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30.06.2022 | (rsn) – Am Freitag startet in Kopenhagen die 109. Tour de France – zum 24. Mal im Ausland, seit 1954 erstmals in Amsterdam ein Grand Depart ausgerichtet wurde. Dass die Große Schleife nun so weit nördlich wie nie zuvor in ihrer Geschichte startet, ist maßgeblich der Verdienst von Alex Pedersen, bis vergangenen November Chef des OK "Grand Depart Denmark". radsport-news.com traf den heute 54-jährigen Ex-Once-Profi, Amateur-Weltmeister von 1994 und Mitbegründer des Team Saxo Bank am vergangenen Freitag vor dem größten dänischen Jedermann-Rennen Harvejslobet in Viborg im Jütland.
Pedersen war 25 Jahre alt und hatte soeben seine Radsport-Karriere wegen Herz- und Rücken-Problemen beendet, als er mit einigen Freunden auf die Idee kam, die Tour de France nach Dänemark zu holen: "Weil wir verrückt waren nach der Tour und dem Radsport, konnten wir uns nichts Größeres vorstellen. Ich bin stolz - und demütig - dass wir das nun geschafft haben.“ Im Mai 2019 wurde Pedersen offiziell zum Verantwortlichen für die dänische Tour-Bewerbung ernannt. Doch da lagen schon viele Jahre der Vorbereitung hinter Pedersen - und nun feiert Dänemark drei Tage in Gelb...
___STEADY_PAYWALL___ Es begann im Oktober 1996, dem Jahr, in dem Bjarne Riis die Tour de France gewann, in dessen Heimatstadt Herning. Dort setzte sich der damalige Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc mit einem dänischen Komitee zusammen, um die Möglichkeiten eines Tour-Starts in Dänemark zu erörtern; damals ging es um das Jahr 2002.
“Doch schon die Idee, eine Tour im Norden Dänemarks starten zu lassen, schien unvorstellbar“, erinnerte sich Alex Pedersen: “Leblanc hatte gleich mal den Grand Depart 1987 in West-Berlin genannt, wo man an die Grenzen der Logistik gestoßen war. Ein Start im noch entfernteren, ländlichen Dänemark schien noch abwegiger.“ Und dann war da noch das Thema Doping: Der Festina-Skandal 1998 kühlte das Interesse der Öffentlichkeit am Radsport merklich ab, und lange Jahre gab es keine Anzeichen mehr für einen Tour-Start in Dänemark.
Mit Prudhomme schien der Grand Départ in weite Ferne gerückt
In der Zwischenzeit gab es Grands Departs in Dublin (1998) und 2002 in Luxemburg, 2004 dann in Lüttich/ Belgien. Dort hatte Jean-Marie Leblanc erklärt, er habe "das Gefühl, es sei an der Zeit, den Dänen zurückzugeben, was sie der Tour gegeben haben“, so Pedersen. Als Christian Prudhomme 2007 das Amt des Tour-Direktors übernahm, schien die dänische Kandidatur jedoch wieder in weiter Ferne zu sein: Er zeigte zunächst kein Interesse an den Ambitionen der Nordländer.
Tour-Direktor Christian Prudhomme (re.) schien anfangs von der Idee eines Grand Départ in Dänemark nicht begeistert. | Foto: Cor Vos
Doch Pedersen steckte nicht auf: “2011 war dann die Straßenrad-Weltmeisterschaft in Kopenhagen, und auch Prudhomme war da. Einer Woche lang hatten wir bei allen Veranstaltungen begeisterte Zuschauerinnen und Zuschauer, und wir hatten bewiesen, dass wir Radsport können. Doch die Tour de France ist in vielerlei Hinsicht anspruchsvoller, sei es wirtschaftlich, in Bezug auf die Infrastruktur, die Logistik oder die Unterbringung.“
Dann kam der Start des Giro d'Italia im Mai 2012 in Herning – die Dänen zeigten erneut große Begeisterung, diesmal in Rosa. Alex Pedersen brachte in Folge zusammen mit den Bürgermeistern von Kopenhagen, Roskilde, Velje und anderen die damalige Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, erste Frau an der Spitze der dänischen Regierung, dazu, eine offizielle Bewerbung für den Tour-Start anzugehen - die dann allerdings erst nach einem Regierungswechsel 2015 von Handelsminister Troels Lund Povlsen verkündet wurde.
Pedersen wollte den Grand Départ nicht nur in Kopenhagen
Pedersen hatte Prudhomme mittlerweile zwar von Kopenhagen überzeugen können, “der Fahrrad-Hauptstadt der Welt“, doch er wollte die Tour nicht nur dort, sondern in ganz Dänemark. Also arbeitete Pedersen zusammen mit seinem Freund Jesper Worre, ebenfalls ein Ex-Profi und Mitglied im Komitee “Grand Depart Denmark“, eine Route für drei Etappen in seiner Heimat aus:
“Dass es in Kopenhagen ein Zeitfahren werden soll, war schnell klar. Dann ist uns auf der Karte die große Storebaelt-Brücke ins Auge gefallen, 18 Kilometer über das Meer, davon sieben Kilometer Hängebrücke. Das sollte auf jeden Fall Teil einer Etappe werden, allein schon aus radsportlicher Sicht: Da herrscht fast immer Wind, und die Fahrer können sich nicht verstecken.“ Den dritten Tag konzipierten die beiden als Sprinter-Etappe, 182 Kilometer von Velje nach Sonderborg in Süd-Dänmark.
“Nun hatten wir also unsere Etappen. Ich habe Christian (Prudhomme) angerufen: Alles ist fertig, ich schicke dir die ersten drei Tage der Tour in Dänemark“, sagte Pedersen: “Doch er war noch nicht überzeugt. Wie soll ich das verkaufen, fragte er, wir waren die letzten Jahre häufig im Ausland, die Franzosen wollen wieder ihren Grand Départ zuhause. Und dann noch dazu so weit weg? Wie soll das funktionieren?“
Nach langer Vorbereitung beginnt die Tour de France am 1. Juli in Kopenhagen – so weit nördlich wie noch nie in ihrer Geschichte. | Foto: Cor Vos
Prudhomme war zwar nicht abgeneigt, in Dänemark zu starten – doch er benötigte noch “Marketing-Argumente“, so Pedersen: “Also haben wir überlegt: In Kopenhagen, und ganz Dänemark, ist Radfahren nicht nur ein Sport, sondern eine Lebenseinstellung. Die Dänen legen über 15 Prozent ihrer Wege mit dem Rad zurück; im ganzen Land gibt es 4770 Kilometer Radwege. Wir bringen also das fahrradfreundlichste Land der Welt mit dem größten Radrennen der Welt zusammen – das passt doch perfekt! Christian hat die Überschrift für den Grand Départ in Dänemark!“
Die Fußball-EM kam dem Grand Départ 2021 in die Quere
Doch ganz so einfach war es dann doch nicht. Man hatte gehofft, die Tour entweder 2019, 2020 oder 2021 ausrichten zu können - aber der Start 2019 ging an Brüssel und 2020 an Nizza. Es sah so aus, als ob die Zeit für Kopenhagen und Dänemark knapp würde. Ein letzter Versuch wurde beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Dänemark im August 2018 gestartet. Im Tross war Christian Prudhomme, der einem sichtlich irritierten Premierminister Lars Lokke Rasmussen ein Maillot Jaune überreichte – aber keine Zusage für einen Tour-Start im Land.
Hauptproblem für den Depart in Dänemark war dann, so Pedersen, dass Kopenhagen bereits als wichtiger Spielort der Fußball-Europameisterschaft 2021 feststand. Schließlich einigte man sich doch, und es wurde beschlossen, den Grand Depart für 2021 an Brest in der Bretagne zu vergeben - und Kopenhagen wurde 2022 Auftakt-Gastgeber der Tour.
“Niemand hat gesagt, dass es einfach wird, oder gar billig. Die Kosten belaufen sich auf etwa zwölf Millionen Euro. Und immer wieder gab es Debatten darüber, ob das Geld im Hinblick auf die Tourismus-Einnahmen und die Öffentlichkeitswirkung gut angelegt ist“, sagte Pedersen abschließend: “Doch nun stehen drei Tour-Etappen bei uns an, mit der Team-Präsentation in den Tivoli-Gärten, einem Zeitfahren im Zentrum Kopenhagens, der Fahrt über die 18 Kilometer lange Storebaelt-Brücke, und mit sechs Bergwertungen. Wir sind glücklich – ganz in Gelb...“
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