RSNplusKommentar zur Strafe für Welsford-Anfahrer van Poppel

Radsport ist schon ein komischer Teamsport

Von Felix Mattis

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Danny van Poppel (rechts, im Fokus) ist für Red Bull - Bora - hansgrohe der perfekte Teamplayer - nicht nur mit seinen großartigen Leistungen, sondern zu jedem Preis. | Foto: Cor Vos

22.01.2025  |  (rsn) – Danny van Poppel hat auf der 2. Etappe der Tour Down Under (2.UWT) alles getan, um seinem Kapitän Sam Welsford und dem Team Red Bull – Bora – hansgrohe den zweiten Etappensieg in Folge zu ermöglichen.

Der Niederländer arbeitete hart für den Australier, nachdem der am letzten Anstieg zum Menglers Hill 24 Kilometer vor dem Ziel abgehängt worden war, und brachte ihn gemeinsam mit Ben Zwiehoff ins Peloton zurück. Und der Niederländer fuhr im Finale dann ein bärenstarkes, 15-sekündiges Leadout, bevor Welsford kurz nach der 200-Meter-Marke seinen Sprint eröffnete. So weit, so vorbildlich.

Doch nachdem er ausgeschert war, ließ sich van Poppel nicht geradlinig zurückfallen, sondern blickte sich ganz deutlich sichtbar um und zog dann hart rechts rüber, wo er dem gerade zum Überholmanöver ansetzenden Tobias Lund Andresen (Picnic- PostNL) sowie quasi als Kettenreaktion auch dem schräg dahinter sprintenden Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) den Weg abschnitt. Beide mussten ihren Sprint abbrechen und wurden zur Bande gedrängt, was Bauhaus auch sofort mit deutlicher Geste anmahnte.

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Ungeachtet dessen zog Welsford vorne ungefährdet zum Sieg durch und durfte sich erneut als schnellster Sprinter und Gesamtführender der Tour Down Under feiern lassen. Die UCI-Jury bestrafte anschließend zwar van Poppel für dessen Fahrweise und setzte ihn ans Ende des Feldes zurück, vom achten auf den 118. Platz. Doch das dürfte bei Red Bull – Bora – hansgrohe niemanden gestört haben. Schließlich änderte es weder an Welsfords Sieg etwas, noch daran, dass Andresen und Bauhaus in die Röhre schauten.

Ohne van Poppel hätte Welsford in Tanunda nicht gewonnen

"Das ist eine so clevere Leadout-Taktik", lobpreiste Eurosport-Experte Adam Blythe die Aktion van Poppels in der Analyse des Sprints im Replay. "Es ist ja egal, wenn der Leadout-Fahrer bestraft wird – sie haben die Etappe gewonnen und das ist das Wichtigste. Brillantes Teamwork, brillant von Danny van Poppel. Das hätte viel knapper werden können mit Andresen, der neben Welsford aufkam, wenn van Poppel nicht da gewesen wäre."

Diese Einschätzung des britischen Ex-Profis zeigt die Haltung innerhalb des Sports dazu. Doch an dieser Stelle stimmt doch etwas nicht! Der Radsport bezeichnet sich in der Außendarstellung oft und gern als Teamsport. Und wer sich auskennt, weiß auch: Er ist ein Teamsport! Ohne die Unterstützung durch Teamkollegen kann kaum ein Fahrer ein Profi-Radrennen gewinnen.

Welsford siegt vorne, van Poppel rollt dahinter (weiße Schultern, Bildmitte) als Achter über den Zielstrich, hat aber in mehrerer Hinsicht großen Anteil am Sieg. | Foto: Cor Vos

Und konkret: Ohne van Poppels großartige Arbeit vor dem Sprint hätte Welsford nicht gewonnen. Das darf wohl als Fakt betrachtet werden. Doch ob der Australier ohne die Aktion von van Poppel nach dem Leadout auch noch als Erster über den Zielstrich gekommen wäre, das ist zumindest sehr fraglich. Andresen war stark losgesprintet, hatte aus Welsfords Windschatten heraus bereits die höhere Geschwindigkeit und das Momentum rund 100 Meter vor dem Zielstrich augenscheinlich auf seiner Seite – bis van Poppel ihm absichtlich vors Rad fuhr.

Nutzen von Regelverstoß weit größer als die Kosten

Die Jury-Strafe kostet Red Bull – Bora – hansgrohe unterm Strich acht Weltranglistenpunkte - wegen des verlorenen achten Etappenrangs - und 500 Schweizer Franken. Denn die eher symbolische Geldstrafe, die van Poppel auferlegt wurde, übernimmt sicher sein Arbeitgeber. Doch sieben Zähler Abzug in der Punktewertung und drei in der Bergwertung? Das juckt weder den Niederländer noch seine Mannschaft. Dem allen gegenüber steht der zweite Etappensieg für Kapitän Welsford, der neben Werbewert und Prestige übrigens 60 Weltranglistenpunkte und 4.000 Euro Preisgeld zur Folge hat. Der Nutzen von van Poppels Fehlverhaltens war für sein Team also weit größer als der daraus entstandene Schaden.

Wer vor 15 Jahren bereits die Tour de France verfolgte, wird sich an die Disqualifikation von Mark Cavendishs damaligem Anfahrer Mark Renshaw nach der 11. Etappe erinnern. Der Australier hatte im Sprint erst mit Kopfstößen gegen Julian Dean den Weg für Cavendish freigehalten und später dann auch noch ähnlich wie van Poppel nun in Tanunda beim Zurückfallen hart die Fahrlinie gewechselt, um Cavendishs Dauerrivalen Tyler Farrar abzudrängen.

Disqualifikation wie bei Renshaw 2010 – hart aber fair?

Renshaw wurde von der Jury damals zunächst ans Ende des Feldes versetzt und dann sogar disqualifiziert – also ganz aus dem Rennen genommen. Die Relegation änderte nichts daran, dass Cavendish mit Hilfe von Renshaws Unsportlichkeiten die 11. Etappe gewann. Aber die Disqualifikation sorgte dafür, dass es das Team HTC – Columbia bei den beiden verbleibenden Sprint-Ankünften in Bordeaux und Paris zumindest etwas schwerer hatte – auch wenn Cavendish an beiden Tagen trotzdem gewann.

Oh, Danny. Not cool. I do wonder if sprinters should be relegated from victory if their lead out so obviously blocks behind. A relegation for Van Poppel and yellow card only does so much. #TourDownUnder

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— Dan Deakins (@dandeakins.bsky.social) 22. Januar 2025 um 08:40

Sicher wäre es hart gewesen und hätte für einen Aufschrei gesorgt, wäre van Poppel in Tanunda ebenfalls disqualifiziert worden. Und das muss man auch gar nicht fordern. Aber genauso wäre es hart und würde für einen Aufschrei sorgen, wenn künftig der Sprint-Kapitän für das Fehlverhalten seines Anfahrers bestraft würde. Da den richtigen Weg zu finden? Sicher schwer.

Doch der Status Quo ist – abgesehen davon, dass Aktionen wie die von van Poppel gefährlich sind, aber das Thema Sicherheit lassen wir hier einmal außen vor – eben auch alles andere als fair. Wirkungslose Strafen sind sinnlos, das lernt man schon in der Kindererziehung. Und um Wirkung zu haben, muss beim Vergehen eines Sprintanfahrers offensichtlich anders durchgegriffen werden als beim Sprinter selbst, dem eine Rückversetzung ans Ende der Gruppe natürlich viel mehr weh täte.

Gelbe Karte als erste zaghaft-wirkungsvolle Variante?

Immerhin hat sich die UCI aber bei anderen Mannschaftssportarten etwas abgeguckt, was zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist – auch wenn die Ankündigung dieser neuen Regelung im vergangenen Sommer bei einigen für Gelächter sorgte: Van Poppel bekam neben seiner Platz-, Punkt- und Geldstrafe auch eine Gelbe Karte von der UCI-Jury und ist damit der erste Profi, der eine solche Verwarnung bekommt und bei dem sie auch Konsequenzen hat, nachdem das Modell in den vergangenen Monaten zunächst nur ohne Sanktionen getestet worden war.

Erhält er nun im Verlauf der Tour Down Under eine zweite Gelbe Karte, fliegt er aus dem Rennen und wird für sieben Tage gesperrt. Auch das ändert zwar nichts daran, dass Welsford mit Hilfe des Regelverstoßes seines Teamkollegen ein Rennen gewonnen hat, sorgt aber nun wenigstens für die Konsequenz, dass van Poppel in den kommenden Tagen vorsichtiger sein muss, wenn er Welsford auch auf der Schlussetappe in Adelaide nochmal helfen will. 

Bekäme er innerhalb der nächsten 30 Tage noch zwei Gelbe Karten – also insgesamt drei – würde er übrigens für 14 Tage gesperrt. Und wenn ein Fahrer innerhalb eines Jahres sechs Gelbe Karten ansammelt, wird er für 30 Tage gesperrt, so die neue UCI-Regel.

Trotzdem bleibt unterm Strich: Es gibt wohl kaum einen Teamsport, in dem ein Teammitglied bewusst regelwidrig handeln kann, die Schiedsrichter das auch sehen und ahnden, und das Team letztlich aber trotzdem davon profitiert. Im Radsport geht das! Es ist schon ein komischer Teamsport.

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