Interview mit dem neuen Sportlichen Leiter von MTN-Qhubeka

Zemke: "Die Südafrikaner identifizieren sich mit dem Team"

Foto zu dem Text "Zemke:
Jens Zemke (MTN-Qhubeka) | Foto: MTN-Qhubeka

21.11.2011  |  (rsn) – Nach mehreren Jahren als Sportlicher Leiter bei Cervélo und HTC-Highroad wird Jens Zemke in der kommenden Saison beim südafrikanischen Continental-Team MTN-Qhubeka die sportliche Verantwortung übernehmen. Im Interview mit Radsport News spricht der 45 Jahre alte Wiesbadener über die Gründe für seinen Wechsel nach Südafrika und über seine Ziele mit der überwiegend aus U23-Fahrern bestehenden Mannschaft.

Sie arbeiten im kommenden Jahr als Sportlicher Leiter beim kleinen südafrikanischen Rennstall MTN-Qhubeka. Wie kam es dazu?

Zemke: Während der Vuelta a Espana hat mich mein Mechaniker Gerry gefragt, ob ich Lust hätte, in einer südafrikanischen Mannschaft zu arbeiten, da sich dort etwas entwickelt. Ich bin früher oft in Südafrika gefahren und habe auch Verwandtschaft. Deshalb habe ich ein besonderes Faible für dieses herrliche Land und seine Menschen. Nach einigen Gesprächen bin ich dann nach Johannesburg geflogen und war vom professionellen Umfeld begeistert, das der ehemalige Team Cologne-Fahrer Douglas Ryder geschaffen hat. Die Rennfahrer habe ich auch schon kennengelernt - ich glaube, dass wir eine Chance haben, konkurrenzfähig zu werden.

Welche Ziele hat das Team?

Zemke: Allgemein gesprochen: Das Team will Jugendliche in Südafrika für das Fahrrad begeistern. Für Bäume etwa, die sie in alten Plastikflaschen heranzüchten, können die Jugendlichen ein Fahrrad bekommen - bisher wurden so schon 40.000 verteilt. Diese Aktion wurde von unseren Sponsoren MTN-Qhubeka ins Leben gerufen und entwickelt sich rasant. Die Bevölkerung identifizieren sich mit dem Team.

Und was wird Ihre konkrete Aufgabe sein?

Zemke: 2012 wird die Mannschaft erstmals nach Europa kommen. Als Continental-Team haben wir nicht die Möglichkeit, große Rennen zu fahren. Artur Tabat (Renn-Veranstalter, d. Red.) sagte mir aber gleich für Rund um Köln zu. Wir werden sicherlich viel Aufmerksamkeit erhalten, denn farbige Rennfahrer sind ja eher eine Seltenheit. Ich werde mich um das Rennprogramm, die Logistik und das Personal kümmern. Und natürlich begleite ich die Rennfahrer zu den Rennen und werde sie taktisch einstellen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie an Ihre Aufgabe heran?

Zemke: Meine sportlichen Erwartungen sind für 2012 eher gering, wir wollen Akzente setzen und uns für die Zukunft positionieren.

Wie sieht die Rennplanung aus?

Zemke: Die Fahrer werden Ende März nach Europa kommen und hier für zehn Wochen bleiben. Während dieser Zeit sind einige Rundfahrten geplant und auch Eintagesrennen. Höhepunkte sind die Olympischen Spiele und für einige Fahrer die WM. Wir können auch U23-Rennen fahren, da der Großteil der Mannschaft noch jung genug dafür ist.

Wie lange läuft Ihr Vertrag?

Zemke: Zunächst für ein Jahr, denn 2012 ist für mich eine Saison der Doppelbelastung, da ich auch noch Ronny Lauke bei der Frauenmannschaft Specialized Lululemon unterstützen werde.

Sie waren zuletzt als Sportlicher Leiter in ähnlicher Doppelfunktion bei HTC-Highroad aktiv. Wären Sie nicht gerne auch mit Tony Martin, Grabsch und den anderen zu Quick Step gewechselt?

Zemke: Sicher wäre ich gerne in der WorldTour geblieben. Die Teams Cervélo und nun HTC haben mir fachlich sehr viel gebracht. Mit Thor Hushovd, Carlos Sastre, Heinrich Haussler, Mark Cavendish, Toni Martin und John Degenkolb erfolgreich zusammen zu arbeiten, war genial. Nun ist es für mich eine Herausforderung, aus unbekannten Rennfahrern eine erfolgreiche Truppe aufzubauen.

Sie trainieren oder leiten Männer- und Frauenteams. Was gefällt Ihnen besser?

Zemke: Verantwortlicher Sportlicher Leiter bei großen Rennen zu sein und die Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, oder den Giro zu erleben, bedeutet für mich immer noch Gänsehaut pur, trotzdem bin ich auch sehr gerne bei den Frauenrennen dabei. Leider hat sich hier in den vergangenen zehn Jahren nichts geändert. So viele Weltmeisterinnen in Disziplinen, die keine Randsportart sind, haben wir nicht in Deutschland. Deswegen verstehe ich nicht, warum Judith Arndt als Weltmeisterin, Ina Yoko Teutenberg als Seriensiegerin, oder Claudia Häussler als Giro-Siegerin des letzten Jahres nie in den Medien zu sehen sind.


Die Fragen an Jens Zemke stellte Matthias Seng.

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