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29.05.2024 | (rsn) – Am Sonntag wird Primoz Roglic sein Comeback geben. Knapp zwei Monate nach dem schweren Massensturz in einer Abfahrt auf der 4. Etappe der Baskenland-Rundfahrt kehrt der Slowene für Bora – hansgrohe zurück ins Peloton und beginnt mit dem Critérium du Dauphiné den letzten Teil seiner Vorbereitungen auf die Tour de France.
Roglic wurde geholt, um das Gelbe Trikot anzugreifen. Doch nach dem dominanten Auftritt von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) beim Giro d'Italia und angesichts der Vorstellungen seines Ex-Teamkollegen Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) bei der Frankreich-Rundfahrt der letzten beiden Jahre stellt sich die Frage: Ist der 34-Jährige stark genug, um die beiden Überflieger – sollte Vingegaard überhaupt mit Top-Form am Start stehen – in Bedrängnis zu bringen?
Bora-hansgrohe-Teamchef Ralph Denk hat in einer Presserunde nach der Italien-Rundfahrt zugegeben, dass für seinen Kapitän und seine Mannschaft ab dem Grand Départ am 29. Juni in Florenz auf 21 Etappen wirklich alles perfekt laufen muss, damit es mit dem Tour-Sieg klappen kann. Dabei spielt auch Roglics Tour-Historie mit zwei Stürzen 2021 und 2022 eine Rolle.
Alle für den Mann in Gelb: Gibt es ein solches Foto – aufgenommen bei der Baskenland-Rundfahrt – von Primoz Roglic und Bora – hansgrohe auch bei der Tour de France zu sehen? | Foto: Cor Vos
"Ich denke schon, dass es machbar ist, aber es ist eine ganz enge Kiste. Es muss auf unserer Seite alles perfekt laufen, sowohl im Performance-Bereich als auch in Sachen Glück", sagte Denk. "Ein Stück weit habe ich Bauchweh vor der Gravel-Etappe, weil ich glaube, dass danach ein großer Contender aus dem Spiel sein wird. Ich hoffe, dass das nicht wir sein werden. Und dann werden wir sehen: Wenn es für uns gut läuft und der eine oder andere nur Gegner nur bei 99,9 Prozent ist, dann haben wir schon eine berechtigte Chance. Aber die liegt nicht zu 99 Prozent auf unserer Seite." ___STEADY_PAYWALL___
Die Unwägbarkeiten der anstehenden Tour de France werden sich auch auf die Kaderzusammensetzung von Bora – hansgrohe niederschlagen. Mit Jai Hindley, Giro-Sieger 2022, und Aleksandr Vlasov, Tour-Fünfter von 2022, bekommt Roglic zwei exzellente Kletterer an seine Seite gestellt. Wie viel Berg-Power aber sonst noch an seiner Seite durch Frankreich fahren wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Das wird auch nach dem Critérium du Dauphiné nochmal besprochen.
"Vielleicht reicht der Berg-Support, vielleicht packen wir aber auch noch einen mit rein", meinte Denk und fügte an: "Es kann gut sein, dass Red Bull – Bora – hansgrohe auf viel 'Flat-Support' (also eher im Flachen starke Fahrer, Anm. d. Red.) setzt, um Primoz gerade auf der Gravel-Etappe massiv unterstützen und quasi in einen Sarkophag (sic!) packen zu können." Beispielsweise dürfte Danny van Poppel, der den Giro vor der Schlusswoche nach Plan verlassen hat, dabei eine Rolle spielen – genauso wie Marco Haller und Nico Denz.
Aleksandr Vlasov (li.) und Jai Hindley sind als wichtigste Helfer für die Tour de France vorgesehen. | Foto: Cor Vos
Mit Roglic ist im Winter auch dessen Trainer Marc Lamberts vom damaligen Team Jumbo – Visma zu den Raublingern gewechselt. Dadurch könnte die deutsche WorldTour-Mannschaft gute Vergleichsmöglichkeiten hinzugewonnen haben, wenn es darum geht, zu wissen, was es aktuell braucht, um die Tour zu gewinnen.
Denk aber betonte: “Marc Lamberts ist sehr, sehr professionell und ich weiß gar nicht, ob er sie hätte, aber wir haben auch nicht danach gefragt, weil es ein Stück weit Ethik ist, woran wir uns auch halten, Marc nicht auszuquetschen nach irgendwelchen Leistungsdaten von Jonas Vingegaard. Das ist nicht unser Ansatz und da gibt es Geheimhaltungen und Vertraulichkeitsklauseln. Deswegen wissen wir das nicht und können es nur hochrechnen, weil wir natürlich jetzt die Daten von Primoz haben – auch die aus der Vergangenheit, weil die eben auch Primoz selbst gehören, seine Daten."
Die Mitnahme von Wissen ist auch in der Formel 1 immer wieder ein Thema, wenn Ingenieure die Rennställe wechseln. Red Bull als neuer Haupteigentümer des Rennstalls, der ab der Tour de France Red Bull – Bora – hansgrohe heißen wird, kennt diese Thematik daher nur zu gut: Vor wenigen Wochen wurde etwa bekannt, dass Chef-Designer Adrian Newey das Red Bull-Formel-1-Team verlassen wird – ob er sich einem anderen Team anschließt, ist bislang nicht bekannt.
In den beiden vergangenen Jahren entwickelte sich die Tour zu einem Duell zwischen Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike), das jeweils der Däne für sich entschied. | Foto: Cor Vos
Doch auch dort scheint klar: Selbst wenn Newey keine offiziellen Dateien mitnimmt, so kann niemand sein Gehirn einem Reset unterziehen – und dasselbe gilt sicher auch für Roglic-Coach Lamberts. In der Formel 1 gibt es daher den Begriff "Gardening Leave" – ein Zeitraum, in dem ein Team verlassende 'Masterminds' nicht bei anderen Rennställen anheuern dürfen, sondern sich dem Begriff nach daheim aufs Gärtnern begrenzen sollen, so dass sie nicht mit den aktuellsten Entwicklungen ihres Ex-Teams beim neuen Arbeitgeber starten.
Bei Newey soll eine solche Klausel nicht gezogen worden sein, und wie viel Rasen Lamberts im Winter gemäht hat, ist unbekannt. Auch wenn Denk beteuert, dass man keinen Einblick in die Daten von Vingegaard hat oder hatte, wäre es aber wohl auch unprofessionell, Lamberts Wissen und Einschätzungen überhaupt nicht zu nutzen. Zumindest eine Meinung, wie realistisch es ist, dass Roglic mit Vingegaard und Pogacar mithalten kann, wenn alle drei in Top-Form sind, dürfte der Belgier sicher geäußert haben in seinen Gesprächen mit der Sportlichen Leitung um Rolf Aldag oder Chef-Coach Dan Lorang und dem Team-Manager.
Denk jedenfalls ist sich, wie seine Aussagen zeigen, bewusst, dass es mit Roglic zwar möglich, aber sehr schwierig werden dürfte, im direkten Vergleich besser zu sein als die beiden Tour-Sieger der letzten drei Jahre.
Im Coronajahr 2020 stand Roglic kurz vor dem Toursieg, ehe ihm sein Landsmann Pogacar im Zeitfahren des vorletzten Tages noch das Gelbe Trikot entriss und ihn auf Rang zwei der Gesamtwertung verwies. | Foto: Cor Vos
Auf die Frage, was es braucht, um jemand wie den Giro-Dominator Pogacar zu schlagen, antwortete er: "Du brauchst einen, der dieses Talent wie ein Pogacar hat – und du brauchst auch den Support, damit meine ich auch die Team-Infrastruktur. Deshalb ist der Tour-Sieg auch das mittelfristige Ziel", so Denk weiter.
"Du kannst den bestmöglichen Support haben, wenn Du den einzelnen Menschen nicht hast, wird es schwierig einen Pogacar zu schlagen. Wir haben Primoz und wollen es versuchen. Ich glaube schon, dass wir realistische Chancen haben, dagegenzuhalten. Aber wenn es mit Primoz in den nächsten Jahren nicht klappen sollte, dann muss man sich eine andere Strategie überlegen“, erklärte der Raublinger. “Das Wichtigste wird sein, die richtigen Leute zu finden, die das nötige Potenzial oder Talent haben. Man kann Leute immer besser machen und das ist auch unser Anspruch. Aber so Pogacar zu schlagen, zum Beispiel, dass man Daniel Felipe Martinez so weit verbessert, dass er irgendwann Pogacar schlägt, das ist schwierig. Vielleicht braucht man da sogar nochmal frisches Blut."
Gerade deshalb steht beim Einstieg von Red Bull immer wieder die Investition in den Nachwuchs und dessen Förderung für den deutschen Rennstall so im Vordergrund. Der Rennstall bekommt ab 2025 erstmals ein U23-Development-Team und will viel ins Scouting investieren. "Wir haben da gute Leute, aber wir sind natürlich nicht flächendeckend. Und das ist Teil der Red Bull – Bora – hansgrohe-Strategie, das so auszubauen, dass wir den Menschen finden, der schlussendlich den Unterschied machen kann", kündigte Denk an.
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