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31.08.2020 | (rsn) - Schon als das Team Sunweb am 1. Juli seinen Kader für die Tour de France und allgemein das Rennprogramm seiner Top-Fahrer für den Rest der Saison bekanntgab, löste das einen Reflex aus: Michael Matthews wird 2021 nicht mehr für den deutschen WorldTour-Rennstall unterwegs sein, musste man sofort vermuten. Klar, der Australier hatte noch Vertrag für die kommende Saison.
Doch dass er drei Jahre nach dem Gewinn des Grünen Trikots noch nicht einmal mehr in den Kader für die Frankreich-Rundfahrt berufen wurde und obendrein auch noch auf die im Oktober angesetzten Klassiker verzichten sollte, um den Giro d'Italia zu fahren, obwohl er seine Saison rund um die Frankreich-Rundfahrt und die Klassiker geplant hatte, konnte nicht spurlos an Matthews vorbeigehen.
Tagsdrauf bestätigte Matthews seine Enttäuschung. "Diese Entscheidung hat mich hart getroffen", gab der Australier zu, übte sich offiziell aber zunächst in Diplomatie: "Ich bin überzeugt davon, dass die Teamleitung alles getan hat, um allen unter diesen Umständen das bestmögliche Programm zu bieten." Dennoch erklärte er auch, dass er sich sein Programm anders gewünscht hatte und die Teamleitung seinem Wunsch nicht nachgekommen sei - wovon er erst am Tag vor der offiziellen Bekanntgabe erfuhr.
Seit dem gestrigen Sonntag ist nun klar: Die Vermutung, dass dieser 1. Juli der Anfang vom Ende für Matthews bei Sunweb darstellen würde, war richtig. Wie der Rennstall am Sonntag nun bekanntgegeben hat, lösen beide Seiten den Vertrag des Australiers nach der laufenden Saison auf. Wenige Stunden später gab dann das australische Team Mitchelton - Scott bekannt, dass der U23-Weltmeister von 2010 zu jenem Rennstall zurückkehren wird, von dem er 2017 zum in Deutschland lizenzierten Team des Niederländers Iwan Spekenbrink gewechselt war. Die Frage ist: Hilft ihm das?
Eingewöhnungszeit dürfte kurz werden
Matthews ist einer der begabtesten Fahrer im Peloton und aktuell in Top-Form. Er gewann am Dienstag die Bretagne Classic und war Anfang August trotz einer schweren Schnittwunde an der Hand Dritter bei Mailand-Sanremo. Mit 29 Jahren ist er noch nicht zu alt, um für die großen Teams mittel- oder sogar langfristig interessant zu sein.
Doch angesichts der Arbeitsplatz-Situation in der Corona-Krise dürfte Matthews trotzdem nicht die freie Wahl gehabt haben. Mitchelton - Scott wird wahrscheinlich eine von höchstens einer Handvoll Optionen gewesen sein - und darunter vielleicht tatsächlich die beste?
Der Wechsel zurück in die eigene Vergangenheit hat den Vorteil, dass er das dortige Umfeld kennt und auch dort schon Erfolg hatte - als mehrfacher Giro-, Tour- und Vuelta-Etappensieger sowie Träger des Rosa Trikots.
Leader-Rolle winkt
Als er das Team 2017 verließ, stand Caleb Ewan dort als vielversprechender Sprinter in den Startlöchern und insgesamt wollte man den Fokus in Richtung Gesamtwertung bei großen Rundfahrten verlegen. Doch nun ist Ewan bei Lotto Soudal und die Australier verlieren mit Adam Yates (zu Ineos) und Jack Haig (zu Bahrain - McLaren) auch zwei wichtige Fahrer fürs Hochgebirge und ihren Fokus auf die Rundfahrt-Klassements. Die Jagd nach Etappensiegen und Klassikern könnte wieder mehr in den Vordergrund rücken, und dafür ist Matthews nun der beste Mann im Kader - zumal sich auch Daryl Impey (zu Israel Start-Up Nation) verabschiedet.
In der Pressemitteilung zu Matthews' Abschied von Sunweb, wurde er selbst wie folgt zitiert: "Das Team ist sehr ambitioniert und will mehr und mehr mit einem breiteren Kollektiv an Fahrern in den Finals der Klassiker und in Sprints fahren. Diese Taktik passt nicht ideal zu meinen Ambitionen und speziellen Stärken in Sprints. Deshalb habe ich entschieden, um die Erlaubnis zu fragen, mich nach anderen Möglichkeiten umzusehen." Vereinfacht ausgedrückt: Matthews will klarer Kapitän sein, bei den Rennen, die ihm liegen. Bei Mitchelton - Scott wird das 2021 sicher wieder so sein.
Einziges Fragezeichen: Wie sicher ist die Zukunft des Teams?
Sportlich macht der Wechsel für Matthews also definitiv Sinn - und für sein neues Team auch. Sunweb dagegen verliert einen weiteren großen Namen im Kader. Allerdings passt das zur aktuellen Philosophie im Spekenbrink-Rennstall: Man setzt immer mehr auf den Nachwuchs und bildet einen in der Breite starken Kader aus - neben dem neuen Rundfahrt-Kapitän Romain Bardet. Und: Mit Matthews wird ein teurer Fahrer von der Gehaltsliste gestrichen, was dem Budget eines durch ein Tourismus-Unternehmen finanzierten Teams in Zeiten von Corona wohl auch entgegenkommt.
Bleibt die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Wechsels aus Sicht von Matthews. Denn Mitchelton - Scott stand vor zwei Monaten noch vor dem Aus, bevor Geldgeber Gerry Ryan sich dann doch nochmal dazu durchrang, in die Zukunft des Teams zu investieren.
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