Die Favoriten der 111. Tour de France

Ist Vingegaard fit genug für Pogacar, Roglic und Evenepoel?

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Ist Vingegaard fit genug für Pogacar, Roglic und Evenepoel?"
Das Podium der 110. Tour de France, v.l.: Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), Jonas Vingegaard (Visma - Lease a Bike), Adam Yates (UAE Team Emirates) | Foto: Cor Vos

28.06.2024  |  (rsn) – Am 29. Juni beginnt in Florenz die 111. Tour de France. Vier Fahrer thronen über dem Rest des 176 Fahrer starken Teilnehmerfeldes, doch sowohl hinter Titelverteidiger Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) als auch hinter Giro-Sieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), Zeitfahrweltmeister Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) und Primoz Roglic, dem neuen Kapitän von Red Bull – Bora – hansgrohe) stehen doch einige Fragezeichen.

Dass Vingegaard antreten kann, um seinen Titel zu verteidigen, steht sogar erst seit dem 20. Juni fest. Bei seinem Sturz am 4. April bei der Baskenland-Rundfahrt (2.UWT) zog er sich eine Lungenprellung, einen Pneumothorax, eine Schlüsselbeinfraktur und Rippenbrüche zu. Seitdem hat Vingegaard keinen Renntag absolviert. Man kann zwar davon ausgehen, dass der Däne relativ gut in Schuss ist, ansonsten würde ihn seine Mannschaft sicherlich nicht aufstellen. Aufgrund der Vorgeschichte scheint jedoch ausgeschlossen, dass Vingegaard in ähnlicher Form wie in den vergangenen beiden Jahren antreten wird.

Ebenfalls auf der 4. Baskenland-Etappe verletzte sich Evenepoel schwer. Der Belgier brach sich das Schlüsselbein sowie das Schulterblatt. Im Gegensatz zu Vingegaard konnte Evenepoel jedoch beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) wichtige Rennkilometer sammeln. Mit Ausnahme des Einzelzeitfahrens, das er mit deutlichem Vorsprung für sich entschied, verlief die Tour-Generalprobe allerdings nicht unbedingt nach Wunsch. Auf den Bergetappen konnte der 24-Jährige nicht mit den Besten mithalten. Letztlich reichte es zu Platz sieben im Gesamtklassement. In den rund drei Wochen bis zum Beginn der Frankreich-Rundfahrt blieb Evenepoel aber noch genügend Zeit, um an seiner Form zu feilen.

Auch die Slowenen sind keine sichere Bank

Das dritte Favoritenopfer des Baskenland-Massensturzes war der 34-jährige Roglic, der allerdings ohne Frakturen davonkam. Auch er gab in der Dauphiné sein Comeback. Und wie Evenepoel war Roglic dort auf der 5. Etappe in einen Massencrash verwickelt. Für beide Fahrer ging es aber glimpflich aus. Bei Evenepoels Zeitfahrsieg wurde Roglic Dritter, anschließend gewann er die Bergetappen nach Le Collet d’Allevard und Samoëns 1600. So weit so gut, könnte man meinen. Doch am Schlusstag der Rundfahrt wurde es noch mal eng für den Mann im Gelben Trikot.

Roglic konnte in der entscheidenden Phase bergauf den Attacken des späteren Etappengewinners Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) und des Gesamtzweiten Matteo Jorgenson (Visma – Lease a Bike) nicht folgen und musste sich sogar noch hinter Derek Gee (Israel – Premier Tech), Laurens De Plus (Ineos Grenadiers) und Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) mit dem sechsten Platz begnügen. Es reichte zwar noch, um sich knapp den Gesamtsieg vor Jorgenson zu sichern, dennoch stellen sich seitdem Fragen, ob Roglic in der Lage sein wird, auch bei der Tour erfolgreich in den Kampf um Gelb eingreifen zu können.

Über jeden Zweifel erhaben waren dagegen in dieser Saison Pogacars Vorstellungen. Roglics Landsmann dominierte gleich in seinem ersten Renneinsatz 2024 die Strade Bianche und reihte danach Erfolg an Erfolg. Krönung war seine Galavorstellung beim Giro d’Italia, den er als Debütant mit nicht weniger als sechs Etappensiegen und einem Vorsprung von fast zehn Minuten für sich entschied.

Nun peilt Pogacar seinen dritten Gesamtsieg bei der Tour de France an. In den vergangenen Jahrzehnten war allerdings keinem Fahrer mehr das Double aus Italien- und Frankreich-Rundfahrt gelungen. Marco Pantani konnte 1998 als bisher letzter Radprofi den Giro und die Tour innerhalb einer Saison für sich entscheiden.

Pogacar bestritt nach seinem Giro-Triumph kein Rennen mehr, sondern bereitete sich nach einer Pause in der Höhe auf die 111. Tiur de France vor. Im Gegensatz zu Vingegaard kommt der 25-Jährige aber auf eine beachtliche Anzahl von Renntagen – nämlich 31, an denen ihm nicht weniger als 14 Siege gelangen. Deshalb ist Pogacar trotz der Giro-Belastung der erste Anwärter auf den Gesamtsieg, der sein dritter nach 2020 und 2021 wäre.

Die Helferriegen der Favoriten sind erstklassig besetzt

Die vier Favoriten treten mit Helfern an, die in anderen Teams aussichtsreiche Kapitäne wären. UAE Team Emirates dominierte die Tour de Suisse (2.UWT) nach Belieben, ehe sich Adam Yates den Gesamtsieg vor seinem Mannschaftskollegen Joao Almeida holte. Beide werden sich bei der Tour jedoch in den Dienst von Pogacar stellen. Gleiches gilt für den jungen Spanier Juan Ayuso, der nach dem Massencrash beim Critérium du Dauphiné allerdings verletzt aufgeben musste. Dort bewies Visma-Neuzugang Jorgenson, dass er im Hochgebirge gegen die Besten bestehen kann. Sollte es bei Vingegaard nicht nach Wunsch laufen, kann der 24-jährige US-Amerikaner einspringen.

Roglic hat mit Jai Hindley den Giro-Sieger von 2022 an seiner Seite. Während der Tour-Siebte des Vorjahres zuletzt nicht glänzte, überzeugte Aleksandr Vlasov in der Dauphiné als Edelhelfer und Gesamtsechster voll und ganz. Evenepoel kann nicht ganz so starke Kräfte im Helfer-Arsenal aufweisen, hat aber mit Mikel Landa einen Haudegen dabei, der letztes Jahr noch Fünfter der Spanien-Rundfahrt wurde. 2022 beendete Landa den Giro sogar als Dritter. Diese Resultate kann Ilan van Wilder noch nicht vorweisen, doch Evenepoels Landsmann werden solche Ergebnisse in der Zukunft durchaus zugetraut.

Die Kapitäne der anderen Teams

Mit seinem Etappenersieg am Schlusstag und dem vierten Gesamtrang bewies Rodriguez, dass er zu seinem Saisonhöhepunkt erneut in Topform ist. Der Vorjahresfünfte wird mit Egan Bernal und Tom Pidcock, die beide die Tour de Suisse unter den Top Ten beendeten, eine Dreierspitze bilden, in der er der aussichtsreichste Kandidat auf eine Podiumsplatzierung ist.

Im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder hat Simon Yates (Jayco – AlUla) in Frankreich freie Fahrt. Auf dem höchsten Niveau konnte der Brite diese Saison noch nicht überzeugen, doch als Vorjahresvierter steht er auch diesmal hoch im Kurs. Auch für David Gaudu (Groupama – FDJ) läuft es seit einiger Zeit nicht nach Wunsch. Er wurde 2023 “nur“ Neunter der Tour, nachdem er im Jahr davor noch Vierter geworden war. Im Verlauf dieser Saison hatte er teamintern oft das Nachsehen gegenüber Lenny Martinez. Der Jungstar wurde kurzfristig überraschend auch für die Grande Boucle aufgestellt. Da Gaudu kurz vor der Tour an Corona erkrankte, war seine Vorbereitung alles andere als ideal.

Aus den spanischsprachigen Ländern sind noch Movistars Kapitän Enric Mas und Olympiasieger Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) zu beachten. Auch der Spanier und der Ecuadorianer haben bisher keine Topsaison absolviert, in der Vergangenheit aber oft genug bewiesen, dass sie topfit sind, wenn es drauf ankommt. Als Kapitän für Decathlon – AG2R geht der Österreicher Felix Gall an den Start. Dem Vorjahresachten sind auch diesmal wieder die Top zuzutrauen.

Die Sterne:

***** Tadej Pogacar
**** Jonas Vingegaard, Primoz Roglic
*** Remco Evenepoel, Carlos Rodriguez, Adam Yates
** Joao Almeida, Juan Ayuso, Simon Yates, Matteo Jorgenson
* Aleksandr Vlasov, Enric Mas, Jai Hindley, Egan Bernal, Tom Pidcock


 

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