“Leadout war perfekt“

Quick-Steps Sprintzug ist der Schlüssel zu Vivianis Erfolg

Von Felix Mattis aus Nancy

Foto zu dem Text "Quick-Steps Sprintzug ist der Schlüssel zu Vivianis Erfolg"
Glückwunsch vom Gelben: Elia Viviani und Julian Alaphilippe im Ziel der 4. Tour-Etappe | Foto: Cor Vos

10.07.2019  |  (rsn) - Elia Viviani hat es geschafft: Bei seinem zweiten Versuch, eine Tour-Etappe zu gewinnen, überquerte der Italiener den Zielstrich in Nancy als Erster und wusste genau, wem er das zu verdanken hatte: "Ich denke an Elena, meine Freundin (Cecchini, Profi bei Canyon-SRAN, Anm. d. Red.), und an meine Familie. Sie waren in guten und schlechten Momenten immer bei mir. Aber danken muss ich meinem Team. Denn nur wegen meines Teams habe ich heute gewonnen", erklärte der 30-Jährige.

Und das war kein bescheidenes Understatement. Denn auch wenn Viviani als erfolgreichster Sprinter der vergangenen Saison zweifelsfrei zur absoluten Weltspitze gehört, in Nancy war es der Quick-Step-Sprintzug, der die Etappe gewonnen hatte. Viviaini war lediglich der Vollstrecker, der zu Ende gebracht hat, was perfekt vorbereitet wurde.

"Ehrlich gesagt, habe ich einen Kilometer vor dem Ziel schon gewusst, so wie wir da dastanden, dass es bei so einer schnellen Ankunft sehr schwer für die Anderen werden würde, uns noch zu schlagen", erklärte Viviani auf der Pressekonferenz, nachdem sein Team einmal mehr unter Beweis gestellt hatte, dass es auch mit unterschiedlichen Fahrerbesetzungen immer wieder die besten Sprintzüge der Welt zusammenstellt - wie schon vor einigen Jahren für Mark Cavendish, später für Marcel Kittel, dann für Fernando Gaviria und nun eben für Viviani.

Sah man sich beim Giro d'Italia im Mai noch einem mindestens ebenbürtigen Zug von Bora - hansgrohe gegenüber, so hat Viviani bei der Tour nun das Sprintzug-Ass in seinem Ärmel. "Wir hatten auch beim Giro schon ein starkes Team, aber das hier ist das Beste, was wir haben. Der größte Unterschied ist Michael Morkov", erklärte der 30-Jährige. "Er ist es, der alles entscheidet und seine Erfahrung macht den Unterschied. Außerdem weiß jeder, wie wichtig Max Richeze als Anfahrer ist. Heute war mein Leadout einfach perfekt. Wenn einer einen kleinen Fehler irgendwo gemacht hat, dann ich."

Morkov übernimmt das Kommando

Auch Dries Devenyns und Julian Alaphilippe spielten im Finale Schlüsselrollen für Viviani. Der Belgier, weil er den Italiener und den Dänischen Meister vor dem so wichtigen Kreisverkehr und der Engstelle knapp zwei Kilometer vor dem Ziel von weit hinten in die perfekte Position brachte, und der Franzose im Gelben Trikot, weil er dann auf Morkovs Ansage hin kurz vor der 1.000-Meter-Marke den Turbo zündete und den Zug an die Spitze des Feldes beförderte.

Da saß Viviani im Windschatten von Morkov und Richeze bereits an fünfter Stelle des Feldes und regelrecht auf der Abschussrampe, bereit für den Sprint zum Sieg. "Ich musste nichts anderes machen, als mich aufs Hinterrad von Max zu konzentrieren und dann nach der 200-Meter-Marke loszusprinten, sobald er die Lücke aufmacht", schilderte Viviani seinen Job.

Ein Sprint wie aus dem Lehrbuch

Denn auch das machte man bei Deceuninck - Quick-Step genau richtig: Als Morkov 500 Meter vor dem Ziel die Führung des Feldes übernahm, zog er ganz nach links rüber, um im letzten Linksknick den kürzesten Weg fahren zu können und dafür zu sorgen, dass niemand mehr innen an ihm, Richeze und Viviani würde vorbeijagen können. 300 Meter vor dem Ziel übergab er die Führung an den Argentinischen Meister und 150 Meter vor der Linie zog auch der leicht nach rechts von der Bande weg, um gerade genug Platz für Viviani zum Durchschlüpfen zu lassen.

So musste Alexander Kristoff (UAE Team Emirates) einige Meter weiter rechts einen etwas weiteren Weg fahren und auch Caleb Ewan (Lotto Soudal) hatte nicht den nötigen Platz, um aus Vivianis Windschatten vorbeizuziehen, was bei dem Gegenwind auf der Zielgeraden für den kleinen Australier sonst durchaus noch möglich gewesen wäre.

Die Bedeutung des Kreisverkehrs

Besonders wichtig für die Sprintentscheidung in Nancy, das war allen vorher klar, war der Kreisverkehr Marcel Brot knapp zwei Kilometer vor dem Ziel. Durch ihn wurde das Peloton von der mehrspurigen D674 in ein enges Sträßchen geleitet, das dann in eine langgezogene Linkskurve mündete und nach der die Straße etwa 1.400 Meter vor dem Ziel wieder breiter wurde.

Die Teams der Sprinter kämpften auf der abschüssigen D674 daher bei Hochgeschwindigkeit um die vordersten Positionen im Feld, um bestmöglich durch Kreisverkehr und Linkskurve zu kommen. Diesen Kampf gewannen Jumbo - Visma und Dimension Data, zahlten dafür aber den Preis, dass ihre Sprintzüge sich vermischten und ihre Kapitäne verloren gingen - ähnlich wie auch bei vielen anderen Teams. Perfekt hindurch kam nur das nicht ganz vorne platzierte Team Deceuninck - Quick-Step. Viviani saß im Kreisverkehr an 18. Stelle.

Während sich die Konkurrenz 1,5 Kilometer vor dem Ziel daher erst einmal sortieren musste, konnte Morkov Alaphilippe das Kommando geben, loszufahren und die Spitze zu erobern, die man dann nicht mehr abgab.

Wohin führt Vivianis Weg?

"Das ist der Sieg, der mir noch gefehlt hat. Jetzt will ich unbedingt bis Paris kommen, weil die Ankunft dort so prestigeträchtig ist. Aber davor denke ich noch an Etappe 7, die die nächste für Sprinter ist", erklärte Viviani, nachdem in seinem neunten Profijahr bei seiner zweiten Frankreich-Rundfahrt - 2014 fuhr er bei Liquigas als Helfer für Peter Sagan - endlich der erste Tour-Etappensieg gelungen ist.

Viviani weiß sehr gut, dass er ihn zu großen Teilen seinem Team zu verdanken hat. Umso pikanter ist, dass er offenbar vor einem Wechsel steht. Angeblich soll sich der Italiener mit Cofidis bereits einig sein, während ihn bei Quick-Step Sam Bennett ersetzen könnte. In Nancy wollte er dazu aber nichts sagen. "Sie sind es, der sagt, dass ich gehen werde, nicht ich", so Viviani auf die Nachfrage eines belgischen Journalisten. "Ich will jetzt nicht in die Zukunft schauen, denn ich habe gestern schon gesagt, dass diese Tour de France wahrscheinlich darüber entscheidet, was ich tun werde. Deshalb denke ich jetzt nur daran, noch mehr Etappen zu gewinnen."

Als drei- oder viermaliger Tour-Etappensieger würde sich Vivianis Marktwert noch einmal deutlich steigern. Ob Manager-Fuchs Patrick Lefevere deswegen aber auch ein besseres Vertragsangebot abgeben würde, wenn er Bora-Profi Bennett günstiger bekommen kann, das steht in den Sternen. Der Belgier weiß schließlich auch um den großen Anteil seiner Sprintzüge an den Erfolgen seiner Sprinter.

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.07.2020Video-Rückblick: Bernals Weg zum Tour-Triumph

(rsn) - Vor genau einem Jahr gewann Egan Bernal (Ineos) als erster Kolumbianer die Tour de France. Nach einem harten Kampf über drei Wochen wurde der damals 22-Jährige am 28. Juli 2019 am Ende der 1

18.02.2020Tour-Sieger Bernal gewinnt Laureus World Sports Awards

(rsn) - Tour-de-France-Gewinner Egan Bernal (Ineos) ist als erster Radsportler seit Lance Armstrong mit dem Laureus World Sports Awards ausgezeichnet worden. Der 23-jährige Kolumbianer gewann die Wer

04.12.2019Van Aert: “Als würde ich bei lebendigem Leib brennen“

(rsn) - Wout Van Aert (Jumbo-Visma) hat sich erstmals die Aufzeichnung seines schrecklichen Sturzes bei der Tour de France angeschaut und im Rahmen der flämischen Doku-Serie Het Huis (Das Haus) ein I

15.11.2019Wetter-Wahnsinn bei Giro, Tour und WM

(rsn) - Extremwetter macht auch vor dem Radsport nicht halt. Eurosport hat in einem Video die fünf wildesten Szenen bei Radrennen zusammengefasst, die von Regen oder Schnee heimgesucht wurden.

24.10.2019Mitchelton - Scott: Vier Tour-Etappensiege als Saison-Highlights

(rsn) - Am Ende einer Saison, in der die GrandTour-Kandidaten Simon und Adam Yates sowie Esteban Chaves die großen Klassementhoffnungen nicht erfüllen konnten, zieht Mitchelton - Scott dennoch ein p

08.09.2019Van Aert sitzt erstmals seit Tour-Aus wieder auf dem Rad

(rsn) - "Guess what?! :)" - so betitelte Wout Van Aert am Sonntagmorgen eine Aktivität auf Strava. Und ja, ratet mal: Der Belgier saß erstmals seit seinem schweren Unfall im Einzelzeitfahren der Tou

06.09.2019Van Aert: OP-Fehler verlängerte die Zwangspause

(rsn) - Die Rechtskurve aus dem Tunnel unter dem Parc du Chateau heraus in die Rue d´Etigny, kurz vor der 1.000-Meter-Marke im Einzelzeitfahren der Tour de France in Pau: Maximilian Schachmann (Bora

16.08.2019Bardet wird in dieser Saison keine Rennen mehr bestreiten

(rsn) - Nach einer trotz des Gewinns des Bergtrikots enttäuschend verlaufenen Tour de France hat sich Romain Bardet (AG2R) dazu entschlossen, 2019 keine Rennen mehr zu bestreiten. "Gemeinsam mit dem

02.08.2019Van Aert: Nach zwei Operationen vor langer Rehabilitation

(rsn) - Nach zwei Operationen an seiner Oberschenkelwunde ist unklar, wann Wout Van Aert (Jumbo - Visma) wieder ins Peloton zurückkehren wird. Das teilte sein Team bereits vor einigen Tagen mit. Am D

02.08.2019Tour-Sieger Bernal kehrt nach der Clasica in seine Heimat zurück

(rsn) - Noch konnte Tour-de-France-Sieger Egan Bernal sein Gelbes Trikot seinen Fans in der Heimat nicht präsentieren. In der zu Ende gehenden Woche bestritt der Kolumbianer noch drei Kriterien in Be

02.08.2019Deceuninck - Quick-Step: Tour-Rückblick im Video

(rsn) - Mit drei Etappensiegen und 14 Tagen das Gelbe Trikot in den eigenen Reihen blickt Deceuninck - Quick-Step auf eine erfolgreiche Tour de France zurück. In einem selbst erstellten Video lässt

01.08.2019Greipel: “Die schlechteste Tour meiner Karriere“

(rsn) – André Greipel (Arkéa – Samsic) hat auf seiner Facebook-Seite seine neunte Tour de Frace bilanziert und betonte dabei, dass diese für ihn absolut nicht zufriedenstellend verlaufen ist.

Weitere Radsportnachrichten

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Bonnamour gibt Kampf gegen Dopingsperre auf

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

13.11.2024Ein Jahr geprägt von Stürzen und viel Unglück

(rsn) – Eigentlich wollte Mikà Heming (Tudor Pro Cycling) 2024 so richtig durchstarten. Die Klassikerkampagne in Belgien hatte er sich als erstes Saisonhighlight gesetzt, doch diese endete für den

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine