld in Gent in den Auftakt der belgischen Klassikersaison. Bei Sonnenschein setzten sich nach nur sechs Kilometern Movistar-Profi Hollmann, Ben Healy (EF Education – EasyPost), Ruben Apers (Sport Vlaanderen - Baloise), Morten Hulgaard (Uno-X), Alexander Konychev (BikeExchange – Jayco), Donavan Grondin (Arkea – Samsic) und Quentin Jauregui (B&B Hotels – KTM) ab. Der Versuch von Mathijs Paassschens (Bingoal – Pauwels Sauces), zur Gruppe aufzuschließen, verlief erfolglos. Während das Septett seinen Vorsprung gegenüber auf 8:30 Minuten ausbauen konnte, hing der Niederländer 80 Kilometer lang zwischen den beiden Gruppen fest, ehe er wieder im Feld verschwand.
Obwohl der Rückstand 75 Kilometer vor dem Ziel bereits halbiert war, wurde das Feld schon früh unruhig. In Folge mehrerer Attacken schnellte das Tempo in die Höhe. Es dauerte 20 Kilometer, bis sich mit Loic Vliegen (Intermarché – Wanty – Gobert) und Florian Vermeersch (Lotto Soudal) am Wolvenberg zwei Fahrer absetzen konnte. Fünf Kilometer später stieß nach einer Attacke an der Kerkgate auch Stefan Küng (Groupama – FDJ) dazu.
47 Kilometer vor dem Ziel liefen die beiden Gruppen zusammen, einige frühe Ausreißer konnten nicht mehr folgen, wodurch sich eine neue, neunköpfige Spitzengruppe entstand. Mit dabei war nach wie vor der 22-jährige Hollmann.
Die Gruppe wurde an den Anstiegen durch Küngs Tempoarbeit weiter reduziert und hatte am Berendries eine Minute Vorsprung auf das Feld. Dort verschärfte Tiesj Benoot (Jumbo – Visma) das Tempo. Sein Kapitän Wout Van Aert, Pidcock, Jhonatan Narvaez (beide Ineos Grenadiers) und Sonny Colbrelli (Bahrain Victorious) konnten folgen und setzten sich ab.
Die Gruppe um Van Aert und Colbrelli machte mächtig Tempo und forcierte 27 Kilometer vor dem Ziel den Zusammenschluss mit der Spitze um Küng und Hollmann. Sieben Kilometer später griff Benoot überraschend an. Hinter ihm wurde nicht entschlossen reagiert, mit Van Aert am Hinterrad wollte niemand in die Verfolgung des Belgiers investieren, so dass die zehn Verfolger am Fuße der Muur van Geraardsbergen vom Feld gestellt wurden.
In der Abfahrt der Muur wurde auch Benoot von den Verfolgern wieder eingefangen. Am Bosberg 13 Kilometer vor dem Ziel attackierte sein Teamkollege Van Aert, niemand konnte dem Angriff folgen. Mit zehn Sekunden Vorsprung auf ungefähr 20 Fahrer überquerte er den letzten Berg des Tages. Im folgenden Flachstück baute Van Aert seinen Vorsprung trotz guter Zusammenarbeit bei den Verfolgern stetig weiter auf mehr als 30 Sekunden aus und feierte einen ungefährdeten ersten Saisonsieg. Den Sprint der Verfolger gewann Europameister Colbrelli vor Van Avermaet.
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