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13.07.2022 | (rsn) – Mit einem Angriff am steilen Schlussanstieg hat Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) die 11. Etappe gewonnen und das Gelbe Trikot der Tour de France an sich gerissen. Auf dem 152 Kilometer langen Teilstück von Albertville hinauf zum Col du Granon auf 2.400 Metern Höhe löste sich der Däne fünf Kilometer vor dem Ziel aus der Favoritengruppe und jagte auch noch am vorher enteilten Nairo Quintana (Arkéa – Samsic) vorbei, der mit 59 Sekunden Rückstand Tageszweiter wurde.
Rang drei sicherte sich der Franzose Romain Bardet (DSM / 1:10 Minuten). Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) konnte Vingaards Angriff nicht folgen und rollte 2:51 Minuten nach dem Vorjahreszweiten als Siebter ins Ziel. Vor dem Slowenen, der auf den letzten Kilometern regelrecht einbrach, landeten noch Geraint Thomas (Ineos Grenadiers / +1:38), David Gaudu (Groupama – FDJ /+2:04) und Thomas‘ Teamkollege Adam Yates (+2:10). Der Freiburger Simon Geschke (Cofidis) verteidigte auf der ersten von zwei aufeinanderfolgenden schweren Bergetappen nach einer starken Vorstellung sein Bergtrikot.
Früh wurde deutlich, dass sich Jumbo – Visma am Mittwoch etwas vorgenommen hatte. Direkt nach dem Start enteilte Wout van Aert, in einer zweiten Gruppe folgte Tiesj Benoot, der allerdings wieder gestellt wurde. “Wir hatten von Anfang an einen Plan. Ich denke, man konnte sehen, wie der war. Wir wollten das Rennen super hart machen“, erzählte Vingegaard im Ziel-Interview.
Jumbo startet schon früh den Großangriff
Schon am Col de Télégraphe setzten sich dann Primoz Roglic und Vingegaard gemeinsam mit Pogacar ab, ehe sie den Mann in Gelb am Galibier (HC) im Wechsel angriffen. Diese Attacken sorgten zunächst nicht für den gewünschten Erfolg, stattdessen schlossen von hinten immer wieder einige Fahrer zum Trio auf. In einer kleinen Favoritengruppe befanden sich so neben den beiden Jumbo-Kapitänen auch noch deren Helfer Sepp Kuss, Steven Kruijswijk und Benoot. Wenig später musste Roglic seinen Angriffen Tribut zollen und die Besten fahren lassen. Er wurde aber von Van Aert wieder nach vorn gefahren, so dass die Niederländer eine große Übermacht hatten.
Der Mann in Grün verkleinerte in der Anfahrt zum Granon den Rückstand auf den führenden Barguil massiv. Rafal Majka (UAE Team Emirates) bestimmte im steilen Anstieg das Tempo, bis Vingegaard 4,3 Kilometer vor dem Ziel zum Angriff blies und mit einer einzigen Attacke alle Fahrer hinter sich ließ. “Als ich attackierte, hatte ich direkt das Gefühl, dass Pogacar Probleme bekommen würde“, erklärte der 25-Jährige. Dass gleich der erste Versuch erfolgreich war, kam überraschend, denn zuvor hatte der Spitzenreiter noch keine Schwäche gezeigt. “Am Galibier war er noch wirklich stark, da hat er noch alle anderen abgehängt. Da war ich mir noch unsicher, ob er Vollgas ging oder nicht. Am letzten Anstieg sagte ich mir, dass ich etwas probieren muss, wenn ich gewinnen will“, so Vingegaard.
Pogacar probierte die Attacke seines Kontrahenten zunächst am Hinterrad seines Teamkollegen Rafal Majka zu neutralisieren, doch auch dem Polen konnte er wenig später nicht mehr folgen. Während Majka schnell selbst zurückfiel, fuhr Pogacar sein eigenes Tempo. Dabei klebte zunächst Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) an seinem Hinterrad, doch dem Waliser ging es zu langsam, so dass er sich ebenfalls absetzte. Auch dessen Teamkollege Yates und Gaudu fuhren zum Titelverteidiger vor, um diesen kurz danach hinter sich zu lassen.
Pogacar: "Vielleicht hatte ich heute einfach nicht den besten Tag“
“Ich weiß nicht, was heute passiert ist. Am Galibier habe ich mich noch gut gefühlt. Es gab viele Attacken von Jumbo - Visma, sie waren heute sehr gut. Am Schlussanstieg hatte ich dann einfach keine guten Beine, dann war es Leiden bis zum Schluss. Vielleicht hatte ich heute einfach nicht den besten Tag“, sagte der 23-jährige Pogacar, der trotz des vergleichsweise deutlichen Rückstands im Kampf um Gelb noch nicht aufgegeben hat. Wir werden morgen sehen, ob es dann besser läuft. Ich werde bis zum Schluss alles geben und möchte mir am Ende nichts vorwerfen.“
Geschke gehörte zur 20-köpfigen Gruppe des Tages und sammelte im Dreikampf mit Pierre Latour (TotalEnergies) und Warren Barguil (Arkéa – Samsic) insgesamt 24 Bergpunkte, was zur Verteidigung des Gepunkteten Trikots reichte. Der Freiburger führt die Wertung nun mit acht Punkten Vorsprung auf Latour an. Auf Rang drei folgt Vingegaard, der 13 Zähler Rückstand hat, Barguil ist punktgleich Vierter.
In der Gesamtwertung führt Vingegaard nun 2:16 Minuten vor Bardet. Pogacar rutschte auf den dritten Platz ab, 2:22 Minuten hinter dem neuen Spitzenreiter. Weitere vier Sekunden dahinter folgt der Tagesvierte Thomas. Quintana verbesserte sich mit 2:27 Minuten Rückstand auf den fünften Platz. Als Tageszwölfter rückte Aleksandr Vlasov (Bora – hansgrohe) auf Position acht vor. Der Russe hat aber bereits 7:23 Minuten Rückstand. Sein deutscher Teamkollege Lennard Kämna büßte auf der Etappe fast 29 Minuten ein und fiel vom zweiten auf den 21. Rang zurück.
Mit seinem starken Team im Rücken zeigte sich Vingegaard mit Blick aufs Klassement selbstbewusst: “Ein zweiter Platz in der Gesamtwertung ist schon schön, aber jetzt möchte ich probieren, die Tour zu gewinnen. Heute hatte ich Erfolg, ich habe Gelb und kämpfe jetzt einfach weiter.“
Pogacar wird am Donnerstag im Weißen statt im Gelben Trikot starten. Das grüne Punktetrikot ruht weiter auf den Schultern Van Aerts, der sich als Ausreißer erneut den Zwischensprint sicherte. In der Teamwertung bleibt Ineos Grenadiers vorn.
So lief das Rennen:
Als in Albertville am Mittag bei den erwartet hochsommerlichen Bedingungen der Startschuss fiel, machten sich zwei Top-Stars aus dem noch 161 Fahrer umfassenden Feld davon. Van Aert und Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) bildeten ein hochklassiges Duo, das sich auf flachem Terrain bis zum Zwischensprint bei Kilometer 16,5, an dem sich Van Aert im Kampf um das Grüne Trikot kampflos weitere 20 Zähler sicherte, einen Vorsprung von rund 40 Sekunden erarbeitet hatte.
Nach hartem Kampf schaffte nach knapp 30 Kilometern auf mittlerweile leicht ansteigender Strecke zunächst Matteo Cattaneo (Quick-Step Alpha Vinyl) den Anschluss, ehe kurz darauf noch weitere 17 Profis zum Trio vorfuhren: Bergkönig Geschke, seine deutschen Landsleute Nils Politt, Maximilian Schachmann (beide Bora – hansgrohe) und Jonas Rutsch (EF Education – EasyPost), Van Aerts Teamkollege Christophe Laporte, Mikael Chérel (AG2R - Citroën), Andrea Bagioli (Quick-Step Alpha Vinyl), Ion Izaguirre (Cofidis), Kamil Gradek und Dylan Teuns (beide Bahrain Victorious), Guillaume Van Keirsbulck (Alpecin – Deceuninck), Barguil (Arkéa – Samsic), Mads Pedersen und Tony Gallopin (beide Trek – Segafredo), Maciej Bodnar, Latour (beide TotalEnergies) und Krists Neilands (Israel – Premier Tech).
Da Barguil, als im Klassement (26.) bestplatzierter Fahrer, bereits mehr als 13 Minuten hinter dem Gelben Trikot lag, ließ UAE die 20 Ausreißer ziehen und gestand ihnen einen Vorsprung von vier Minuten zu, ehe es den 3,4 Kilometer langen ersten Anstieg des Tages hineinging.
Geschke holt sich erste Bergpunkte, van der Poel steigt aus
In den malerischen Serpentinen hinauf zu den Lacets de Montvernier (2.Kat.) sorgte Geschkes Teamkollege Izagirre für das Tempo in der Spitzengruppe, bei den Verfolgern schlugen Pogacars Helfer ein gleichmäßiges Tempo an. Als erster an der Bergwertung holte sich Latour fünf Zähler vor Geschke, der mit seinen drei gewonnenen Punkten seinen Vorsprung in der Bergwertung ausbaute. Aus der Spitzengruppe herausgefallen war zu diesem Zeitpunkt bereits van der Poel, der dann auch seine zweite Tour de France vorzeitig beendete. Der Rückstand des Feldes war auf rund fünf Minuten angewachsen und stieg in der Folge weiter an – bis auf mehr als neun Minuten.
Schon zu Beginn des zwölf Kilometer langen und sieben Prozent steilen Col du Télégraphe (1. Kat.) fiel die Spitze unter dem Tempodiktat von Barguil und Van Aert auseinander. Aus der am Gipfel nur noch zehnköpfigen Gruppe heraus wurde Geschke an der Bergwertung hinter Latour (10) sowie Barguil (8) Dritter und sicherte sich weitere sechs Punkte.
Dahinter testete Jumbo - Visma durch Tiesj Benoot und Primoz Roglic knapp 70 Kilometer vor Ziel mit einer ersten Attacke Pogacars Team, wobei unter anderem der bisherige Gesamtzweite Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) und der auf Rang acht liegende Thomas Pidcock (Ineos Grenadiers) den Anschluss verloren. In der kurzen Abfahrt sprengte Roglic die Favoritengruppe, lediglich Pogacar, Vingegaard und Thomas konnten folgen. Im unteren Teil des Galibier griff das Jumbo-Duo das Gelbe Trikot abwechselnd an, doch Pogacar konterte alle Attacken und erhielt schließlich sogar Unterstützung seines Teamkollegen Marc Soler, der aus der rund 25-köpfigen Verfolgergruppe zu seinem Kapitän vorgefahren war. Kurz darauf schlossen weitere abgehängte Fahrer um Adam Yates (Ineos Grenadiers) und David Gaudu (Groupama – FDJ) sowie Bora-Kapitän Aleksandr Vlasov auf.
Geschke Zweiter am Galibier, Pogacar kontert Jumbo-Attacke
Die Spitze bestand mittlerweile nur noch aus Van Aert, Latour, Geschke und Barguil, der dann aber sieben Kilometer vor dem Gipfel davonzog. Der Träger des Bergtrikots konnte mit kurzer Verzögerung reagieren und sicherte sich als Zweiter am 2.630 Meter hohen Gipfel weitere 15 Punkte. Dagegen erhielt Barguil am “Dach der Tour“ neben dem Souvernir Henri Desgrange noch 20 Zähler. Latour folgte als Dritter und bekam dafür zwölf Punkte.
Aus der mittlerweile auf wieder über 20 Fahrer angewachsenen Favoritengruppe, in der auch wieder drei von Pogacars Helfer dabei waren, griff Roglic ein weiteres Mal an und schaffte es erneut, den zweimaligen Tour-Sieger zu isolieren. In der nun entstanden achtköpfigen Gruppe war Jumbo mit gleich vier Fahrern vertreten, wovon nach einem Konter Pogacars aber nur noch Vingegaard übrigblieb. Das Duo schüttelte auch Thomas und Romain Bardet (DSM) ab, die gemeinsam mit Steven Kruijswijk (Jumbo – Visma) ein Verfolgertrio bildeten, das gut zwei Kilometer vor der Bergwertung wieder den Anschluss schaffte.
Pogacar vereitelte kurz darauf eine Attacke von Bardet und erreichte rund 4:30 Minuten nach Barguil mit Vingegaard am Hinterrad 45 Kilometer vor dem Ziel die HC-Bergwertung, an der Bardet kurzzeitig zurückgefallen war. In der langen und schnellen Abfahrt wuchs die Gruppe zunächst auf wieder zehn Fahrer an, wobei Vingegaard wieder auf Kruijswijk, Van Aert und Kuss bauen konnte, Pogacar aber ohne Helfer blieb. Dazu kamen noch das Ineos-Duo Thomas und Adam Yates, Bardet, Izagirre und Nairo Quintana (Arkéa – samsic). Schließlich gelang auch noch der Gruppe um Gaudu am Ende der Abfahrt der Anschluss.
Pogacar “platzt“ am Col du GranonHinter Barguil schlossen sich Geschke, Latour und Teuns in der Jagd auf Barguil zusammen, der den rund elf Kilometer langen und gut neun Prozent steilen Anstieg mit etwas mehr als zwei Minuten Vorsprung auf das Verfolgertrio in Angriff nahm. Mit weniger als Minuten Rückstand folgte die noch rund 20 Fahrer umfassende Favoritengruppe, in der das Grüne Trikot das Tempo hoch hielt, ehe er am Fuß des letzten Berg des Tages von Roglic und Pogacars Edelhelfer Rafal Majka abgelöst wurde.
Schon früh ging dann Quintana in die Offensive, fuhr an Geschke, Teuns und Latour vorbei und machte sich auf die Verfolgung seines Teamkollegen, dessen Vorsprung fünf Kilometer vor dem Ziel nur noch 52 Sekunden betrug. Zeitgleich attackierte Bardet aus der Favoritengruppe ein weiteres Mal, diesmal folgte Pogacar nicht, sondern blieb an Majkas Hinterrad.
Als kurz darauf Vingegaard in die Offensive ging, hatte das Gelbe Trikot zur Überraschung aller keine Antwort auf den Angriff des Vorjahreszweiten, der schnell auch an Bardet vorbeifuhr und sich an Quintana heranarbeitete, der gut vier Kilometer vor dem Ziel an Barguil vorbeigezogen war. Während Vingegaard voll durchzog, schüttelte Thomas sogar noch das Gelbe Trikot ab, kurz darauf musste der völlig entkräftete Pogacar auch noch Yates und Gaudu vorbeiziehen lassen.
Im Ziel hatte der wie entfesselt fahrende Vingegaard seinen Vorsprung auf Quintana auf fast eine Minute ausgebaut. Kurz dahinter folgte Bardet, der mit seinem starken Auftritt auch seine Ambitionen im Klassement anmeldete. Vor Pogacar, der verzweifelt um jede Sekunden kämpfte, landeten noch Thomas, Gaudu und Yates, Bora-Kapitän Vlasov wurde Zwölfter und rückte in die Top Ten vor.
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