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29.12.2022 | (rsn) - Große Siege und bittere Niederlagen, dramatische Szenen und kuriose Ereignisse: Das Radsportjahr 2022 hatte viel zu bieten. Radsport-news.com blickt in einer vierteiligen Serie auf die letzten zwölf Monate zurück.
April
Mit der Flandern-Rundfahrt (1.UWT) stand das zweite Monument der Saison an. Nach einem positiven Coronatest musste mit Wout Van Aert (Jumbo - Visma) einer der Top-Favoriten verzichten. So entwickelte sich das Rennen zum Duell zwischen Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Mathieu van der Poel (Alpecin - Deceuninck). Zwar war der Slowene an den Anstiegen der wohl stärkste Fahrer im Feld, doch letztlich sicherte sich der Niederländer im Sprint einer kleinen Spitzengruppe den Sieg. Es war van der Poels zweiter Ronde-Triumph nach 2020.
Rechtzeitig zu Paris-Roubaix (1.UWT) kehrte der wiedergenesene Van Aert zurück und wurde trotz der Trainingspause prompt Dritter. Gegen Dylan van Baarle (Ineos Grenadiers) war allerdings kein Kraut gewachsen. Der Niederländer, der schon bei der Flandern-Rundfahrt Zweiter geworden war, erreichte das Velodrome von Roubaix mit einem Vorsprung von knapp zwei Minuten und feierte den größten Erfolg seiner Karriere. Auch bei den Frauen gab es einen Solosieg zu bestaunen. Die Italienerin Elisa Longo Borghini (Trek - Segafredo) jubelte nach einer Alleinfahrt über 34 Kilometer.
Genau so beeindruckend wie van Baarles Coup war Remco Evenepoels Auftritt bei Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT). Nachdem sein nomineller Kapitän Julian Alaphilippe (Quick-Step Alpha Vinyl) nach einem schweren Sturz aufgeben musste, bekam der junge Belgier freie Fahrt und setzte bereits 30 Kilometer vor dem Ziel zur entscheidenden Attacke an. Als Solist holte sich Evenepoel mit fast einer Minute Vorsprung seinen ersten Sieg bei einem Monument.
Die Frühjahrsklassiker hätte auch Marcus Burghardt gerne bestritten. Nachdem er bei Bora – hansgrohe keinen neuen Vertrag bekam, war der Klassikerspezialist noch lange auf Teamsuche. Da diese erfolglos blieb, gab der Deutsche schließlich sein Karriereende bekannt.
Überschattet wurde der Monat April durch zwei schlimme Stürze. Milan Vader (Jumbo – Visma), bei der Baskenland-Rundfahrt schwer zu Fall gekommen, musste notoperiert und in ein künstliches Koma versetzt werden. Die Geschichte ging gut aus, der Niederländer feierte im Oktober sein Comeback beim Cro Race (2.1).
Bei der Türkei-Rundfahrt (2.Pro) zog sich Nacer Bouhanni (Arkéa - Samsic) auf der 3. Etappe einen Halswirbelbruch zu. Die Saison 2022 war somit für den Franzosen schon im Frühjahr beendet. Die Türkei-Rundfahrt wurde zudem vorzeitig beendet. Die Straßen glichen nach einem Unwetter einer Eisbahn, was zu mehreren Massenstürzen führte. Die Jury entschied sich auf Drängen der Teams deshalb dazu, die Schlussetappe nach 25 Kilometern abzubrechen.
Wie Vader erwachte auch Amy Pieters im April aus einem langen Koma. Die Niederländerin war kurz vor Weihnachten im Training schwer gestürzt und musste ebenfalls notoperiert werden. Ihr Genesungsprozess verläuft aber sehr langsam, so dass kaum Prognosen abgegeben werden können. Mit Unterstützung von Ärzten und ihrer Familie versucht Pieters, Schritt für Schritt ins Leben zurückzufinden.
Mai
Der Mai entwickelte sich vor allem für Bora – hansgrohe zum Wonnemonat. Bereits am ersten Tag konnten die Raublinger zwei große Siege feiern. Der in der ersten Saisonhälfte überragende Aleksandr Vlasov gewann die Tour de Romandie (2.UWT) und krönte damit sein Frühjahr. Fast zeitgleich entschied Rückkehrer Sam Bennett den hessischen Klassiker Eschborn – Frankfurt (1.UWT) zu seinen Gunsten. Es sollten nicht die letzten Erfolge für Bora - hansgrohe gewesen sein. Nils Politt gewann nach starker Vorstellung sein Heimrennen Rund um Köln (1.1). Beim Giro d`Italia gewann Lennard Kämna nach einer beeindruckenden Vorstellung die Bergankunft am Ätna. Danach stellte er sich in den Dienst von Kapitän Jai Hindley, der am vorletzten Tag auch dank Kämnas bärenstarker Vorarbeit noch Spitzenreiter Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) aus dem Rosa Trikot fuhr und so für den ersten Grand-Tour-Gesamtsieg bei einer Grand Tour sorgte. Emanuel Buchmann auf Rang sieben rundete das starke Ergebnis ab.
Ein ebenfalls historischer Triumph gelang Biniam Girmay (Intermarché - Wanty Gobert). Er konnte als erster Eritreer eine Grand-Tour-Etappe gewinnen. Der Afrikaner setzte sich auf der 10. Etappe in Jesi vor Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) durch. Es sollte allerdings sein letzter Auftritt beim Giro gewesen sein. Girmay verletzte sich bei der anschließenden Siegesfeier, als ihm der Sektkorken ins Auge schoss. Erst nach einer knapp zweimonatigen Rennpause kehrte er ins Feld zurück.
Beim Giro ebenfalls auf sich aufmerksam machte Rick Zabel (Israel – Premier Tech). Der Sprinter fuhr zu Beginn der Rundfahrt ins Bergtrikot. Dieses Kunststück war ihm 2020 bereits schon einmal gelungen.
Seine letzte Italien-Rundfahrt bestritt Vincenzo Nibali (Astana Qazaqstan). Der Italiener gab für Ende 2022 sein Karriereende bekannt. Der Giro-Gesamtsieger von 2013 und 2016 schloss seine Heimatrundfahrt als Gesamtvierter ab, ein sechster Etappensieg blieb ihm aber verwehrt. Auch Alejandro Valverde (Movistar), Tom Dumoulin (Jumbo - Visma), Philippe Gilbert (Lotto Soudal), Richie Porte (Ineos Grenadiers) und Niki Terpstra (TotalEnergies) beendeten 2022 ihre Karrieren.
Im Mai erfolgreich war zudem Marcel Peschges (Embrace the World). Der Krefelder gewann die Tour de Benin (2.2) und sorgte damit für den ersten von zwei deutschen Rundfahrtsiegen im Jahr 2022. Der zweite gelang Jonas Rapp (Hrinkow Advarics Cycleang), der die Tour of Malopolska (2.2) für sich entschied.
Einen Rückschlag erlitt dagegen der österreichische Radsport. Nachdem die Österreich-Rundfahrt (2.1) schon 2020 und 2021 wegen der Corona-Pandemie ausfiel, waren diesmal organisatorische und finanzielle Gründe ausschlaggebend für die Absage.
Bei einem Rennen in Tschechien kollidierte Marco Friedrich (Felbermayr Simplon Wels) mit einem Fahrzeug, wobei eine Halsarterie durchtrennt wurde. Wie der Österreichische Rundfunk ORF berichtete, habe der Österreicher zwei Liter Blut verloren und in akuter Lebensgefahr geschwebt. Mittlerweile hat Friedrich nicht nur die Folgen der schweren Verletzung überstanden, sondern plant für 2023 sogar seine Rückkehr ins Feld.
Juni
Die letzten großen Vorbereitungsrennen auf die Tour de France waren allesamt hart umkämpft. Bei der Tour de Suisse (2.UWT) wütete noch einmal das Corona-Virus, was viele infizierte Fahrer zur Aufgabe zwang, darunter auch Spitzenreiter Vlasov . So ging der Gesamtsieg an Geraint Thomas (Ineos Grenadiers). Highlight aus deutscher Sicht war der Etappensieg von Nico Denz (DSM).
Beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) sicherte sich Primoz Roglic (Jumbo – Visma) den Gesamtsieg. Für den Slowenen also eine gelungene Generalprobe für die Tour de France, wobei es schon bei der Generalprobe schien, als ob sein Teamkollege Jonas Vingegaard der Stärkere des Jumbo-Kapitänsduos war. Der Däne verzichtete allerdings darauf, seinen Teamkollegen zu attackieren und schloss die Rundfahrt hinter Roglic auf Rang zwei ab.
Sowohl beim Critérium du Dauphiné als auch bei der Tour de Suisse sorgten "Verjubler" für Gesprächsstoff. In Frankreich war es Wout Van Aert (Jumbo – Visma), der im Glauben des sicheren Sieges mit hochgerissenen Armen über den Zielstrich fuhr, auf den letzten Zentimetern aber noch von David Gaudu (Groupama – FDJ) übersprintet wurde. In der Schweiz unterlief Alberto Bettiol (EF Education - EasyPost) ein ähnlicher Faux-Pas. Der Italiener hatte nicht mitbekommen, dass knapp 40 Sekunden vor ihm der Norweger Andreas Leknessund (DSM) als Sieger die Ziellinie überquert hatte.
Während bei der Slowenien-Rundfahrt (2.Pro) Pogacar einen ungefährdeten Gesamtsieg einfuhr, war die Belgien-Rundfahrt (2.Pro) deutlich härter umkämpft. Spitzenreiter Mauro Schmid (Quick-Step Alpha Vinyl) und Tim Wellens (Lotto Soudal) gingen zeitgleich auf die Schlussetappe, bei der auf dem Goldenen Kilometer kurz vor dem Ziel der Kampf um die Bonussekunden mit harten Bandagen ausgetragen wurde. So mischte sich Schmids Teamkollege Yves Lampaert ins Geschehen ein und blockierte Wellens auf unfaire Weise. Darum zog der Belgier im Kampf um die Zeitbonifikationen den Kürzeren und musste sich hinter dem Schweizer mit Rang zwei im Schlussklassement zufrieden geben. Dass Lampaert nachträglich disqualifiziert wurde, konnte das Quick-Step-Team wohl verkraften.
Mit der Benelux-Rundfahrt wurde eine weitere WorldTour-Rundfahrt abgesagt. Aufgrund der zeitgleich stattfindenden Vuelta a Espana erhielt das Rennennicht die gewünschten Zielankunfts- und TV-Zeiten bekam. Außerdem konnte die niederländische Polizei keine Zusage für die Motorradstaffel geben. Ein Comeback ist für 2023 geplant.
Das Monatsende wurde traditionell von den nationalen Meisterschaften bestimmt. In Deutschland etwa standen Titelkämpfe auf der Bahn und auf der Straße an. Beim Heimspiel auf der Bahn in Büttgen Tim-Torn Teutenberg (Leopard) mit vier Goldmedaillen einer der überragenden Akteure. Emma Hinze holte genauso viele Titel bei den Frauen.
Auf der Straße sicherte sich Kämna im Zeitfahren die Goldmedaille. Der Fischerhuder sorgte allerdings unfreiwillig für Verwirrung, bestritt er doch sein Rennen mit einem falschen Transponder, so dass seine Zeiten zunächst gar nicht erfasst wurden. Kurzzeitig fühlte sich deshalb Jannik Steimle (Quick-Step Alpha Vinyl) schon als Sieger, ehe der Irrtum bemerkt und Kämna zum Deutschen Zeitfahrmeister erklärt wurde.
Im Straßenrennen waren die Verhältnisse klarer. Am Kahlen Asten im Sauerland sicherte sich Kämnas Teamkollege Politt souverän den Titel. Bei den Frauen waren Lisa Brennauer (Zeitfahren) und Liane Lippert (Straße) erfolgreich.
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