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11.09.2022 | (rsn) – Das WorldTour-Peloton ist nach zwei Jahren Corona-Pause zurück in Kanada – und so wichtig wie diesmal waren die beiden an diesem Wochenende stattfindenden Eintagesrennen GP Quebec und GP Montreal seit ihren Debüts vor zwölf Jahren selten. Das sieht man auch an der beeindruckenden Besetzung, denn die Startlisten werden angeführt von Namen wie Wout Van Aert (Jumbo – Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates).
Seit ihrer Einführung im Jahr 2010 waren die beiden kanadischen Rennen immer interessante Optionen für die WM-Favoriten, um sich rund zwei Wochen vor den Titelkämpfen nochmal den letzten Schliff im Renntempo zu verpassen.
Bei etwas über 200 Kilometern Renndistanz an beiden Tagen und auf hügeligen Rundkursen mit knackigen, kurzen Rampen passen die Rennen in Quebec und Montreal meist sehr gut zu den Anforderungen, die es für die WM-Strecken braucht. So ist das auch dieses Jahr wieder – und zusätzlich liegt Kanada für Europäer ohnehin fast auf dem Weg, wenn es einmal rund um den Globus zur WM nach Australien geht.
Top besetzt – gerade bei Teams im Abstiegskampf
Doch beim Blick auf die Startlisten fällt auch auf, dass vor allem die Teams besonders stark aufgestellt nach Kanada gereist sind, die im Dreijahresranking der UCI, das am Saisonende über die WorldTour-Lizenzen ab 2023 entscheidet, gerade um den Klassenerhalt kämpfen:
BikeExchange – Jayco hat Kanada-Spezialist Michael Matthews als Kapitän dabei, der bei seiner ersten Teilnahme am GP Quebec 2012 ausschied, seitdem aber immer in den Top 5 landete: Zweiter, Fünfter, Dritter, Erster, Erster – beeindruckend. Und auch in Montreal hat er 2018 bereits gewonnen.
Movistar hat mit Alex Aranburu und Ivan Garcia Cortina seine beiden schnellsten Männer für hügelige Rennen dabei, EF Education – EasyPost kommt mit Magnus Cort, Alberto Bettiol sowie Ruben Guerreiro und Israel – Premier Tech schickt neben Giacomo Nizzolo auch Guillaume Boivin sowie den eher kletterstarken dänischen WM-Kapitän Jakob Fuglsang ins Rennen. Von den fünf größten WorldTour-Wackelkandidaten ist nur Lotto Soudal nicht bestbesetzt in Kanada.
Auf einer Stufe mit den Monumenten
Vom Prestige und der Radsport-Historie her werden der GP Quebec und der GP Montreal nicht extrem hoch eingeschätzt und viele tun sie als Retorten-Rennen ab. Gerade in Sachen Weltrangliste aber sind sie sehr, sehr wertvoll. Schließlich werden beide Rennen exakt genauso bepunktet wie etwa die fünf Monumente des Radsports - Mailand-Sanremo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lüttich und Il Lombardia.
Top-Ergebnisse und Top-Leistungen sind in Quebec (Freitag) und Montreal (Sonntag) somit auf mehreren Ebenen wertvoll: durch die Punkte für die Teams und als Zeichen eines guten Formstandes vor der WM für die Fahrer. Doch auch die Rennen an sich haben das Potenzial, interessant zu verlaufen. Denn selbst wenn es vor allem in Quebec meist zum Bergaufsprint eines recht großen Feldes kommt, so sind beide Rennen ziemlich offen und können auch an Solisten gehen.
Die Strecken: Ähnlich und doch anders
Seit 2011 wurden die Strecken in Quebec und Montreal nicht mehr geändert. In beiden Metropolen geht es über hügelige Rundkurse auf größtenteils sehr breiten Straßen, weshalb auch die zahlreichen Kurven weit weniger ins Gewicht fallen, als es auf einem auf der Landkarte ähnlich aussehendem Rennen in Belgien der Fall wäre.
Die Runde in Quebec am Freitag – beide Rennen enden um etwa 22:15 Uhr deutscher Zeit – ist 12,6 Kilometer lang und muss 16 Mal absolviert werden. Insgesamt kommen dabei 2.976 Höhenmeter zusammen, die größtenteils im letzten Drittel jeder Runde gesammelt werden. Die letzten 1,3 Kilometer steigen hinauf zur Grande Allée Ouest und dem Parc de la Francophonie stetig mit knapp fünf Prozent an und überbrücken rund 50 Höhenmeter.
Die Anfahrt zur ansteigenden Zielgeraden ist kurvenreich und steigt kurz vor der 2-Kilometer-Marke für knapp 400 Meter bereits einmal etwas steiler an, so dass Flachland-Sprinter am Ende chancenlos sind und der Sieg zwischen Hügelsprintern wie Matthews und dem diesjährigen Top-Favoriten Van Aert ausgefahren werden dürfte. Dass hier eine kleine Ausreißergruppe durchkommt, ist in den letzten zehn Jahren nur einmal passiert: 2013, als Robert Gesink gewann, Fabian Wegmann Vierter und Simon Geschke Neunter wurde.
Montreal: Insgesamt schwerer, trotz leichterem Finish
Beim GP Montreal am Sonntag dagegen sind erst dreimal mehr als 20 Mann mit der Siegerzeit gewertet worden: 2014, 2016 und 2018. Ansonsten setzten sich beim mit 221,4 Kilometern etwa 20 Kilometer längeren Rennen immer Kleingruppen im Finale ab und machten den Sieg in der Avenue du Parc am Parc Jeanne-Hance unter sich aus – dabei ist die Zielgerade hier eigentlich viel eher wie die einer Sprintankunft, nämlich flacher.
Doch die 12,3 Kilometer lange Runde von Montreal, die 18 Mal gefahren werden muss, ist vorher schwerer als die in Quebec. 269 Höhenmeter pro Umlauf sind zu bewältigen, über die Gesamtdistanz also 4.842 Meter und somit mehr als ein Drittel mehr als in Quebec. Gleich nach dem Start geht es durch den Parc du Mont-Royal auf den gleichnamigen Berg inmitten der Stadt hinauf – eine 1,8 Kilometer lange Steigung bei acht Prozent Durchschnittssteigung. Auf eine langgezogene Abfahrt folgen im weiteren Rundenverlauf dann zwei weitere 500-Meter-Rampen zurück in Richtung Zielgerade, die hier nur auf den letzten 500 Metern nochmal mit vier Prozent ansteigt.
Riesiger Kreis an Siegkandidaten
Die Favoritenlisten werden trotz der unterschiedlichen Strecken an beiden Tagen von denselben Namen angeführt: Van Aert, Matthews und Biniam Girmay (Intermarché – Wanty – Gobert). Doch der Kreis der möglichen Siegkandidaten ist insgesamt riesig. Um nur ein paar weitere interessante Namen für das Szenario Gruppensprint zu nennen: Christophe Laporte (Jumbo – Visma), Matej Mohoric (Bahrain Victorious), Giacomo Nizzolo (Israel – Premier Tech), Alex Aranburu (Movistar), Jasper Stuyven (Trek – Segafredo), Magnus Cort, Alberto Bettiol (beide EF Education – EasyPost) und Peter Sagan (TotalEnergies) stehen am Start.
Spannend wird aber, was die Kletterer gerade in Montreal ausrichten können. Denn Fahrer wie Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), Geraint Thomas, Daniel Martinez (beide Ineos Grenadiers), Jakob Fuglsang (Israel – Premier Tech) und auch Romain Bardet (Team DSM) sind sicher nicht zum Däumchen drehen über den Atlantik geflogen.
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