RSNplusRSN-Rangliste, Platz 49: Maurice Ballerstedt

Keine Lust mehr auf Leadout: Ballerstedt zieht es nach Amerika

Von Matthias Seng

Foto zu dem Text "Keine Lust mehr auf Leadout: Ballerstedt zieht es nach Amerika"
Maurice Ballerstedt (Alpecin - Deceuninck) | Foto: Cor Vos

05.12.2024  |  (rsn) – Rein sportlich gesehen war die dritte Saison bei den Profis “ein voller Erfolg“. Dennoch wird Maurice Ballerstedt ab der kommenden Saison nicht mehr zum Aufgebot von Alpecin – Deceuninck gehören – und das, obwohl der Rennstall von Mathieu van der Poel und Jasper Philipsen gerne auch weiter auf die Dienste des Berliners gebaut hätte.

Aber da die Teamleitung Ballerstedt auch künftig in der Rolle des Anfahrers und Helfers sah, entschloss sich der 23-Jährige, das Angebot nicht anzunehmen. “Ich wäre gerne auch 2025 in der WorldTour unterwegs gewesen, gerne auch mit eigenen Ambitionen. Nur im Leadout wollte ich aber nicht mehr aktiv sein. Und das war auch der Grund, weshalb ich mich erstmal zurückziehe“, begründete Ballerstedt gegenüber RSN seinen Abschied aus dem Profiradsport. Seine Laufbahn als professioneller Radsportler an sich will er aber nicht beenden – künftig wird sich Ballerstedt vor allem auf Gravelrennen in Übersee fokussieren.

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Obwohl er in der abgelaufenen Saison fast ausschließlich mit Helferaufgaben eingedeckt war und Alpecin – Deceuninck ihm für die Zukunft keine neue Rolle zuweisen wollte, zog der Deutsche U23-Zeitfahrmeister von 2022 eine positive Bilanz. “Ich habe mich gut etabliert, ich bin viele Rennen mit Mathieu und Jasper gefahren, vor allem aber mit Kaden Groves. Ich habe im Leadout gute Dienste geleistet, habe auch selber ein Podium eingefahren. Das war angesichts der begrenzten Chancen, die man als Helfer hat, sicherlich auch ganz gut“, fasste Ballerstedt zusammen.

Bei der Ronde van Limburg fehlte nicht viel zum ersten Profisieg: Maurice Ballerstedt (Alpecin – Deceuninck, li.) auf dem Podium neben Sieger Dylan Groenewegen (Jayco – AlUla) und dem drittplatzierten Arnaud De Lie (Lotto – Dstny). | Foto: Cor Vos

Dabei wurde er indirekt auch vom verkorksten Frühjahr seines Sprintkapitäns Groves in Mitleidenschaft gezogen. Der Australier laborierte lange an Knieproblemen und konnte seine einzigen drei Saisonsiege erst im Herbst bei der Spanien-Rundfahrt bejubeln. "Kaden hatte einen schwierigen Saisonstart. Und da ist man als Anfahrer auch von der Performance seines Sprinters abhängig“, erklärte er, weshalb von ihm in den ersten Monaten nicht viel zu sehen war.

In Limburg war nur Groenewegen im Sprint schneller

Umso größer war die Überraschung, als Ballerstedt Mitte Mai bei der Ronde van Limburg plötzlich ins Scheinwerferlicht sprintete und beim belgischen Eintagesrennen Zweiter wurde. Nach 195 Kilometern von Hasselt nach Tongeren war nur Dylan Groenewegen (Jayco – AlUla) im Sprint schneller als der Alpecin-Profi, der beispielsweise Arnaud De Lie (Lotto – Dstny), Alexander Kristoff (Uno-X) und Gerben Thijssen (Intermarché – Wanty) hinter sich ließ. Darüber konnte sich Ballerstedt sehr freuen, zumal er den zweiten Platz als Einzelkämpfer eingefahren hatte.

“Ich hatte keinen Leadout und bin da auf eigene Kappe gefahren“, erklärte Ballerstedt, der die mangelnde Erfahrung als einen Grund anführte, weshalb es nicht zum ersten Sieg bei den Profis gereicht hatte. “Was am Ende fehlte, war, an erster Position durch die Kurve zu fahren, da war Groenewegen etwas gewiefter, der ist innen vorbei gestochen. Das ist halt die Erfahrung, die man in den Jahren macht“, sagte der Sprintspezialist, um dann aber anzufügen: “Aber Groenewegen ist halt stark. Und selbst, wenn ich als Erster aus der Kurve rausgekommen wäre, wäre es wahrscheinlich trotzdem schwierig gewesen.“

Bei der Vuelta a Espana war Ballerstedt (Mitte) als Anfahrer von Kaden Groves im Einsatz – und das ausgesprochen erfolgreich: Der Australier gewann wie im Vorjahr drei Etappen und die Punktewertung der Spanien-Rundfahrt. | Foto: Cor Vos

Bei seiner zweiten Vuelta-Teilnahme bewegte sich Ballerstedt wieder auf bekannten Pfaden, nämlich im Leadout von Groves, der mit seinen drei Tageserfolgen und dem Sieg in der Punktewertung seine Erfolgsbilanz aus dem vergangenen Jahr wiederholte. Und an der hatte auch sein junger Anfahrer einen Anteil.

“Der engere Leadout bestand aus Edward Planckaert und mir. Und ich würde schon sagen, dass ich da einen gewissen Anteil (an den Etappensiegen, d. Red.) hatte, weil Radsport ja doch eine Mannschaftssportart ist, auch wenn am Ende oft nur einer gefeiert wird“, sagte Ballerstedt und sprach von einer “schwierigen Vuelta, denn der einzige echte Konkurrent war Wout van Aert und der hatte nicht mal einen echten Leadout. Es war ein komisches Konkurrenzverhältnis, denn van Aert hing nur an Kadens Hinterrad und wenn Kaden als erster losgefahren ist, hatte van Aert den größeren Hebel und hat dann den Sprint gewonnen.“

Schwerer Kampf gegen van Aert bei der Vuelta

Alpecin – Deceuninck stellte sich nach Ballerstedts Worten im Vuelta-Verlauf besser auf die Situation ein, profitierte aber auch davon, dass van Aert in Folge eines schweren Sturzes auf der 16. Etappe das Rennen aufgeben musste. Zu dem Zeitpunkt hatte der Belgier drei Etappen gewonnen und in der Sprintwertung mehr als 100 Punkte Vorsprung auf Groves.

Nach der Spanien-Rundfahrt bestritt Ballerstedt noch in Belgien den Gooikse Piijl (18.) und zum Abschluss der deutschen Straßensaison den Münsterland Giro, den er auf Platz 47 beendete. Es war seine Abschiedsvorstellung im Trikot des belgischen Rennstalls, der ihm in dieser Saison – angesichts der beiden Weltklassesprinter Philipsen und Groves auch nachvollziehbar - kaum Chancen bot, um Siege mitzukämpfen. “Ich hätte aber in Richtung 2025 gerne mal die Chance erhalten, auf eigene Rechnung zu sprinten. Dass es nicht umsetzbar war, war Realität, aber auch eine Enttäuschung“, sagte er rückblickend.

Seinen Abschied bei Alpecin – Deceuninck gab Ballerstedt beim Münsterland Giro, hier links neben Simon Geschke (Cofidis), der ebenfalls sein letztes Rennen bestritt. | Foto: Cor Vos

Daraus zog Ballerstedt die Konsequenz, Alpecin – Deceuninck zu verlassen. “Ich hätte ja bleiben können, dann aber weiter im Leadout und darauf hatte ich keine Lust mehr“, bekannte er freimütig. “Ich habe mir in Limburg meine Chance auch selber erarbeiten müssen. Und künftig wäre das nicht anders gewesen. Und deshalb die Entscheidung“, erklärte er.

Zukunft in den USA: Gravel und Rundstreckenrennen

Doch mit dem Rückzug aus der WorldTour soll die Radsportlaufbahn noch nicht beendet sein. “Ich werde weiterhin Rennen fahren, aber vor allem Gravelwettbewerbe und Kriterien in Amerika. Die Serien dort sind ja relativ groß. Da will ich mich künftig etablieren, einen guten Job machen und Rennen gewinnen“, kündigte Ballerstedt an. Zudem will er “das Ganze auch über Social Media gut vermarkten“.

Erfahrungen auf dem Gebiet hat Ballerstedt bereits, denn gemeinsam mit Max Benz-Kuch (Maloja Pushbikers) betreibt er seit rund zwei Jahren den Radsport-Podcast “krachen gehen“. Zudem plant Ballerstedt, im Verlauf des nächsten Jahres ins Berufsleben einzusteigen. Wann, wo und wie, “das bleibt vorerst geheim“, wie er grinsend anfügte.

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