Vuelta: Drama um Lopez, Roglic weiter vorn

Champoussin kommt aus dem Nichts und gewinnt 20. Etappe

Von Kevin Kempf

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Clément Champoussin gewinnt die 20. Etappe der Vuelta 2021| Foto: Cor Vos

04.09.2021  |  (rsn) – Auf der spektakulären 20. Etappe der Vuelta a Espana überraschte Clément Champoussin die Favoriten mit einer Attacke auf den letzten zwei Kilometern. Der Franzose setzte sich auf dem Weg nach Mos am Castro de Herville ab und gewann als Solist vor Primoz Roglic (Jumbo – Visma), der damit die Gesamtführung verteidigte. Dritter wurde Adam Yates (Ineos Grenadiers). Für Aufsehen sorgte der vor der Etappe Drittplatzierte Miguel Angel Lopez (Movistar), der den fünf besten Klassementfahrern nicht folgen konnte, sich weigerte das Rennen fortzusetzen und ausstieg.

Tragischer Held des Tages war Ryan Gibbons, der 3,5 Kilometer vor dem Ziel von den Favoriten um Roglic gestellt wurde. Er war Teil einer großen Ausreißergruppe, aus der er sich etwas mehr als 50 Kilometer vor dem Ziel abgesetzt hatte. “Im Steilstück ging es etwas zu schnell für mich“, so der 23-Jährige. Später aber profierte er von der Uneinigkeit der besten Vier. "Im Finale war ich vor allem auf Yates und Mas konzentriert. Aber man hätte superstark sein müssen, um anzugreifen und wegzufahren", kommentierte Roglic die Szene, als die Favoriten sich anguckten, während der Tagessieger unbehelligt attackierte  und so zu seinem ersten Sieg als Profi fuhr.

“Etwas mehr als 1,5 Kilometer vor dem Ziel haben sie sich angeschaut und ich dachte, weil ich ja nicht gefährlich für sie bin, dass ich es einfach mal probiere. Also habe ich hart angetreten", schilderte Champoussin die entscheidende Szene, als er, von hinten aus dem Nichts kommend, einfach an den Favoriten vorbeischoss. "Der Schlusskilometer war nicht mehr zu schwer, so dass ich vorne bleiben konnte“, fuhr der Sieger fort. “Das kam heute etwas unerwartet, weil ich Aufs und Abs hatte während den ganzen drei Wochen. Gestern ging es mir nicht wirklich gut. Heute wäre ich auch happy gewesen, einfach nur ins Ziel zu kommen“, so Champoussin nach der äußerst belebten Etappe im Flash-Interview.

55 Kilometer vor dem Ziel attackierte Adam Yates (Ineos Grenadiers) eine bereits dezimierte Gruppe der Klassementfahrer. Nur Roglic, Haig, Enric Mas und Gino Mäder (Bahrain Victorious) folgten dem Briten. Lopez und Egan Bernal (Ineos Grenadiers) verpassten den Anschluss im eher leichten Teil des Anstieges, vermutlich aus Unachtsamkeit. Haig hatte mit Mäder und später den aus der Ausreißergruppe zurückbeorderten Mark Padun zwei wichtige Helfer, die das Tempo für ihn hochhalten konnten. “Ich habe die ganze Woche gesagt, dass wir nach Möglichkeiten suchen, um uns noch um einen Platz zu verbessern. Als die Chance sich heute Mittag bot, haben wir sie gepackt“, kommentierte der Australier den erfolgreichen Angriff aufs Podium.

Drama um Lopez

Lopez musste derweil im Hintergrund die gesamte Führungsarbeit allein leisten. Rasendschnell verlor er Minuten. Obwohl sein Sportlicher Leiter Patxi Vila und sein Teamkollege Imanol Erviti versuchten, ihn zum Weiterfahren zu überreden, stieg Lopez schließlich in den Mannschaftswagen. Nach zehn Minuten soll er das Begleitfahrzeug aber wieder verlassen und das Rennen fortgesetzt haben, letztendlich hat er die Vuelta aber doch aufgegeben.

Die Gesamtwertung wurde noch einmal durcheinandergewürfelt. Haig schaffte durch die Aufgabe von Lopez den Sprung aufs Podium. Da auch Bernal nicht in der ersten Favoritengruppe ins Ziel kam, musste er Yates und Mäder passieren lassen. Mäder schob sich nicht nur an den Kolumbianern, sondern auch an Sepp Kuss (Jumbo – Visma) vorbei auf Rang 5. Felix Großschartner (Bora – hansgrohe) konnte Odd Christian Eiking (Intermarché – Wanty – Gobert) im Finale 36 Sekunden abnehmen. Er überholte den Norweger und Lopez und schob sich zum dritten Mal in dieser Vuelta unter den besten Zehn.

Das Bergtrikot blieb bei Michael Storer (DSM), der sich mit seinem Teamkollegen Romain Bardet in der Gruppe des Tages befand und seinen Vorsprung so ausbaute. Wie Fabio Jakobsen (Deceuninck – Quick-Step), der weiterhin das Punktetrikot trägt, ist dem Australier im morgigen Zeitfahren der Sieg in der Sonderwertung nicht mehr zu nehmen, wenn er das Ziel erreicht. Da Mäder Bernal in der Gesamtwertung überholte, übernimmt er auch das Trikot des besten Nachwuchsfahrers vom Kolumbianer. Auch er ist im Abschlusszeitfahren nur noch theoretisch zu gefährden.

So lief das Rennen

In der aktiven Anfangsphase des Rennens dauerte es 31 Kilometer bis sich eine Gruppe entscheidend abgesetzt hatte. 16 Fahrer mit unter anderem Bardet, Storer, Padun und Matteo Trentin (UAE Emirates) setzten sich ab und bekamen maximal 12 Minuten Vorsprung.

Mit Bardet und Storer in der Gruppe zeichnete sich ein interessantes Duell um das Bergtrikot ab. An der ersten Bergwertung, die Storer für sich entschied, wurde aber bereits klar, dass sein Teamkollege dem Australier keine Steine in den Weg legen würde.

100 Kilometer vor dem Ziel verschärfte Ineos Grenadiers das Tempo im Feld. Die scheinbar aussichtlose Mission die Ausreißer noch zu fangen, wurde realistischer, als der Vorsprung 40 Kilometer später nur noch fünf Minuten betrug. Als nach Tom Pidcock auch Pavel Sivakov (beide Ineos Grenadiers) ihre Dienste erledigt hatten, attackierte Yates im Alto de Mougas (1.Kat.) 60 Kilometer vor dem Ziel. 12 Athleten setzten sich ab, von den Klassementfahrern fehlte nur Kuss. Die Spitzengruppe teilte sich derweil am gleichen Anstieg in zwei Teile.

55 Kilometer vor dem Ziel attackierte Yates erneut. Dieses Mal folgten nur Roglic, Mas, Haig und Mäder. Lopez hatte die Gruppe verpasst und musste auf den nächsten Kilometern ohne Unterstützung probieren sein Podium gegen Haig zu verteidigen.

In der Abfahrt des Alto de Mougas attackierte Gibbons. Er fuhr bis zu zwei Minuten auf seine direkten Verfolger, die Gruppe um Storer, heraus. Lopez hingegen streckte in der Verfolgung auf die Gruppe um Roglic und Haig die Waffen. Seine Gruppe wurde von hinten weiter verstärkt, neue Helfer seines geplagten Movistar-Teams bekam der Kolumbianer aber nicht. Sein Rückstand wuchs rapide auf mehrere Minuten an.

Während Gibbons seinen auf unter eine Minute gesunkenen Vorsprung in der nächsten Abfahrt wieder ausbaute, wurde 17 Kilometer vor dem Ziel gemeldet, dass Lopez vom Rad gestiegen war. 9 Kilometer vor dem Ziel vereinigten sich die Gruppe Storer und die Gruppe Roglic. Den Schlussanstieg begann Gibbons mit 1:30 Minuten Vorsprung vor diesem kleinen Feld.

6,5 Kilometer vor dem Ziel attackierte Yates erneut. Mas, Roglic und Haig folgten dem Briten. 1300 Meter später hatte das Quartett den Südafrikaner gestellt, dann aber hielten sie plötzlich an einer flachen Passage die Beine still, wodurch Gibbons wieder bis auf 30 Sekunden wegfuhr. Es dauerte bis 3,5 Kilometer vor dem Ziel, bis nach einer erneuten Attacke von Yates der Führende zum zweiten Mal gestellt wurde. Das Tempo blieb aber niedrig. So schloss Mikel Bizkarra (Euskadi – Euskaltel) zur Spitze auf, um diese direkt erfolglos zu attackieren. Auch Champoussin kam 1,7 Kilometer vor dem Ziel nach ganz vorn und kopierte die Herangehensweise des Basken – allerdings mit mehr Erfolg.

Niemand fuhr dem Franzosen hinterher, sodass dieser mit sechs Sekunden Vorsprung vor den sprintenden Roglic und Yates gewann.

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