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11.10.2022 | (rsn) - Nach Alejandro Valverde (Movistar) und Vincenzo Nibali (Astana Qazaqstan) hat mit Philippe Gilbert (Lotto Soudal) am vergangenen Wochenende ein weiterer großer Name sein letztes Rennen absolviert. Während der Spanier und der Italiener bei Il Lombardia im Einsatz waren, verabschiedete sich der Belgier bei Paris-Tours aus dem Feld.
“Ich habe viele schöne Erinnerungen an das Rennen, ich habe dort 2008 mit FDJ gewonnen und 2009 das Double geschafft“, erklärte Gilbert im Gespräch mit Eurosport, weshalb er sich für Frankreich statt für Italien entschieden hatte.
Dabei hatte der 40-jährige Klassikerspezialist auch die Lombardei-Rundfahrt zweimal in seiner langen und erfolgreichen Karriere gewinnen können – und wie Paris-Tours sicherte er sich auch das letzte der fünf Monumente zweimal in Folge, nämlich 2009 und 2010, als er für das belgische Lotto-Team fuhr, ehe er 2012 zu BMC wechselte.
Im Jahr 2011 vollendete Gilbert bei Lüttich-Bastogne-Lüttich das Ardennen-Triple.| Foto: Cor Vos
In den drei Jahren bei Lotto gelangen ihm 31 seiner insgesamt 80 Siege als Profi, darunter auch das denkwürdige Ardennen-Triple 2011, als er als erst zweiter Fahrer der Geschichte nach Davide Rebellin das Amstel Gold Race, den Fléche Wallonne und als Krönung Lüttich-Bastogne-Lüttich für sich entscheiden konnte. “Es war magisch, als ein Kind dieser Region Lüttich zu gewinnen“, geriet Gilbert rückblickend noch ins Schwärmen. “Ich glaube, so viele Leute waren noch nie am Ziel in Lüttich.“
Im gesetzten Radsportalter Triumphe bei zwei Monumenten
Zwar wurde er in seiner Zeit bei BMC im Jahr 2012 Weltmeister, doch in den letzten beiden seiner insgesamt fünf Jahre bei dem US-Rennstall zeigte die Kurve nach unten. Dafür lief es nach seiner Rückkehr in die Heimat zum Lotto-Konkurrenten Quick-Step umso besser. Der damals 35-jährige Gilbert gewann 2017 die Flandern-Rundfahrt und 2019 auch noch Paris-Roubaix und kam damit seinem großen Ziel, bei allen fünf Monumenten mindestens einmal ganz oben auf dem Podium zu stehen, im fortgeschrittenen Radsport-Alter ganz nahe. Doch bei Mailand-Sanremo, dem ersten in der Reihe, sollte es für den Routinier gegen die sprintstärkeren jüngeren Konkurrenten dann doch nicht mehr zum Sieg reichen.
Damit haderte Gilbert allerdings nicht, vielmehr erinnerte er sich mit besonderer Genugtuung an seine Triumphe bei der “Ronde“, wo er als Solist nach einem langen Solo jubelte und der “Königin der Klassiker“, bei der er den Kölner Nils Politt im berühmten Velodrome von Roubaix bezwang.
“Ein Wallone, der in Flandern gewinnt, das ist etwas Unglaubliches, auch, weil ich so weit weg vom Ziel schon losgefahren bin“, sagte er zur Flandern-Rundfahrt 2017, wo er bereits 55 Kilometer vor dem Ziel attackiert hatte. “Es hat sehr weh getan, aber ich habe es auch genossen, und dass ich die Linie zu Fuß überqueren konnte, war etwas Besonderes – das sind die schönsten Bilder meiner Karriere“, kommentierte Gilbert die Szene, in der er in Oudenaarde, das Rad über den Kopf haltend, die Ziellinie überschritt.
2012 wurde der Belgier im niederländischen Valkenburg Weltmeister.| Foto: Cor Vos
Mit insgesamt vier Siegen beim Amstel Gold Race verpasste er zudem die Egalisierung des Rekords von Jan Raas, der den ersten der Ardennenklassiker fünf Mal gewonnen hatte, nur knapp. Dafür konnte sich Gilbert 2012 in Valkenburg, wo das Amstel Gold Race zu Ende geht, mit dem WM-Titel mehr als nur trösten. “Ich war der Top-Favorit und alle erwarteten den Sieg, wir (das belgische Team, d. Red.) haben das Rennen bestimmt und ich habe mich durchgesetzt. Ich wusste, dass ich 300 Meter vor dem Ziel angreifen musste, und alle wussten, dass ich dort attackieren würde“, sagte Gilbert, der mit wenigen Sekunden Vorsprung auf die Verfolger das Ziel erreichte.
Zehn Jahre nach Gilbert wurde wieder ein Belgier Weltmeister
Erst eine volle Dekade später konnte ein weiterer Belgier das Regenbogentrikot erobern und damit die lange Durststrecke einer der größten Radsportnationen beenden. Im australischen Wollongong sicherte sich Remco Evenepoel nach einer Solofahrt über 26 Kilometer den WM-Titel. Während Gilbert 2012 mit 30 Jahren auf dem Zenit seines Könnens stand, hat der 22-jährige Evenepoel seine ganze Karriere noch vor sich. Den Triumph seines Landsmanns verfolgte Gilbert zwar nur daheim vor dem Fernseher, da er nicht für das belgischen WM-Team berücksichtigt worden war. An seiner Freude änderte das aber nichts.
Im Jahr 2017 siegte Gilbert mit einem 55-km-Solo bei der Flandern-Rundfahrt und trug danach sein Rad triumphierend über die Ziellinie. | Foto: Cor Vos
“Ich mag ihn sehr, er war beim meinem Juniorenrennen, da habe ich ihn erstmals gesehen, er wollte unbedingt gewinnen“, sagte er zum Evenepoel-Sieg aus dem Jahr 2017, bei dem er erstmals nicht nur die rein sportlichen Fähigkeiten des neuen Weltmeisters registrierte. “Er hat sehr große mentale Qualitäten, ich habe viele Fahrer mit Talent gesehen, aber bei ihm wusste ich, dass er es sehr hoch hinaus schaffen würde“, fügte er an.
Gemeinsam mit seinem Vorgänger hat Evenepoel die aggressive Fahrweise und die Lust an frühzeitigen und überraschenden Aktionen. “Ich habe immer attackiert, habe immer versucht, etwas zu produzieren, ich mag es, wenn es einen richtigen Kampf gibt“, sagte Gilbert, der in seinen 21 Jahren als Profi in 29 Ländern auf vier Kontinenten Radrennen gefahren ist. Das letzte auf heimischem Boden war übrigens am 4. Oktober Binche-Cimay-Binche, wo er den sechsten Platz belegte.
Nach zwei Jahrzehnten, in denen sein Leben ganz auf den Radsport ausgerichtet war, folgt nun ein neuer Abschnitt. “Im Winter habe ich keine Pläne, es ist schön, dass ich mehr bei der Familie bin, ich kann nun das Leben genießen, vorher musste ich Opfer bringen“, freute sich Gilbert auf die kommende Zeit.
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