RSNplusRSN-Frauenrangliste 2023, Platz 14

Hartmann: Mit Sieg in Berlin durchgestartet

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Hartmann: Mit Sieg in Berlin durchgestartet"
Elena Hartmann (Israel - Premier Tech - Roland) | Foto: Cor Vos

24.12.2023  |  (rsn) – Sie ist eine Späteinsteigerin wie sie im Buche steht: Erst mit 30 Jahren nahm Elena Hartmann (Israel – Premier Tech – Roland) erstmals an einem Radrennen teil, den Schweizer Zeitfahrmeisterschaften 2021. Es dauerte sogar noch ein weiteres Jahr, bis die Polizistin aus Chur auch an der Startlinie ihres ersten Straßenrennens stand – und das waren dann gleich die Weltmeisterschaften Ende 2022 in Wollongong in Australien. Inzwischen ist sie Profi in der Women's WorldTour und 2023 feierte Hartmann prompt auch ihren ersten UCI-Sieg auf der Straße, bei der Tour de Berlin.

"Das war das Highlight – wirklich ganz toll", freute sich die Schweizerin nun im Rückblick mit radsport-news.com über ihren Solo-Erfolg am 2. Juli in der deutschen Hauptstadt. Rund 20 Kilometer vor Schluss war Hartmann dort dem Feld davongefahren – und brachte schließlich 23 Sekunden Vorsprung mit über die Linie. ___STEADY_PAYWALL___

"Das Solo war von Anfang an mein Plan. Am Tag davor gab es dort ein Kriterium und da habe ich mir die Fahrerinnen ein bisschen angeschaut und mir gedacht: Okay, vom Zeitfahren her könnte ich da vielleicht schon einige abwimmeln. Und dann habe ich mir überlegt: Weißt Du was, ich fahre einfach 20 Kilometer vor Schluss los. Ich weiß, dass ich das kann und kenne meine Wattzahlen – und besser ich versuche es, als dann im Feld zu bleiben und dann verliere ich eh", so Hartmann. Das Vorhaben ging perfekt auf.

Das Bewegen im Feld: "eine riesengroße Herausforderung"

Ihr Heil in der Flucht zu suchen, war simpler Pragmatismus: Hartmann tut sich als Späteinsteigerin beim Fahren im Peloton noch schwer. "Es ist eine riesengroße Herausforderung für mich. Ich fahre da nicht einfach easy mit, sondern bin wirklich 100 Prozent darauf konzentriert, wo ich fahre, wie ich fahre und was die Anderen machen", so Hartmann, die aber betont, dass es ihr trotzdem Spaß mache:

"Ich mag beim Zeitfahren den Aspekt der mentalen Fitness. Ich finde, das ist eine schöne Herausforderung. Aber ich kann den Straßenrennen inzwischen auch sehr viel abgewinnen. Das ist wirklich cool und macht mir Spaß – vor allem, wenn man dann irgendwann versteht, dass viel Taktik dahintersteckt und es eigentlich auch ein Mannschaftssport ist, dass man zusammenarbeitet. Das ist auch sehr faszinierend."

Auf dem Straßenrad hat die Ex-Triathletin Hartmann weniger Rennerfahrung, als auf der Zeitfahrmaschine. | Foto: Cor Vos

Das alles hat Hartmann erst in den letzten anderthalb Jahren wirklich gelernt. Früher habe sie keine Radrennen geschaut und entsprechend keine Ahnung von dem Sport gehabt. "Ich denke, das hat man auch dieses Jahr immer mal wieder gesehen", gab Hartmann lachend zu. Doch Ausdauersport, das liegt ihr eben.

Als Jugendliche spielte sie Fußball – allerdings weniger leistungsorientiert, als vielmehr wegen der Freude, die es ihr machte, mit ihren Freundinnen. Hartmanns Position dabei: der Flügel. "Das war das Einzige, was ich konnte. Ich hatte Ausdauer, aber wenn ich den Ball dann hatte, wusste ich nicht, was ich damit anfangen soll", so die Schweizerin. Mit 25 Jahren wechselte sie in Richtung Ausdauersport, begann mit Triathlon und wurde dort immer besser – vor allem auf der Mitteldistanz. 2021 wurde sie Zweite in ihrer Altersklasse beim Ironman 70.3 in Rapperswil in der Schweiz, im Mai 2022 folgte beim Ironman 70.3 auf Mallorca sogar der Sieg in der Gesamtwertung aller Altersklasse-Athletinnen, also quasi all derjenigen Frauen am Start, die keine Profi-Lizenz besaßen.

Erstes UCI-Straßenrennen gleich die WM: "Ich war völlig überfordert"

Und zu dieser Zeit begann Hartmann auch bereits, sich mit Einzelzeitfahren im Radsport auseinanderzusetzen. "Mein Freund ist sehr interessiert an Aerodynamik. Wir haben viel rumgetestet und haben die Challenge angenommen und gesagt: Komm, wir versuchen es mal", sagte Hartmann nun mit Blick auf ihre Anmeldung bei der Schweizer Zeitfahrmeisterschaften 2021, bei denen sie auf Rang fünf fuhr. Ein Jahr später dann gewann sie den Titel – und von da an nahm ihre Radsportkarriere rasend schnell Fahrt auf.

"Der Nationaltrainer ist nach den Meisterschaften zu mir gekommen und hat gesagt: 'Elena, das gefällt mir, was ich da gesehen habe! Hast Du Lust zur EM mitzukommen? Natürlich habe ich da zugesagt, aber ich habe mir nichts ausgerechnet und dachte ich habe eh keine Chance", erinnert sie sich. Doch aus "keine Chance" wurde bei den Europameisterschaften in Fürstenfeldbruck im Sommer 2022 der neunte Platz. Swiss Cycling nahm die damals 31-Jährige prompt mit nach Australien zur WM, und weil sie dann ohnehin schon dort war, startete sie sechs Tage nach dem Zeitfahren auch im Straßenrennen – was für ein Debüt: Das erste UCI-Straßenrennen und dann gleich die WM!

"Ich war völlig überfordert. Ich hatte keinen Plan, was man machen muss und wie man fährt", so Hartmann heute. "Aber dann durfte ich auch die Tour de Romandie mit dem Nationalteam fahren und habe gemerkt: Hey, das gefällt mir richtig gut, das macht mir Spaß! Und deshalb bin ich dann auf Teamsuche gegangen – und es hat sich eins nach dem anderen ergeben."

Mit dem Roland-Team 2023 durchgestartet

Hartmann schloss sich dem Development-Team von Israel – Premier Tech – Roland für 2023 an und fuhr bis Ende Mai dort. Zum Juni aber bereits zog die Teamleitung um Ruben Contreras die Schweizerin in den WorldTour-Kader hoch und sie bestritt die Tour de Suisse Women, um anschließend am 25. Juni Schweizer Vizemeisterin auf der Straße zu werden und eine Woche danach in Berlin zu triumphieren. Was folgte, war ein Startplatz im Tour-de-France-Kader, doch ihre erste Frankreich-Rundfahrt hat Hartmann weniger gut in Erinnerung:

"Dort habe ich jeden Tag immer nur um den Anschluss gekämpft. Das war frustrierend. Aber solange ich nicht gut im Feld fahren kann, ist das einfach schwierig", gab sie zu. "Leider kann man das absolut nicht trainieren. Auch wenn man zu fünft Rad fahren geht, ist es ja nicht das gleiche. Deshalb muss ich jetzt einfach mehr Rennen fahren." Abgesehen vom Sieg in Berlin fuhr Hartmann bisher ihre besten Ergebnisse in Zeitfahren heraus. | Foto: Cor Vos

Nach der Tour fuhr Hartmann die Weltmeisterschaften in Glasgow, wo sie 23. im Zeitfahren wurde und zwei belgische Eintagesrennen sowie die beiden WorldTour-Rundfahrten Tour of Scandinavia und Simac Ladies Tour – viel mehr Renntage hätten kaum mehr reingepasst in den Rennsommer der Schweizerin, der schließlich mit drei starken Zeitfahren sehr gut zu Ende ging: Sie wurde Sechste beim Chrono Gatineau (1.1) in Kanada, gewann Anfang Oktober den Schweizer Zeitfahrtitel zum zweiten Mal und holte am 15. Oktober noch Rang vier beim Chrono des Nations (1.1) in Frankreich.

Keine Ansprüche auf ein Olympia-Ticket

2024 nun soll es mit vielen Renneinsätzen weitergehen und Hartmann freut sich vor allem auf einige Rundfahrten, umso mehr Renntage und mehr Erfahrung im Feld sammeln zu können. Einsteigen wird sie ins Jahr bei der Mallorca Challenge schon im Januar, dann folgt die UAE Tour Women Anfang Februar.

Von Olympia in Paris träumt die 33-Jährige aber nicht. Die Schweiz hat nur einen Startplatz im Zeitfahren und Hartmann ist klar, dass der an Marlen Reusser gehen wird: "Der ist natürlich gesetzt – und das ist natürlich auch überhaupt keine Frage", betonte sie, dass sie auch als Meisterin ihres Landes keine Ansprüche stellen werde. "Natürlich wäre es cool, an der Heim-WM (Ende September in Zürich, Anm. d. Red.) dabei zu sein. Aber wenn es nicht sein sollte, dann geht die Welt auch nicht unter für mich."

Data powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

06.01.2024Die Radsport-News-Frauenrangliste 2023 im Überblick

(rsn) – Das Jahr 2023 endet und die Saison 2024 steht bereits unmittelbar vor der Tür. Deshalb blicken wir auf radsport-news.com, wie jedes Jahr, noch einmal auf die letzten zwölf Monate der 15 be

06.01.2024Reusser: Ein Jahr zum “sehr, sehr happy“ sein

(rsn) – Auf dem dritten Platz der Weltrangliste und als Vierte des WorldTour-Rankings hat Marlen Reusser die Saison 2023 abgeschlossen. Einzig ihre SD-Worx-Teamkolleginnen Demi Vollering und Lotte K

05.01.2024Lippert: Mit dem Wechsel zu Movistar platzte endlich der Knoten

(rsn) – Nach sechs Jahren bei Sunweb beziehungsweise DSM hat Liane Lippert zur Saison 2023 erstmals ihr Team gewechselt – und es hat sich offenbar gelohnt: Bei Movistar feierte sie dreieinhalb Jah

05.01.2024C. Schweinberger: Von sich selbst am meisten überrascht

(rsn) – Schon in ihrem ersten halben Jahr bei Fenix – Deceuninck machte Christina Schweinberger ab Juni 2022 einen großen Sprung nach vorn. Mit starken Auftritten bei den Frühjahresklassikern so

04.01.2024Chabbey: Mit Angriffslust und beeindruckender Konstanz

(rsn) – Siebte bei der WM nach einem langen Solo, Sechste bei der EM und zahlreiche weitere Spitzenplatzierungen über die gesamte Saison hinweg: Elise Chabbey (Canyon – SRAM) war auch 2023 wieder

03.01.2024Bauernfeind: Mit Bescheidenheit in Richtung Weltspitze

(rsn) – Schon 2022 hat Ricarda Bauernfeind mit einigen sehr starken Auftritten im Development-Team Canyon – SRAM Generation Aufsehen erregt. Sie wurde Dritte der Ruta del Sol, Fünfte der Lotto Th

02.01.2024Koppenburg: In stabilem Jahr eine alte Liebe wiederentdeckt

(rsn) – Nachdem 2021 und 2022 ihre Saison jeweils durch einen Sturz beim Giro d´Italia mit Beckenbrüchen vorzeitig beendet war, hat Clara Koppenburg 2023 endlich wieder ein ganzes Jahr im Sattel v

31.12.2023K.Schweinberger: Von den Leistungen der Schwester beflügelt

(rsn) – Seit Jahren gehören die fast schon untrennbaren Zwillinge Christina Schweinberger (Fenix – Deceuninck) und Kathrin Schweinberger (Ceratizit - WNT Pro Cycling) zu den Aushängeschildern d

30.12.2023Niedermaier: Achterbahnfahrt zu Giro-Etappensieg und WM-Titel

(rsn) – Auf einer Berghütte in den Alpen wird Antonia Niedermaier am Wochenende ins neue Jahr starten – die perfekte Umgebung für die 20-Jährige, die den Spagat zwischen Skibergsteigen und Rads

30.12.2023Zanetti: Paradebeispiel für einen neuen Weg ins Profifeld

(rsn) – Bei einem WorldTour-Rennen war die 21-Jährige in der ganzen Saison 2023 nicht zu sehen, und trotzdem war sie eine der besten Fahrerinnen aus dem deutschsprachigen Raum in diesem Jahr: Linda

28.12.2023Kiesenhofer: Alles wird am Olympiagold gemessen

(rsn) - Mit ihrem überraschenden Olympiasieg in Tokio fuhr sich Anna Kiesenhofer in die Geschichtsbücher. Dabei hatte die Österreicherin schon 2017 mit dem Profiradsport abgeschlossen. Doch mit der

26.12.2023Kasper: Konstant stark mit Highlights in Roubaix und Bad Dürrheim

(rsn) – Das ganz große persönliche Ergebnis hat Romy Kasper (AG Insurance – Soudal – Quick-Step) gefehlt. Und trotzdem fuhr die 35-Jährige 2023 eine der besten Saisons ihrer Karriere. Sie fuh

Weitere Radsportnachrichten

12.11.2024Früherer Bahn-Weltmeister Michael Hübner ist tot

(rsn) – Wie der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) mitteilte, ist der frühere Bahn-Weltmeister Michael Hübner am Dienstag im Alter von 65 Jahren verstorben. Eine Todesursache nannte der BDR nicht. Der

12.11.2024Am Sonne-Mond-See knapp am ersten Profisieg vorbei

(rsn) - Einen eher ungewöhnlichen Karriereweg hat Valentin Darbellay (Corratec - Vini Fantini) hinter sich. Der 26-jährige Schweizer war in der Jugend Skirennfahrer und wechselte erst aufs Rad, als

12.11.2024Georgi drei Monate nach Tour-Sturz wieder im Sattel

(rsn) - Mehr als drei Monate nach ihrem schlimmen Sturz bei der Tour de France Femmes ist Pfeiffer Georgi wieder zurück auf dem Rad, wie ihr Team dsm-firmenich – PostNL auf Instagram mitteilte. Die

12.11.2024Reibsch zu Lotto – Kern Haus, Czasa zu Storck – Metropol

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

12.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

11.11.2024Auf der Heimetappe an der Spitze des Rennens

(rsn) – Nach vier U23-Jahren in Graz wechselte Maximilian Kabas von einem roten Trikot in ein grünes. In der Winterpause schloss sich der Niederösterreicher dem Team Hrinkow Advarics an und bestri

11.11.2024Sweeck kommt schnell in den Flow und feiert souveränen Sieg

(rsn) – Laurens Sweeck (Crelan – Corendon) hat erstmals seit zwei Jahren wieder einen Wertungscross gewonnen. Der Belgier entschied mit einem langen Soloritt den Jaarmarktcross in Niel für sich u

11.11.2024Nach Flutkatastrophe: Valencia-Rundfahrt 2025 ungewiss

(rsn) – Nach den verheerenden Überschwemmungen mit mehr als 200 Todesopfern in der Region Valencia ist ungewiss, ob im kommenden Februar die 76. Auflage der Volta a la Comunitat Valenciana (2.Pro)

11.11.2024Nach dem Reset lief es besser als erträumt

(rsn) – In seiner zweiten Saison bei P&S Metalltechnik – Benotti machte Jarno Grixa einen großen Schritt nach vorn, so dass der 21-Jährige hoffnungsvoll auf seine letzte U23-Saison blicken kann.

11.11.2024Alvarado dreht in Niel den Spieß gegen Brand um

(rsn) – Nachdem sie sich am Sonntag beim Rapencross noch Lucinda Brand (Trek – Baloise Lions) deutlich geschlagen geben musste, revanchierte sich Ceylin del Carmen Alvarado (Fenix – Deceuninck)

11.11.2024Giro-Präsentation erst im Januar? Albanien-Start wackelt wohl doch

(rsn) – Ursprünglich hätte am Dienstag, dem 12. November, die Strecken-Präsentation des Giro d´Italia und des Giro d´Italia Women für 2025 stattfinden sollen. Nachdem das Event aber am 31. Okt

11.11.2024Lorang: “Wir werden in diesem Winter wirklich Red Bull werden“

(rsn) – Zwar stieg Red Bull bereits zur vergangenen Tour de France als neuer Namenssponsor bei Bora – hansgrohe ein. Doch erst zur Saison 2025 wird sich das nachhaltig auf die Struktur des Rennsta

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine