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03.05.2017 | (rsn) - Ein Mann mit hinten zusammengebundenen Haaren und beeindruckenden Oberschenkeln betritt am Vorabend des 1.-Mai-Klassikers Eschborn-Frankfurt die Lobby des Mannschaftshotels von Bora-hansgrohe in Hofheim am Taunus: Peter Sagan. Der zweimalige Straßen-Weltmeister wirkt entspannt und hat sich zwischen seiner Massage im Anschluss an eine lockere 70-Kilometer-Trainingsausfahrt und dem Abendessen 20 Minuten Zeit genommen, um mit radsport-news.com zu sprechen.
Peter, die Klassiker-Kampagne ist trotz des Sieges bei Kuurne-Brüssel-Kuurne ohne den ganz großen Triumph geblieben. Trotzdem haben Sie mit Ihrer Fahrweise viele Herzen gewonnen. Was ist wichtiger?
Peter Sagan: Am wichtigsten ist, dass ich nicht richtig schwer gestürzt bin. Aber im Rennen läuft es eben manchmal gut, manchmal schlecht. In Roubaix war ich da, hatte aber Pech. Es war keine gute Rennperiode für mich: Die Form war perfekt, denke ich, was herausgekommen ist, dagegen nicht. Aber egal, das war der erste Teil der Saison und jetzt geht es weiter. Wir haben noch wichtige Rennen wie die Tour de France, Klassiker wie Plouay oder Hamburg und dann die WM. Ich denke nicht an die Vergangenheit, sondern schaue nach vorne. Die Frühjahrsklassiker kommen nächstes Jahr wieder.
Ist es Ihre große Stärke, Niederlagen schnell abzuhaken und nach vorne zu schauen?
Sagan: Ich weiß nicht, ob das eine Stärke ist. Aber so ist es im Leben: Schaut man immer zurück? Ich weiß nicht.
Ich mache das manchmal. Vielleicht ist das eine Schwäche..?
Sagan: Letztendlich vergeudet man so Energie. Ein Rennen ist ein Rennen, aber es gibt wichtigere Dinge im Leben. Das ist nur die Arbeit - manchmal läuft es gut, manchmal schlecht.
Sind Sie trotz des fehlenden großen Sieges stolz auf ihre Klassikersaison - wegen der Art, wie Sie gefahren sind, zum Beispiel in San Remo?
Sagan: Oh ja, sicher. Ich habe nie schlecht darüber gedacht, was ich in San Remo gemacht habe. Ich habe mein Bestes gegeben und getan, was ich tun musste. Ich denke nicht, dass ich das Rennen dort verloren habe. Ich habe es in einer gewissen Art auch gewonnen.
Als nächstes steht die Kalifornien-Rundfahrt auf dem Programm. Das Rennen, bei dem Ihr Stern vor einigen Jahren aufging. Ein spezielles Rennen für Sie?
Sagan: Ja, es ist ein sehr schönes Rennen mit gutem Wetter. Die Atmosphäre und die Organisation sind immer gut. Es war bislang kein WorldTour-Rennen, aber jetzt ist es das. Man muss sehen, was das verändert.
Sie sind erst 27, haben aber schon viele große Siege gefeiert - Flandern, fünf Mal das Grüne Trikot bei der Tour, zwei WM-Titel. Was sind Ihre weiteren Karriereziele? Können Sie sich sogar vorstellen, sich als Fahrertyp zu verändern und einmal eine große Rundfahrt auf Klassement zu fahren?
Sagan: Es gibt auch noch viele große Rennen, die ich nicht gewonnen habe. Warum also nicht erstmal das versuchen? Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen und werde deshalb von Jahr zu Jahr schauen. So etwas kann ich nicht hier jetzt auf einem roten Sessel in der Hotel-Lobby entscheiden.
Sie gelten als einer der Besten in Sachen Fahrtechnik - auch wegen Ihrer Vergangenheit auf dem Mountainbike. Durch Ihr Auftreten erinnern Sie auch stark an das coole Image der Mountainbiker. Wieso haben Sie sich für die Straße entschieden?
Sagan: Vielleicht passe ich zum Downhill oder zum Motocross, ja. (lacht) Und als Kind wollte ich immer eher Downhill fahren. Aber das Leben entscheidet für einen. In der Jugend bin ich alles gefahren, auch Cross. Aber in der U23 habe ich eine Saison lang versucht, Mountainbike und Straße zu kombinieren. Die Saison war lang und danach habe ich gemerkt, dass es unmöglich ist. Ich habe die Straße gewählt, weil ich da schon die Möglichkeit hatte, zu einem ProTour-Team (Liquigas) zu kommen. Das ist eine Chance, die man nicht vorbeiziehen lassen darf.
Was gefällt Ihnen besser?
Sagan: Ich weiß nicht, ob ich das beantworten kann. Ich bin jetzt Straßen-Profi und zweimaliger Weltmeister. Ich denke nicht mehr darüber nach, sondern konzentriere mich voll auf die Straße. Vielleicht wäre das auf dem Mountainbike nie passiert. Deshalb bin ich mir sicher, dass die Entscheidung gut war.
Sehen Sie es als Ihre Mission, etwas vom coolen Mountainbike-Lifestyle auf die Straße zu bringen?
Sagan: Es ist nicht meine Mission. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich ein großer Star werden könnte. Und ich tue Dinge auch nicht geplant oder mit einer Absicht. Die Gruppe von Leuten, mit denen ich aufgewachsen bin und die um mich herum sind - ich tue einfach die Dinge, die wir als Kids getan haben. Als Straßen-Profi ist es schwer, immer relaxt und spaßig zu sein. Es ist einfach sehr viel, die ganze Planerei, die vielen langen Rennen. Das ist wirklich hart, und deshalb ist hier jeder so seriös. Aber meine Mentalität ist: Wieso müssen wir immer ernst sein?
Deshalb haben Sie eine Art Rockstar-Image bekommen...
Sagan: Ja, aber dafür braucht man auch die Ergebnisse.
Wie groß ist der Unterschied zwischen Ihrem neuen deutschen Teamchef Ralph Denk und ihrem alten russischen Teamchef Oleg Tinkov?
Sagan: Das hat nichts mit deutsch-russischen Unterschieden zu tun, sondern einfach mit ihrer Persönlichkeit.
Darauf wollte ich nicht anspielen...
Sagan: Als Ralph zum ersten Mal nach Monaco kam, um mit mir zu sprechen, hatte ich einen sehr guten Eindruck. Er hat mir sehr genau zugehört und unsere Verhandlungen gingen sehr schnell. Ich bekam immer sofort Antworten von ihm und er hat mir gezeigt, dass sie mich wirklich wollen und es nicht nur ums Geld geht. Da wurde nicht gepokert. Bei anderen Teams spielt man oft auf Zeit, das hat er nicht getan. Das hat mir gefallen und deshalb wusste ich sofort, dass Bora-hansgrohe das Team ist, das ich will. Und auch jetzt werden noch Dinge außen herum organisiert, so wie letzte Woche beim Autofahren auf dem Salzburgring, wo wir mit dem Team sehr viel Spaß hatten. Das sorgt für ein gutes Klima.
Jetzt sind die ersten Monate bei Bora-hansgrohe vorbei. Was ist hier anders?
Sagan: Nicht viel, es bleibt derselbe Sport. Man muss sich nicht an viel gewöhnen. Wir essen gut, weil wir einen guten Sponsor dafür haben. Und es gefällt mir, dass sie einen guten Job gemacht haben, um von einem kleinen zu einem WorldTour-Team zu werden. Ich fühle mich sehr wohl.
Wie wichtig war es trotzdem, Leute von Tinkoff mitzubringen? Wer war Ihnen da am wichtigsten?
Sagan: Bora war ein kleineres Team mit weniger Mitarbeitern. Mein Masseur und mein Mechaniker sind mitgekommen, weil sie wissen, was ich brauche. Das ist immer ein Vorteil, weil ich nicht wieder erklären musste, warum ich Dinge so und so mache. Aber ich kann nicht sagen, wer am wichtigsten war. Es ist einfach ein Paket - Leute, die schon lange zusammenarbeiten und sich gut kennen. Jeder dieser Gruppe hat eine andere Rolle, aber jede dieser Rollen ist wichtig.
Haben Sie einen Stamm-Zimmerpartner?
Sagan: Nein, ich kann mit jedem ins Zimmer und wechsle da immer durch.
Ihre Frau Katarina ist oft bei Rennen dabei. Und auch sie gehört zu Ihrem Image - zum Beispiel durch das berühmte Grease-Video. Wer von Ihnen kommt auf diese Ideen? Hat sie einen besonderen Vermarktungs-Sinn?
Sagan: Nein, darum geht es nicht. Sie ist einfach da, weil sie mich sehen will. Und das Video haben wir damals nicht gemacht, um es kommerziell zu nutzen, sondern eigentlich nur für unsere Hochzeit. Wir wollten, dass die Leute Spaß haben, während wir Hochzeitsfotos machen und solche Dinge. Aber es war lustig und schön und deshalb haben wir es dann auch veröffentlicht.
Als Sie in Richmond Ihren ersten WM-Titel gewannen, beeindruckten Sie schon im ersten Sieger-Interview damit, dass sie die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen auf der Welt anprangerten. Das ist anderthalb Jahre her. Wurden Sie erhört, hat sich etwas gebessert?
Sagan: Ich denke jeder weiß, wie die Situation der Welt ist. Es läuft alles in eine gute Richtung, oder...? (grinst schelmisch, wartet ab, ob seine Ironie verstanden wurde und nickt dann vielsagend.)
Vielen Dank für das Gespräch, Peter.
Sagan: Sehr gerne, danke auch.
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