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28.08.2009 | (rsn) - Nachdem ARD und ZDF in diesem Jahr doch von der Tour de France berichtet hatten, war auch die für 2009 abgesagte Deutschland Tour wieder in den Mittelpunkt von Spekulationen gerückt. Im Interview mit Radsport News macht der ehemalige Rundfahrtchef Kai Rapp aber klar, dass es zumindest im kommenden Jahr keine Deutschland Tour geben wird, erklärt, warum es zur Absage des Rennens kam und weshalb es seiner Meinung nach noch mehrere Jahre dauern wird, bis in Deutschland wieder eine größere Rundfahrt ausgetragen werden kann.
Herr Rapp, werden wir 2010 wieder eine Deutschland Tour erleben?
Rapp: Voraussichtlich keine, an der Upsolut (der Veranstalter; d. Red.) beteiligt ist. Es gab aber ja schon dieses Jahr eine kleine, alternative Deutschland Tour für Jedermänner. Eine wirklich nette Idee von ein paar Radsportenthusiasten ohne kommerzielle Interessen.
Die Öffentlich-Rechtlichen TV-Sender ARD und ZDF übertragen die Tour mindestens bis 2011. Würde das nicht auch Planungssicherheit für die Deutschland Tour bedeuten, da es ja nun keinen Grund gäbe, nicht auch dieses Rennen zu übertragen?
Rapp: Der Hintergrund der Tour-Übertragung der Öffentlich-Rechtlichen ist recht kompliziert. Einfach zusammengefasst: Sie übertragen die Tour de France nicht aus Überzeugung heraus, sondern aufgrund eines bestehenden langfristigen Vertrages. Wie auch immer der zustande gekommen ist, ein solcher besteht für die Deutschland Tour oder andere deutsche Rennen nicht. Auch die Aufnahme von diesbezüglichen Verhandlungen macht keinen Sinn, da wie gesagt die Überzeugung fehlt. Fakt ist, dass wir die Gewissheit einer ARD-Übertragung halt schon im vergangenen Oktober hätten haben müssen. Man kann schlecht Etappenorte und Sponsoren akquirieren, indem man ihnen erzählt, dass man zwar gerade den langfristigen Fernsehpartner verloren hat, dieser sich aber im kommenden Frühjahr die Sache vielleicht wieder anders überlegt. Es ging uns bei der Entscheidung insbesondere darum, die Arbeitsplätze unserer langjährigen Teammitglieder zu retten. Vor diesem HIntergrund mussten wir entscheiden, ob wir uns weiter den Unwägbarkeiten der Übertragungsentscheidungen im Radsport aussetzen oder ob wir unsere Leidenschaft und unser Knowhow lieber in die neu geschaffene Triathlon-Weltmeisterschaftsserie einbringen würden und unseren Mitarbeitern und uns sowie unseren Familien ein längerfristige Planung ermöglichen.
Falls es künftig wieder eine Deutschland Tour geben wird - wie wird diese aussehen?
Rapp: Das ist relativ schwer zu sagen. Es werden definitiv noch einige Jahre vergehen, bis der Elite-Radsport und sein Sponsoring-Umfeld wieder so weit ist, dass man eine so teure Veranstaltung wie die Deutschland Tour auf die Beine stellen kann. Bis dahin kann sich im TV-Bereich soviel verändert haben, dass man jetzt keine Prognose abgeben kann. Wie entwickeln sich IP-TV, PAY-TV, wie werden die privaten Sender dann aufgestellt sein usw? Meine Empfehlung wäre ohnehin, dass man in Deutschland zuerst mit einem weiteren ProTour Eintagesrennen starten sollte, bevor man gleich wieder an eine Rundfahrt denkt. Eine Rundfahrt hat unglaublich viele Unwägbarkeiten.
Warum wurde die Deutschland Tour so schnell nach der Ausstiegs-Ankündigung der ARD von der Tour abgesagt - anders gefragt: Warum haben Sie nicht hartnäckiger um den Fortbestand des Rennens gekämpft?
Rapp: Die Deutschland Tour hatte bereits die beiden Jahre zuvor hart gekämpft. Und zwar gegen die neue Herausforderung der Programme, sprich um TV-Zeiten gegen die konkurrierenden Soaps und Tier-Sendungen. Für uns Sportinteressierte ist das schwer zu verstehen, aber es gibt eben auch viele Menschen in unserer Gesellschaft, die unterhalb der Woche am Nachmittag lieber hüpfende Kängurus als stürzende Radrennfahrer sehen. Meine Kinder gehören im Übrigen leider auch dazu. Die ARD hatte sich allein schon aus diesem Grund schwer mit einer neuntägigen Rundfahrt getan, die zudem im Gegensatz zur Tour de France auch nicht ins fussballfreie Sommerloch fiel. Um es abzukürzen: Aufgrund dieses jährlich wiederkehrenden Damokles-Schwertes der ARD-Programmdirektion hatten wir bereits die Jahre zuvor alle Alternativen zu der ARD geprüft. Es gab keine, die die Deutschland Tour finanzierbar gemacht hätte.
War der ARD-Ausstieg nur ein Anlass, die Deutschland Tour abzusagen - wenn ja, was waren die Gründe?
Rapp: Es hängt alles mit dem einen Thema zusammen: Doping! Doping und dessen Auswirkungen auf die Attraktivität des Radsports für Zuschauer, Sponsoren und Etappenorte. Es nützt einem die beste Fernsehübertragung rein gar nichts, wenn die Einnahmen wegbleiben. Wir hatten bereits im letzten Jahr eine enorme Summe zugeschossen. Das war nicht wiederholbar.
Ihr erklärtes Ziel war ja, die Deutschland Tour als dritte große Rundfahrt noch vor der Vuelta zu etablieren. War das nicht zu vermessen und hat das nicht dazu beigetragen, eine viel zu große Erwartungshaltung zu schaffen, der das Rennen nicht gerecht werden konnte?
Rapp: Ich denke, die vorangegangene Aussagen begründen das Ende der Deutschland Tour und nicht die Vision, die wir hatten. Im Gegenteil, die etwas provokativ geäußerte Vision hat uns geholfen, Sponsoren wie T-Mobile, EDEKA und Tirol zu finden, die ähnliche Ambitionen in ihren Geschäftsfeldern haben. Diesbezüglich waren wir auf einem sehr guten Weg, sogar weitaus besser, als wir je erwartet hatten. Wenn man sich an die Tour de France-Revanche beim D-Tour-Duell von Jan Ullrich und Levi Leipheimer im Jahr 2005 mit 28 % Spitzenquote in der ARD, über 55% im belgischen Fernsehen und Übertragung in über 50 Länder erinnert, dann kann sicherlich niemand behaupten, dass wir den Mund zu voll genommen hätten. Wir sind uns sicher, dass wir bei Beibehaltung der damaligen Bedingungen die Deutschland Tour gemeinsam mit dem Giro tatsächlich unterhalb der Tour de France hätten platzieren können. Wie das Leben nun einmal so spielt, erfuhr der Radsport in Deutschland im Jahr 2006 leider eine ganz neue Entwicklung. Auch interessant, aber nicht förderlich.
Wie sieht Ihr berufliches Leben nach der D-Tour aus? Fehlt Ihnen das Rennen?
Rapp: Zunächst war ich richtig befreit, denn der Job als Krisenmanager hat mir im dritten Jahr dann keinen Spaß mehr gemacht. Es hat mich definitiv viel Kraft gekostet, in meiner Position als Geschäftsführer z.T. eine andere Vorgehensweise bezüglich des Themas Doping wählen zu müssen, als ich sie als privater Sportkonsument bevorzugt hätte. Zumal ich den ganzen Medienhype um dieses Thema herum mit meinen Aussagen auch noch nähren musste. Zum Schluss habe ich weder die Einlassungen von zu Ethikdozenten mutierten Sportjournalisten noch mein eigenes Gerede ertragen. Mit etwas Abstand kommt dann doch etwas Wehmut und der Gedanke auf, dass die von unseren treuen Helfern und Mitarbeitern aufgebaute Rundfahrt etwas Einmaliges war. Unsere Helfer vermisse ich am meisten, waren wir doch eine richtig eingeschworene Familie. Für den Radsport habe ich nach wie vor eine ungebrochene Begeisterung. Da war zum Glück nie eine Verbitterung, die mich meiner Leidenschaft beraubt oder es mir gar verboten hätte, Radsport-Übertragungen mit großem Interesse zu verfolgen.
Diese Leidenschaft teilt sich der Radsport jetzt allerdings mit Triathlon. Eine junge, großartige und spannende Sportart, die wir gemeinsam mit unser großen Schwesterfirma Sportfive und dem Weltverband ITU dieses Jahr mit einer Weltmeisterschaftsserie ausgestattet haben. Beruflich ist das für mich die logische Fortführung meines Jobs bei der Deutschland Tour, nur dass die Reisen jetzt nach London, Washington D.C., Yokohama und Australien gehen statt nach Heppenheim, Mainz und Hannover. Gerade für uns Radsportverrückte ist Triathlon eine aufregende und lohnenswerte Erweiterung des Horizonts, ohne das man dabei seine Wurzeln kappen müsste.
Die Fragen an Kai Rapp stellte Matthias Seng.
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