Paddis Tour-Blog / 13. Juli

Es ist noch lange nicht Feierabend

Von Sebastian Paddags

Foto zu dem Text "Es ist noch lange nicht Feierabend"
Sebastian Paddags | Foto: Sebastian Paddags

13.07.2016  |  (rsn) - Man kann ja über die Franzosen sagen oder zumindest denken, was man will. Sie können vielleicht nicht Autofahren, sie haben vielleicht keinen guten Kaffee und beim gewöhnlichen französischen Frühstück hört vielleicht spätestens nach einer Woche auch die Freundschaft auf…

ABER: dass sie keinen Sinn für Humor haben, ist spätestens seit heute Morgen 10:51 Uhr Geschichte. Da stand ich nämlich grade vor dem Village du Tour und blinzelte mit einem Kaffee in der Hand in Richtung des im Dunst liegenden, 2408m hohen „Port d'Envalira“. Dieser Berg bildet einerseits in diesem Jahr das Dach der Tour - sprich den höchsten Punkt der Rundfahrt - und andererseits am heutigen Morgen auch den Grund dafür, dass eine Vielzahl der Profis wohl nicht ganz so optimistisch auf die ersten 24 Kilometer der 10. Etappe schauen. 24 ist wohl heute laut Schilli auch die magische Zahl, denn „Wenn ich bei Kilometer 24 noch am Leben bin, mache ich drei Kreuze.“ Für alle die es verpasst haben: es ging heute vom Start weg so ziemlich genau 1208 Höhenmeter bzw. 24 Kilometer bergauf. Nach einem Ruhetag also absolut das richtige, um den Beinen klarzumachen, dass noch lange nicht Feierabend ist. Oder wie Jens Voigt sagen würde - „Shut up legs“.

Naja…und wie ich da so stehe und nach oben schaue, wird mir tatsächlich auch wieder bewusst, dass dies einer der Momente ist, an denen ich es durchaus als positiv erachte, kein Berufsradfahrer geworden zu sein. Ich mache also grade ein Foto vom Weg in Richtung Laktat & Hufalarm und poste es anschließend bei Facebook mit der Unterschrift: „Wagi, wenn ich Du wäre, wäre ich heute doch lieber ich!“, als das passiert, was mich nun zu diesem durchaus abschweifenden Intro gebracht hat.

Die Sonne kitzelt mich auf der Nasenspitze, in meinem Mund schwebt noch der milde Geschmack des Cappuccinos, ich beginne grade so etwas wie Mitleid zu entwickeln und da spielt der DJ des Départs plötzlich „Ain't No Mountain High Enough“. Mein Morgen war in diesem Augenblick so was von gerettet! Wie geil war der denn bitte? Ich glaube, den Kollegen muss ich morgen mal besuchen und ihm gratulieren! WELTKLASSE!

Mit Schilli konnte ich heute noch ein paar Minuten länger quatschen und er verriet mir, dass für ihn der Ruhetag gestern grade recht kam. Seine Beine waren so zu, dass er wohl keine 5 Kilometer hätte Radrennen fahren wollen oder können. Grund dafür war unter anderem der von mir schon erwähnte vorletzte Anstieg auf Etappe 9. Schilli hatte trotz seines 32er Ritzels hinten bei waghalsigen 8 Km/h noch 380 Watt auf dem Tacho stehen und zweifelte teilweise an der Sinnhaftigkeit seines Berufsbildes. Für alle, die das nicht beurteilen können: 380 Watt - das tut weh! Beim Erklimmen dieses Anstieges soll wohl auch des öfteren das eine oder andere böse Schimpfwort im Fahrerfeld gefallen sein. Gut vorstellbar!

Wir waren wie immer mit den Autos vor dem Rennen auf der Strecke unterwegs und hatten somit oben auf dem ersten und einzigen Berg des heutigen Tages Zeit für ein Foto. Auf der Seite, von welcher die Jungs den Berg erklommen (Andorra) war es minimal bewölkt und der Ausblick entschädigte alle Hobbyfahrer, die an diesem Tage schon den Weg zum Gipfel gefunden hatten für die Strapazen des Anstieges. Auf der anderen Seite (Frankreich) hingegen bot sich ein nicht weniger faszinierendes Bild: bei knapp 2000 Metern Höhe hingen die Wolken fest und wir konnten quasi von oben darüber schauen. Als wäre es Zuckerwatte. Spektakulär! Entsprechend crazy war dann natürlich der Weg nach unten durch die Wolken hindurch. Bei Sichtweiten von teilweise deutlich unter 50 Metern war es heute sicherlich nicht ganz ohne, auf den schmalen Reifen und mit Geschwindigkeiten um die 80 Sachen, da runter zu ballern. Das Auto vor mit hätte ich ohne Nebelschlussleuchte definitiv oftmals gar nicht erkannt.

Glücklicherweise ging im Rennen aber alles glatt und es zeigt sich damit auch einmal mehr, dass die Jungs ihr Rad einfach unter Kontrolle haben. Die haben sich auf der Abfahrt wahrscheinlich noch unterhalten und sich verpflegt. Soll ja nicht langweilig werden.

Allgemein finde ich im Übrigen, fällt bei dieser Tour auf, dass bislang erst sehr wenige Ausfälle zu verzeichnen sind. Von einst 198 gestarteten Fahrern, sind heute nach der Etappe noch immer 192 im Ergebnis. Das gab es während der Tour auch schon mal ganz anders.

Apropos weiter im Rennen: Wagi konnte heute offiziell bekanntgeben, dass er seinen Vertrag bei Lotto NL Jumbo um 2 weitere Jahre verlängert hat. Hierzu von meiner Stelle auch noch mal ganz offiziell einen Daumen nach oben! Ich sehe Dich schon nächstes Jahr in Düsseldorf am Start stehen...

Morgen geht es hier in Frankreich weiter und es zieht uns nach Montpellier - ich werde tagsüber wohl eine Menge Zeit haben und mich so im Ziel wieder etwas herumtreiben können. Lasst uns also gespannt sein auf den Mittwoch und freut Euch mit mir auf einen weiteren Tag am Rande des größten Radrennens unserer Zeit.

Euer Paddi-avec-i

Mehr Informationen zu diesem Thema

23.07.2016Auf den letzten Metern noch ein DNF

(rsn) - Hallo Freunde, aufgrund einer Änderung im Logistikplan meines Jobs hier bin ich seit heute der Fahrer unseres Wohnmobils, mit welchem das tägliche Picknick für die VIPs arrangiert wird. So

22.07.2016Psychospielchen der besonderen Art

(rsn) - „Kampf gegen die Uhr Zwei Punkt Null“ - so lautete sicherlich das Motto des heutigen Tages, denn es stand das Zeitfahren Nummer Zwei auf dem Plan. Im Vergleich zum ersten Zeitfahren herrsc

21.07.201672 Kilometer lang Gesichtsfasching

(rsn) - Hot, hotter am hottesten… So oder so ähnlich hätte man wohl die heutige Etappe in Richtung der Berge zum Mont Blanc beschreiben könne - es war tatsächlich unfassbar warm! Ich schwitze be

20.07.2016Ein Hoch auf den Google-Übersetzer

(rsn) - Du merkst, dass Ruhetag bei der Tour de France ist, wenn du zurück im Hotel, nach 100 Km im Auto denkst - „Das war ja easy heute.“ Wenn man so will, stehe ich somit eigentlich den Jungs

19.07.2016Unterwegs inmitten zweier fahrender Tüten Pommes

(rsn) - Hallo liebe DJ Bobo-Hörer und Toblerone-Genießer! Ich bins wieder, Euer Patrick Swayze der Tour de France. Mein Bericht zum gestrigen Montag kommt heute zwar etwas verspätet, hat dafür abe

18.07.2016Mit Jörg Werner im Auto verging die Zeit wie im Flug

(rsn) - Wenn ich den heutigen Tag so Revue passieren lasse, neige ich beinahe dazu, einen Superlativ aus dem Koffer zu holen. Wir hatten permanent einen wolkenlosen Himmel, nicht so viel Wind, atember

17.07.2016Sagan ist ein geiler Typ - in jeglicher Hinsicht

(rsn) - Einen Wundervollen guten Morgen aus Bourg-En-Bresse. Gestern (Samstag) hieß es glücklicherweise „Back to Business“ und wir waren auch direkt wieder ordentlich unterwegs. Meine Tagesleist

16.07.2016Die Stimmung war spürbar gedämpft

(rsn) - Normalerweise sitze ich zum Schreiben meines täglichen Blogs immer vor dem Laptop und fange einfach so an, drauf los zu schreiben. Meistens hatte ich für den Start schon im Laufe des Tages e

15.07.2016Angenehme Talkrunde mit Kittel und Greipel

(rsn) - So liebe Leichtathletik-Fans, das Wichtigste vielleicht mal gleich zu Beginn: Auch wenn mich schon wieder mehrere Leute mit dem vermaledeiten Kameramotorrad von heute in Verbindung bringen wol

14.07.2016Nach 163 Kilometern am Anschlag ein Knutscher für das Geburtstagskind

(rsn) - Was für ein Tag und was für ein Rennen war das denn schon wieder? Selten hat es mich beim Zuschauen so oft von meinem Stuhl gezogen wie heute - und das obwohl ich lediglich die letzten 45 Ki

12.07.2016Man fängt an, sich das Ganze schön zu reden

(rsn) - Hallo liebe Sportsfreunde und Euromünzensammler, hier meldet sich wieder Euer Peter Lustig der Tour de France. Diesmal schreibe ich Euch live aus Andorra. Heute haben wir den ersten und wohl

11.07.2016Epische Bilder auf über 2000 Meter Höhe

(rsn) - Sonntag, 10:45 Uhr. Ein mittelgroßes Örtchen unweit der französischen Grenze im Süden platzt aus allen Nähten und ringsherum grüßen die grünen Gipfel der Pyrenäen aus der Ferne. Knapp

Weitere Radsport-Markt-Nachrichten

28.04.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

28.04.2025Red Bull beendet enttäuschende Klassiker-Saison

(rsn) – Quizfrage: Seit dem Openingsweekend gab es 15 Eintagesrennen im UCI-Kalender. Wie viele Top-Ten-Ergebnisse fuhren Fahrer vom Team Red Bull - Bora - hansgrohe ein? Es sind fünf, darunter ab

28.04.2025Erster Profisieg für Del Grosso bei Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Tibor del Grosso (Alpecin – Deceuninck) hat die 2. Etappe der Tour of Turkey (2.Pro) über 167 Kilometer von Kemer nach Kalkan gewonnen. Für den 21-jährigen Niederländer war es der ers

28.04.2025Neben Evenepoel: Almeida ist das heißeste Eisen in der Schweiz

(rsn) – Die Tour de Romandie (2.UWT) als Generalprobe für den Giro d'Italia? Das war einmal. Kaum einer der Favoriten für die Gesamtwertung der Italien-Rundfahrt geht im französischen Teil der Sc

28.04.2025Giro d’Italia verkündet Besonderheit bei Zwischensprints

(rsn) – Beim Giro d’Italia 2025 (2.UWT) wird es pro Etappe nur einen Zwischensprint geben, der Bonussekunden für die Gesamtwertung bereithält. Wie die Organisation RCS nun bekanntgab, wird diese

28.04.2025Zwei Zeitfahren und Königsetappe auf 2000 Meter

(rsn) – Viele Zeitfahren und noch mehr Rundkurse: Die Tour de Romandie (2.UWT) bleibt dem in den letzten Jahren eingeschlagenen Kurs treu. Insgesamt stehen 683 Kilometer auf dem Programm, auf denen

28.04.2025Evenepoel nach Einbruch: “Ich bin kein Roboter“

(rsn) – Es war alles angerichtet für das große Duell bei Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT). Olympiasieger gegen Weltmeister, die beiden Sieger der vergangenen vier Jahre gegeneinander, Remco Ev

28.04.2025Le Court: “Wusste nicht, ob sie meine Hymne spielen können“

(rsn) – Knapp 1,25 Millionen Einwohner leben auf Mauritius, einer Insel in den Maskarenen im Indischen Ozean. Als Traumdestination für Strandurlauber bekannt, ist das afrikanische Land aber eher ei

28.04.2025Highlight-Video des 111. Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE - Emirates - XRG) lieferte bei Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT) nahezu eine Kopie des Rennens aus dem Vorjahr. Wie damals griff er an der Cote de la Redoute 35 Kilometer

28.04.2025Highlight-Video des 9. Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen

(rsn) - Kimberley Le Court (AG Insurance - Soudal) ist die erste Siegerin eines Radsports-Monuments aus Mauritius. Die 29-Jährige setzte sich bei Lüttich-Bastogne-Lüttich nach 153 Kilometern im Sp

28.04.2025Tour de Romandie im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die Tour de Romandie (2.UWT) hält traditionell für jeden Fahrertyp etwas bereit. Ob Kletterer oder Zeitfahrspezialisten, Sprinter oder Klassikerjäger - sie alle bekommen bei der sechstägig

27.04.2025Pogacar: “Bis jetzt lief ja alles nach Wunsch“

(rsn) – Mit seinem Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich egalisierte Tadej Pogacar (UAE Team Emirates – XRG) nicht nur eine weitere Bestmarke von Eddy Merckx, dem als bisher einzigen Fahrer das Dou

JEDERMANN-RENNEN DIESE WOCHE
  • Keine Termine