RSNplusBilanz nach zwei Tour-Wochen

Vingegaard und Pogacar vor den Pyrenäen auf Augenhöhe

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Vingegaard und Pogacar vor den Pyrenäen auf Augenhöhe"
Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma, links) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates, rechts) kämpfen um den Tour-Sieg 2022. | Foto: Cor Vos

18.07.2022  |  (rsn) – Die zweite Woche hat bei der 109. Tour de France alles verändert. Schien Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nach überlegenen Auftritten in Woche eins am Ruhetag in Morzine noch auf dem sicheren Weg zum dritten Gesamtsieg zu sein, so ist er jetzt plötzlich der Jäger eines mit 2:22 Minuten Vorsprung überlegen führenden Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma).

Doch zum dritten und letzten Ruhetag dieser Frankreich-Rundfahrt hat sich in Carcassonne durch den Doppel-Ausfall von Primoz Roglic und Steven Kruijswijk die Lage der Dinge nochmal dramatisch verändert.

___STEADY_PAYWALL___ "Das war ein wirklich sehr schlechter Tag für uns", fasste Vingegaard, der auch selbst zu Boden gegangen war, seinen Aussagen nach aber "ok" zu sein schien, den Abschluss der zweiten Tour-Woche prägnant zusammen.

Die entscheidende Schlusswoche mit drei schweren Pyrenäen-Etappen und einem langen, flachen Einzelzeitfahren verspricht jetzt große Spannung. Denn Herausforderer Pogacar hat schon mehrfach angedeutet, dass er instinktiv auf Attacke gepolt ist. Und dann gibt es da ja auch noch das Team Ineos Grenadiers, das in der Breite Jumbo-Visma und UAE plötzlich überlegen zu sein scheint. Können Geraint Thomas und Adam Yates das nutzen?

Nach dem Aus von Primoz Roglic (Bildmitte) und Steven Kruijswijk (rechts) wird Wout Van Aert (links) für Jonas Vingegaards Tour-Sieg umso wichtiger. | Foto: Cor Vos

Schon auf den ersten Flachetappen durch Dänemark und nach Calais hat sich am Anfang der Tour gezeigt, dass Pogacars Schwäche trotz aller Verstärkungen im Winter seine Mannschaft ist. Als dann die Corona-Welle durchs Team schwappte und Vegard Stake Laengen sowie George Bennett und Sportdirektor Matxin Fernandez aus der Tour spülte – und beinahe auch Rafal Majka, der auch positiv war, aber beim CT-Wert gerade noch im grünen Bereich lag – öffnete das Tür und Tor, um den Slowenen zu attackieren.

Jumbo - Visma nutzte UAE-Schwäche

Genau das tat Jumbo-Visma bei der erstbesten Gelegenheit im Hochgebirge über Col du Telegraphe und Col du Galibier zum Col du Granon. Mit einer konzertierten Aktion brachte man Pogacar in Bedrängnis und knackte ihn schließlich sogar im Schlussanstieg, so dass Vingegaard Gelb übernehmen konnte. Tagsdrauf versuchte Pogacar zwar zurückzuschlagen, doch Vingegaard und Sepp Kuss hatten hinauf nach L'Alpe d'Huez alles unter Kontrolle.

Der Slowene suchte sein Glück auch zwei Tage später in der steilen Schlussrampe von Mende, doch wieder blieb Vingegaard augenscheinlich problemlos am Hinterrad des Titelverteidigers. Was sich sowohl dort als auch in L'Alpe d'Huez aber zeigte: Pogacar und Vingegaard sind auf Augenhöhe, aber ein ganzes Level stärker als der Drittplatzierte Geraint Thomas (Ineos Grenadiers).

Der wiederum scheint die klare Nummer drei vor einem Quartett an Fahrern zu sein, die um Rang vier kämpfen: Romain Bardet (Team DSM), Adam Yates (Ineos Grenadiers), Nairo Quintana (Arkéa – Samsic) und David Gaudu (Groupama – FDJ).

Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nach dem Verlust des Gelben Trikots mehrfach attackiert - doch Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma, hinten) hatte immer eine Antwort und zeigte nicht den Hauch einer Schwäche. | Foto: Cor Vos

Doch zurück zum Duell um Gelb: 2:22 Minuten sind eine große Lücke, doch wer, wenn nicht Pogacar, wäre in der Lage, diese Situation noch auf den Kopf zu stellen? Man erinnere sich nur an die 8. Etappe der Tour 2021, als Pogacar in Richtung Le Grand-Bornand früh attackierte und 3:20 Minuten auf das Gros der Mitfavoriten mit Vingegaard, Richard Carapaz &Co. herausfuhr.

Es kommt auf die Stärke der Leader an – aber nur auf die?

Als der Slowene am Samstag in der Anfangsphase der Etappe nach Mende kurzzeitig das Tempo verschärfte, weil Vingegaard weit hinten saß und im Hauptfeld Lücken aufgegangen waren, deutete Pogacar an, dass man mit verrückten Aktionen rechnen müsse. Danach sagte er zwar noch: "Jumbo - Visma hat so ein starkes Team, da wäre es unmöglich für mich gewesen, wirklich wegzufahren." Doch genau dieser Faktor ist durch das Aus von Roglic und  Kuijswijk nun stark verändert.

Vingegaard und Pogacar kämpfen in der Schlusswoche nun wieder mit ähnlicheren Waffen – mehr Mann gegen Mann. "Wir sind jetzt wieder ausgeglichener, das wird interessant werden", sagte Pogacar am Sonntag selbst – auch wenn sein UAE-Teamchef Mauro Gianetti gegenüber cyclingnewsc.om meinte: "Ich glaube nicht, dass sich das Rennen sehr verändert, denn es gibt noch viel Kletterei. Und wenn geklettert wird, kommt es im wesentlichen darauf an, welcher Leader am stärksten ist. Teamkollegen sind wichtig, aber am wichtigsten sind die Beine der Leader."

Adam Yates (links) und Geraint Thomas (rechts) sind zwar einzeln schwächer als Pogacar und Vingegaard - doch können sie von Ineos Grenadiers zahlenmäßiger Überlegenheit profitieren? | Foto: Cor Vos

Doch gerade für typische Pogacar-Aktionen wie lange und überraschende Angriffe am vorletzten Anstieg einer schweren Bergetappe spielt es eben doch eine Rolle, ob Vingegaard sich sofort selbst exponieren und mitgehen muss, oder ob sein Team erstmal drei bis vier Helfer einspannen kann, um am ersten von zwei Pässen dagegenzuhalten.

Welche Rolle kann Ineos Grenadiers spielen?

Über die Stärke des Teams kann in der Schlusswoche dann plötzlich doch noch einmal Ineos Grenadiers interessant werden – selbst fürs Gelbe Trikot. Denn auch wenn Thomas und Yates bislang eindeutig schwächer waren als Pogacar und Vingegaard, so haben sie nun den Joker der Doppelspitze gegen geschwächte Teams in der Hand. Pogacar und Vingegaard werden Attacken von  Thomas mit Sicherheit selbst kontern. Doch was passiert, wen der Gesamtfünfte  Yates weit vor dem Ziel einer der Pyrenäen-Etappen All-In geht?

Im Auftaktzeitfahren von Kopenhagen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) der Stärkste der Klassementfahrer. | Foto: Cor Vos

"Ja, die neue Situation mact die kommende Woche etwas interessanter", sagte Thomas am Sonntagabend. "Aber ich will darüber jetzt gerade noch gar nicht nachdenken, sondern erstmal morgen den Ruhetag genießen." Am Dienstag oder spätestens am Mittwoch wird man sehen, welche Pläne in den Hotels geschmiedet wurden.

Sicher ist: Auf das 40 Kilometer lange Einzelzeitfahren sollte sich im Kampf um Gelb niemand verlassen. Denn das kann, so unterschiedlich fielen Zeitfahren mit Beteiligung der Protagonisten bereits aus, sich in jede Richtung entwickeln.

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2023Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

(rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London bee

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

Weitere Radsportnachrichten

03.03.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über d

03.03.2025Van der Poel zieht Saisonstart vor

(rsn) – Mathieu van der Poel zieht seinen eigentlich bei Tirreno-Adriatico geplanten Saisonstart um ein paar Tage vor und geht morgen bei Le Samyn (1.1) an den Start. "Wenn es anfängt zu jucken, m

03.03.2025Keine Einigkeit vor Rennabbruch bei der Tour du Rwanda

(rsn) – Der Abbruch der Schlussetappe bei der Tour du Rwanda auf dem für die momentan wackelnden Weltmeisterschaften Ende September geplanten Rundkurs in Kigali hat am Sonntag für große Diskussio

03.03.2025Evenepoel mit Soudals Giro-Team ins Höhentrainingslager

(rsn) – Auf dem Weg zurück ins Renngeschehen steht für Remco Evenepoel der nächste Schritt ins Renngeschehen bevor. Nach seinem Unfall Anfang Dezember, bei dem er mit einem Postauto kollidierte u

03.03.2025Profis wieder falsch abgebogen: Kamera-Motorrad bekommt Gelbe Karte

(rsn) – Die Gelben Karten saßen am Wochenende locker bei den Kommissaren der UCI. Gleich drei Verwarnungen sprachen die Regelhüter in den Rennen aus. Die dabei wohl offensichtlichste ging im Final

03.03.2025Romo mit Glück im Unglück

(rsn) - Ungefähr 20 Fahrer lagen am Boden, als es 53 Kilometer vor dem Ziel der Faun Drome zu einem Massensturz. In den Rennunfall, der sich in der Anfahrt zum ersten großen Anstieg des Tages, dem C

03.03.2025Bissegger und Wellens versuchen ihr Glück, aber ohne Erfolg

(rsn) – Stefan Bissegger (Decathlon – AG2R) und Tim Wellens (UAE – Emirates – XRG) haben bei Kuurne-Brüssel-Kuurne (1.Pro) am Sonntag das Unmögliche probiert: Sie wollten einen Massensprint

03.03.2025Denk nach Openingsweekend: “Da darf man auch gefrustet sein“

(rsn) – Der Auftakt in die Klassikersaison ist für Red Bull – Bora – hansgrohe nicht so gelaufen, wie man es sich vorgestellt hatte. Sowohl am Samstag nach dem Omloop Nieuwsblad in Ninove als a

03.03.2025Laporte fehlt Visma mindestens bis Mailand-Sanremo

(rsn) – Das Openingsweekend hat Christophe Laporte bereits verpasst. Mit Blick auf die Ergebnisse seines Teams Visma – Lease a Bike ein herber Schlag, denn das einzig zählbare Resultat für die n

03.03.2025Kurios! Degenkolb wurde im Ziel des Omloops vergessen

(rsn) – Etwas verwirrend und kurios endete der Omloop Nieuwsblad für John Degenkolb – zumindest was die Ergebnisliste des ersten Klassikers im Jahr anging. Dort war der Kapitän das Teams Picnic

02.03.2025Mayrhofer: “Ich war gestern hinterm Rennen, heute wollte ich davor“

(rsn) – Marius Mayrhofer hat den zweiten Teil des Openingsweekends bei Kuurne-Brüssel-Kuurne am Sonntag maßgeblich mitbestimmt. Nachdem er dort im vergangenen Jahr für Tudor den neunten Platz ers

02.03.2025Pogacar will nach Mailand-Sanremo über Roubaix-Teilnahme entscheiden

(rsn) – Er kann es einfach nicht lassen. Während beim Openingsweekend in Belgien die europäische Klassikersaison ihren Aufgalopp machte und Lust auf mehr Hügel und Kopfsteinpflaster weckte, hielt

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Ename Samyn Classic (1.1, BEL)