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26.05.2024 | (rsn) – Aller Voraussicht nach wird Daniel Felipe Martinez am Sonntagabend in Rom den Giro d'Italia auf dem zweiten Gesamtrang beenden. Den erhofften Etappensieg hat Bora – hansgrohe bei der 107. Italien-Rundfahrt aber verpasst. Man könnte sagen – Achtung: Ironie – das deutsche WorldTeam hat, gemessen an der eigenen Herangehensweise an den Giro, sein Ziel verfehlt.
Nach dem schweren Trainingsunfall von Lennard Kämna Anfang April auf Teneriffa stellte die Teamleitung das Aufgebot für die Italien-Rundfahrt um und wollte mehr auf Etappenjagd setzen anstatt mehr Helfer für die kolumbianische Klassementhoffnung mitzunehmen. Am Ende hat das mit der Etappenjagd nicht geklappt und Martinez fuhr oft ganz alleine in der Favoritengruppe die Schlussanstiege hoch.
___STEADY_PAYWALL___Glücklicherweise hatte er kein Defekt- oder Sturzpech in den entscheidenden Phasen des Rennens. So aber regelte Martinez in den Finals alles selbst und bewies ein ums andere Mal, dass er hinter dem Überirdischen Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch tatsächlich die klare Nummer zwei im Rennen war – so auch am Samstag auf der 20. Etappe zum Monte Grappa.
Daniel Martinez (Bora – hansgrohe, Mi.) hatte im Kampf um Platz zwei alle Giro-Konkurrenten im Griff. | Foto: Veranstalter
"Ich bin glücklich", sagte der 28-Jährige, dessen Familie ihn zum Finale in Italien besuchte, nach Platz drei in Bassano del Grappa am Eurosport-Mikrofon. "Leider konnte ich keine Etappe gewinnen. Die Mentalität war da, aber halt auch Pogacar", fügte Martinez an. "Ich habe immer alles gegeben, um Zeit auf Thomas zu gewinnen, er kam aber in der Abfahrt heute wieder zurück. Zumindest habe ich noch ein paar Sekunden ersprintet. Es war ein schwieriger Tag. Ich hatte niemand mehr an meiner Seite, fühlte mich nicht gut, habe fast nichts gegessen – aber irgendwie bin ich durchgekommen."
Ganz unironisch formuliert, fällt die Bilanz von Bora – hansgrohe bei diesem Giro natürlich gut aus. Schon am ersten Tag verpasste Max Schachmann den erhofften Etappensieg und somit sogar das Rosa Trikot als Zweiter hinter Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) denkbar knapp. Im Einzelzeitfahren von Perugia wurde der 30-Jährige starker Fünfter.
Danny van Poppel sprintete in Neapel auf der 9. Etappe ebenfalls auf Platz fünf sowie zwei Tage später in Francavilla al Mare auf Rang sechs. Martinez war bergauf immer der Zweitstärkste der Klassementfahrer und erreichte die Zielstriche der wichtigen Bergetappen je zweimal als Zweiter, Dritter und Fünfter.
"Zwei Etappensiege und Gesamtdritter – da würde ich tauschen. Aber es ist kein Wünsch-dir-was", sagte Bora-Sportchef Rolf Aldag am Samstag im Velo Club auf Eurosport auf die Frage, ob ihm das Abschneiden seines eigenen Teams oder die Ausbeute von Ineos lieber gewesen wäre. Doch der 55-Jährige erklärte auch: "Mit dem Team, wie es letztendlich da stand, war der zweite Platz im Gesamtklassement das bestmögliche Ergebnis. Und das haben die Jungs erreicht."
Nachdem Grand-Tour-Debütant Florian Lipowitz wegen einer Erkrankung den Giro schon nach der 5. Etappe wegen einer Erkrankung verlassen musste, war Martinez in den Bergen meist auf sich allein gestellt. | Foto: Cor Vos
Ursprünglich hatte Bora – hansgrohe eine Doppelspitze mit Lennard Kämna und Neuzugang Martinez für die Gesamtwertung bilden wollen. Auch Emanuel Buchmann war ursprünglich eingeplant, der Deutsche Meister sollte das Duo unterstützen. Das aber scheiterte wohl einerseits an unterschiedlichen Vorstellungen zwischen Team und Fahrer, wie die gegensätzliche Kommunikation der letzten Wochen offenbarte, andererseits dann an einer Umstellung der Pläne des Teams nach dem schweren Trainingsunfall von Kämna Anfang April auf Teneriffa.
"Wir haben in Brüssel am Flughafen gesessen und diskutiert, wie die Ausrichtung sein soll – ob wir trotzdem alles aufs Klassement setzen sollen, wohlwissend, dass Tadej Pogacar super schwer zu schlagen sein würde, egal wen man noch hinzufügt zum Kader. Uns war klar: Wer am längsten mithalten kann, wird Zweiter. Und so hat es sich auch bewahrheitet. Darum hatten wir gehofft, dass wir über Sprints noch mehr Tagesergebnisse erreichen können und gegebenenfalls über Fluchtgruppen mit jemandem wie Max Schachmann Etappen gewinnen können. Max war auf der 1. Etappe Zweiter, das ist schnell vergessen – er war nah dran und fast in Rosa", erzählte Aldag nun rückblickend noch einmal.
Für die von ihm angesprochenen Sprints war Sam Welsford vorgesehen. Der Australier aber präsentierte sich im April in erschreckend schwacher Verfassung und wurde daher aussortiert, Anfahrer van Poppel tat daher sein Möglichstes, um in den Massenankünften für Ergebnisse zu sorgen und dürfte mit seinen beiden Top-Ten-Ergebnissen die Erwartungen erfüllt haben. Bei den Allerschnellsten kann der Niederländer allerdings nicht mithalten, dafür hat van Poppel andere, sehr wertvolle Qualitäten. Mit Blick auf bevorstehende Aufgaben stieg er auch vorzeitig aus dem Giro aus: Van Poppel soll auch die Tour de France bestreiten.
Bild mit Symbolcharakter: Hinter dem überragenden Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) war Martinez der zweitbeste Fahrer dieses Giro d’Italia. | Foto: Cor Vos
Was blieb, war der Versuch, Fluchtgruppen zu besetzen und dort um Ergebnisse zu kämpfen. Doch fehlte in der Schlusswoche einerseits wohl die Kraft und andererseits wurde die Unterstützung für Martinez als Gesamtzweitem immer wichtiger – auch durch Fahrer wie Schachmann, weil sich mehr und mehr zeigte, dass Giovanni Aleotti allein am Berg nicht genug sein würde und auch dessen Kräfte schwanden.
"Der Verlust von Florian Lipowitz hat uns brutal viel gekostet. Wenn man überlegt, wie der in der Romandie gefahren ist, wie gut er da war. Er hat ja die ganze Ineos-Truppe dort im Griff gehabt. Wenn er so auch hier den Giro durchgefahren wäre… Aber das ist halt 'Hätte, hätte, Fahrradkette', das zählt nicht", gab Aldag zu, dass die Krankheit des Giro-Debütanten, der auf der ersten Bergetappe in Oropa entzückte, dann aber schon nach der 5. Etappe aussteigen musste, zum Problem wurde.
"Man muss ehrlich sein und fragen: Haben wir es (Martinez' zweiten Gesamtrang, Anm. d. Red.) immer gut absichern können? Nein! Dani Martinez war hier und da alleine. Das war nicht böser Wille, aber einfach das Konstrukt, wie es dann so war", so Aldag. Ein Berghelfer mehr hätte sicher nicht geschadet, aber es ist auch so gut ausgegangen für die Raublinger.
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