Belgierin triumphiert im Straßenrennen der Frauen

Kopecky stürmt in Glasgow zu ihrem dritten WM-Gold

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Lotte Kopecky hat das WM-Straßenrennen der Frauen gewonnen. | Foto: Cor Vos

13.08.2023  |  (rsn) – Nach 154 Kilometern Daueraction im WM-Straßenrennen der Frauen hat mit Lotte Kopecky erstmals seit 50 Jahren wieder eine Belgierin das Regenbogentrikot erobert. Die 27-Jährige erreichte nach einer souveränen Vorstellung sieben Sekunden vor der Niederländerin Demi Vollering das Ziel im Zentrum von Glasgow. Die Dänin Cecilie Uttrup Ludwig holte Bronze vor der Schweizerin Marlen Reusser und der Österreicherin Christina Schweinberger. Die Deutsche Meisterin Liane Lippert belegte Rang 19.

Den U23-Titel, der im Eliterennen ausgefahren wurde, ging an Ungarin Kata Blanka Vas, Silber gewann hier die Niederländerin Shirin van Anrooij, Bronze ging an die Britin Anna Shackley einfuhr.

Für Kopecky endete die “Super-WM“ traumhaft, konnte sie doch ihre bereits dritte Goldmedaille feiern. Auf der Bahn hatte sie sich zuvor schon im Ausscheidungs- und im Punktefahren jeweils das Regenbogentrikot gesichert. Im Omnium reichte es zu Bronze. Auf der Straße krönte die Weltranglistendritte nun eine herausragende Saison, die mit einer familiären Katastrophe begonnen hatte: Im März war ihr Bruder im Alter von nur 29 Jahren gestorben.

"Es war schon bisher ein unglaubliches Jahr für mich, aber auch ein hartes. Ich weiß gar nicht, was mich immer antreibt und woran ich am Ende jetzt gedacht habe. Der Sieg bedeutet mir sehr viel“, sagte Kopercky im Ziel-Interview, bei dem sie ihre Tränen nicht zurückhalten konnte. “Es ist ein Traum, der wahr geworden ist und ich freue mich schon, die Regenbogenstreifen zu tragen. Nach den Titeln auf der Bahn dachte ich mir, es wäre unmöglich, heute zu gewinnen. Drei Titel in sieben Tagen, das ist schon verrückt, es war eine verrückte Woche. Als ich mit dem Radsport angefangen habe, dachte ich nie, dass ich es mal auf dieses Niveau schaffe“, fügte sie an.

Bevor sie als Siegerin über den Zielstrich fahren konnte, musste Kopecky jedoch ein wahres Attackenfestival überstehen. Hinter der lange führenden Elise Chabbey ging es hoch her, trotzdem blieb die Schweizerin bis zur letzten der sechs Zielrunden allein vorn. “Ich war nicht nervös vor dem Rennen, aber als Chabbey 1:30 Minuten an Vorsprung hatte, war es anders. Du kannst auf dem Kurs gar nicht so viel und schnell aufholen“, erklärte die neue Weltmeisterin, die im vergangenen Jahr in Wollongong Zweite geworden war.

Ehe sich die entscheidende Gruppe absetzte, konnte sich Kopecky aber auf ihr Team verlassen. “Ich hatte noch Sanne Cant an meiner Seite, aber auch Justine Ghekiere ist viel gefahren. Wir haben als Team einen tollen Job gemacht, Julie van de Velde war da, als ich mein Rad wechseln musste und hat mich ins Feld zurückgebracht“, lobte sie die Arbeit ihrer Helferinnen und kommentierte noch die lange belgische Serie ohne WM-Gold: “Wir sind eine große Radnation, aber die Frauen stehen immer etwas im Schatten der Männer. Ich bin echt stolz, dass wir mit dem Team gezeigt haben, dass wir das größte Rennen gewinnen können.“

Chabbey machte einen “Reusser“, für Oranje lief es nicht

Die Frau, die mit ihrer Soloflucht für so viel Nervosität gesorgt hatte, beendete das Rennen als Siebte. “Ich habe einen ‘Reusser‘ gemacht“, lachte die 30-jährige Chabbey im Ziel. “Ich habe gehofft, dass noch jemand vorkommen würde, aber so war es nicht. Dann habe ich es selbst probiert, eine gutes Tempo gewählt, aber leider war das Rennen um eine Runde zu lang“, resümierte sie. Mit ihrer Aktion hatte Chabbey aber ihrer Teamkollegin Reusser geholfen. Denn die 31-Jährige konnte so in der Verfolgergruppe für das Finale Kräfte sparen. Im letzten Anstieg zur Montrose Street entglitt ihr dennoch die mögliche Medaille, als sie Vollering nicht folgen konnte.

Die 26-Jährige sicherte sich zwar noch knapp Silber, doch das ist für die erfolgsverwöhnten Niederländerinnen fast als Enttäuschung zu werten. Die gesundheitlich angeschlagene Lorena Wiebes gab das Rennen früh auf, Marianne Vos fiel früh zurück und Annemiek van Vleuten hatte eingangs der letzten Runde einen Defekt, der sie aller Chancen auf den Sieg beraubte. So konnte das favorisierte Oranje-Team kaum einmal seine kollektive Stärke ausspielen.

Die deutsche Hoffnungsträgerin Lippert war früh isoliert, weil das BDR-Team in der Anfangsphase eine gefährliche Gruppe verpasst und diese danach - erfolgreich - jagte. Die Friedrichshafenerin selber musste, kurz bevor sich das entscheidende Septett aus dem dezimierten Peloton absetzte, zudem viel im Wind arbeiten. Der Gruppe, die schließlich um die Medaillen fuhr, konnte sie so nicht folgen. So wurde die 25-Jährige im Sprint um Platz elf letzte und beendete das Rennen auf Rang 19.

So lief das WM-Straßenrennen der Frauen:

205 Fahrerinnen aus 71 Nationen nahmen am Mittag das Rennen in Loch Lomond in Angriff. Nicht dabei waren Zeitfahrweltmeisterin Chloe Dygert aus den USA und die Polin Katazyna Niewiadoma, die beide aufgrund von Erkrankungen kurzfristig absagen mussten. Nach 18 Kilometern setzte sich eine stark besetzte siebenköpfige Gruppe um Ex-Weltmeisterin Elizabeth Deignan und die Schweizerin Elise Chabbey ab.

Dagegen hatte das deutsche Team den Zug verpasst und reagierte prompt. Ricarda Bauernfeind und Antonia Niedermaier schlugen dabei ein derart hohes Tempo an, dass am Anstieg zur Crow Road sogar Spitzenfahrerinnen wie die Niederländerinnen Lorena Wiebes, Marianne Vos und Shirin van Anrooij, die Italienerin Silvia Persico und die Französin Cédrine Kerbaol abgehängt wurden. Während dieser zweite Teil des Pelotons bis zu zwei Minuten hinter dem Hauptfeld lag, konnte das von den Deutschen angeführte erste Feld die Ausreißerinnen bereits nach gut 40 gefahrenenn Kilometern wieder einholen.

Eingangs des Rundkurses in Glasgow schloss die zweite Gruppe 96 Kilometer vor dem Ziel wieder zur ersten auf. Inzwischen hatte sich die Neuseeländerin Kim Cadzow abgesetzt. Um die Frau in schwarz nach nur vier Kilometern aber wieder geschehen, als unter anderem Chabbey, Lippert, Vollering und Kopecky angriffen. Doch auch diese starke Gruppe wurde schnell wieder gestellt.

Als dann kurz das Tempo etwas einschlief, zog Marlen Reusser davon, gefolgt von der Italienerin Soraya Paladin aus Italien, der Niederländerin Riejanne Markus, der Polin Agnieszka Skalniak-Sojka und der Dänin Cecilie Uttrup Ludwig. Das nur noch knapp 40-köpfige Feld, in dem Lippert mittlerweile auf sich allein gestellt war, erkannte den Ernst der Lage. Sogar Favoritinnen wie Kopecky fuhren im Wind, um die Spitzengruppe 80 Kilometer vor dem Ziel wieder einzuholen.

Das Profil des WM-Straßenrennens der Frauen | Foto: Veranstalter

Sieben Kilometer später fuhr wieder Chabbey ihren Begleiterinnen davon. Markus, Kopecky, Persico, Skalniak-Sojka, Lippert und Reusser machten sich auf die Verfolgung der Schweizerin, wurden aber schnell wieder vom stark geschrumpften Feld eingefangen. Dagegen arbeitete sich Chabbey eingangs der vierletzten Runde einen Vorsprung von rund 25 Sekunden heraus, den sie in der Folge auf bis zu 1:30 Minuten ausbaute.

Elena Checchini war zwischenzeitlich erste Verfolgerin, kam aber auch nicht näher an die Spitzenreiterin heran. Schließlich wurde die Italienerin vom Feld wieder gestellt. Drei Runden vor Schluss lagen die Verfolgerinnen aber weiterhin rund eineinhalb Minuten hinter Chabbey.

Nun machten die Niederländerinnen Ernst. Van Anrooij, Markus und Annemiek van Vleuten, die zwei Runden zuvor nach einem Radwechsel viel investieren musste, um wieder den Anschluss zu schaffen, erhöhten die Schlagzahl, ehe die 34 Kilometer vor dem Ziel attackierte. Persico ging mit, dahinter folgten Kopecky und Vollering. Lippert führte das kleine Peloton wieder heran, doch am direkt folgenden Hügel riss es an mehreren Stellen. Kopecky, Vollering, van Vleuten, Schweinberger, Ludwig, Deignan und Reusser blieben übrig, wogegen Lippert zurückfiel.

Van Vleuten versuchte es nun solo und brachte somit vor allem Kopecky in Zugzwang. Die Belgierin griff an und zwang Vollering zur Verfolgung. Die Tour-de-France-Siegerin konnte die Lücke mit den weiteren fünf Konkurrentinnen am Hinterrad erst in einer kurzen Abfahrt schließen. Van Vleuten wurde wenig später nach der Montrose Street eingeholt, da vor allem Ludwig die Gefahr erkannt hatte. Eingangs der vorletzten Runde hatte die unverdrossen kämpfende Chabbey nur noch 20 Sekunden Vorsprung auf das Septett.

Kopecky hat alles unter Kontrolle erreicht solo das Ziel

Dort wurden einige erfolglose Attacken geritten. An der vorletzten Passage an der Montrose Street griff Vollering an. Kopecky ging mit, Ludwig schaffte in der Abfahrt den Anschluss, kurz danach kamen auch die anderen vier ran. Kurz vor dem Zielstrich wurde Chabbey eingeholt, während am hinteren Ende van Vleuten wegen eines Defekts stoppen musste und so endgültig aus dem Medaillenkampf raus war.

Zwölf Kilometer vor dem Ziel mogelten sich Schweinberger und Deignan davon. Reusser stieg ihnen nach, dahinter übernahm Vollering die Führungsarbeit, während Kopecky und der Rest sich schonten. Die Belgierin griff dann aber unwiderstehlich an und sprang zu Reusser, mit der sie zum Führungsduo fuhr. Vollering schien geschlagen, hatte zeitweise mehr als zehn Sekunden Rückstand, doch an einem Anstieg brachte sie ihre Gruppe wieder zur Spitze vor und griff sofort an.

Nur Kopecky und Ludwig folgten, doch Vollering fasste sich kurz darauf an den Oberschenkel und nahm Tempo raus. So wurde das Trio gut sieben Kilometer vor dem Ziel wieder eingeholt. Nun griff Ludwig an. Zunächst reagierte niemand, dann stieg Kopecky an einem weiteren kurzen Anstieg hinterher. Das Duo setzte sich ab, ehe bei noch 5,5 zu fahrenden Kilometern die Top-Favoritin am vorletzten Anstieg auch noch ihre letzte Konkurrentin abschüttelte.

Dahinter lösten sich Reusser und Vollering, die nun Jagd auf Ludwig machten. Die hielt auch auf der Montrose Street noch dagegen, wo sich die Niederländerin von der Schweizerin absetzte. Während Kopecky ungefährdet zum Sieg fuhr, wurde der Kampf um Platz zwei zu einer knappen Angelegenheit. Mit letzter Kraft jagte Vollering kurz vor der Ziellinie noch an Ludwig vorbei, um sich die Silbermedaille zu sichern.

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