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08.05.2005 | Jens Voigt war wieder einmal der erfolgreichste deutsche Profis dieses Frühjahrs. Im Interview beschreibt der Berliner vom dänischen Team CSC das Duell mit Alexander Winokurow bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, erläutert die Strategie seines Teams für die Tour de France und äußert sich zu seinen berühmten Ausreißversuchen.
Ab wann haben sie und Alexander Winokurow bei Lüttich-Bastogne-Lüttich damit gerechnet, dass sie beide vor den Verfolgern ins Ziel kommen?
Voigt: Ich habe ziemlich früh daran geglaubt. Ich bin von Berufs wegen Optimist. Mit Winokurow hatte ich ja einen exzellenten Fahrer an meiner Seite. Er ist genau wie ich ein Kämpfertyp, der über eine lange Distanz ein hohes Tempo fahren kann. Außerdem bedeutete Winokurow mit an der Spitze ein Team weniger, dass sich an der Verfolgungsarbeit beteiligte. Als wir eine Minute Vorsprung herausgefahren hatten, dachte ich : Das kann klappen. Außerdem haben sich die Favoriten hinter uns gegenseitig angesehen und belauert. Das war unsere Chance.
Glauben sie, dass die Favoriten sie und Winokurow unterschätzt hatten?
Voigt: Nein, denn sie ließen uns nie mehr als eine Minute wegziehen. Beim Flèche Wallonne etwa hatte ich zwischenzeitlich sogar drei, vier Minuten Vorsprung. Alexander und ich mussten für jede Sekunde Vorsprung hart kämpfen. Das Feld wusste ja, dass Winokurow schon mal Dritter in Lüttich gewesen war und dass ich ein starker Fahrer bin, der hohes Tempo über eine lange Distanz gehen kann. Also haben sie uns nie viel Vorsprung gelassen.
Was ging ihnen beim letzten Anstieg vor dem Ziel durch den Kopf?
Voigt: Wie ich schon sagte: Ich bin von Berufs wegen Optimist und ich dachte, dass ich Winokurow schlagen könnte. Am Ende eines solchen Ausreißversuchs kommt es nicht darauf an, wer die schnelleren Beine, sondern wer überhaupt noch genug Kraft hat. Und das war am Ende Wino. Vielleicht hatte ich am Mittwoch beim Flèche Wallonne zuviel Kraft gelassen, mich noch nicht komplett von der Strapaze erholt. Und schließlich ist Wino kein Nobody, sondern ein Weltklassefahrer. Er war an diesem Tag einfach der Bessere.
Voigt: Für sie werden in der Zukunft die Ausreißversuche nicht leichter, denn jeder weiß um ihre Gefährlichkeit, wenn sie erst einmal einen Vorsprung herausgefahren haben….
Voigt: Das stimmt, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Vom Feld wegzukommen ist nicht der schwerste Teil der Übung, ich denke, ich kann Rennsituationen ziemlich gut einschätzen. Ich weiß, wann ich eine gute Chance habe, wegzukommen. Aber einen einmal herausgefahrenen Vorsprung bis ins Ziel zu retten, das wird immer schwerer. Wenn ein unbekannter Fahrer, auch aus einer ProTour-Mannschaft, angreift, sagt man sich im Feld: „Okay, soll er zehn Minuten haben, am Ende kriegen wir ihn doch.“ Schließlich kann man eine Minute auf zehn Kilometer aufholen, im Finale sogar noch mehr. Das Feld weiß genau, wie viel Vorsprung es dir geben kann, ohne dass es gefährlich wird.
Ich werde in Zukunft meine Taktik ändern müssen. Noch vor drei oder vier Jahren habe ich schon nach etwa 50 Kilometern attackiert und bin dann lange allein gefahren. Jetzt springe ich 50 Kilometer vor dem Ziel aus dem Feld, was immer noch hart genug ist. Ich habe mit Bjarne Riis abgesprochen, dass es besser ist acht Kilometer solo zu fahren als 180 Kilometer spektakulär vorneweg zu fahren und dann 200 Meter vor dem Ziel eingefangen zu werden. Bei einer langen Solofahrt fliegen dir zwar die Sympathien der Zuschauer zu und der Sponsor freut sich, weil er kostenlose Fernsehwerbung bekommt. Aber ein unspektakulärer Sieg ist besser als ein spektakulärer Tod. Das wird also meine neue Strategie sein: Später attackieren, damit ich eine bessere Chance habe zu gewinnen.
Welche Rolle spielt bei diesem Strategiewechsel die Einführung der ProTour?
Voigt: Keine sehr große. Es waren mehr die Gespräche mit der Teamleitung, die mich dazu bewogen haben. Man sagte mir: „Jens, Du warst bei der letzten Tour stark, aber Du bist nicht weggekommen. Wir müssen das anders angehen.“ Ich werde mich in der ersten Woche zurückhalten. Nach den Bergen, wenn die Gesamtwertung steht und ich, sagen wir, eine halbe Stunde Rückstand habe und keine Gefahr mehr für das Gelbe Trikot bin, werden mich die anderen Teams eher mal zehn Minuten wegfahren lassen. Und wenn die Etappe zu schwer für die Sprinter ist, steigen meine Chance auf einen Etappensieg noch mehr. Ich werde mich auf solche Tage konzentrieren.
Glauben Sie, dass die ProTour ihr angestrebtes Ziel, die besten Fahrer zu den Top-Rennen zu locken, erreicht hat?
Voigt: Ich erinnere mich noch, wie es mit dem Weltcup war. Kelme zum Beispiel trat bei Paris-Roubaix an und stellte seinen Mannschaftsbus an der ersten Verpflegungsstelle bei Kilometer 130 ab. Die wussten ganz genau, dass beinahe jeder ihrer Fahrer dort aussteigen würde. Es war so geplant, weil ihnen klar war, dass sie keine Chance in diesem Rennen haben würden. Das war ja auch völlig legitim. Ich meine, wenn Du ein 165 Zentimeter großer spanischer Kletterer bist, hast Du keine Chance Flandern oder Roubaix zu gewinnen. Und ist es das Risiko wert, Dir dabei Deine Knochen zu brechen? Sie treten zu diesen Rennen nur an, weil sie es müssen. Und das hat sich auch mit der ProTour nicht geändert. Ein Iban Mayo beispielsweise wird nie zum König der Kopfsteinpflaster werden.
Wie bereiten sie sich auf die Tour de France vor?
Voigt: Nach einer kurzen Pause steige ich zur Bayern-Rundfahrt wieder ein. Dann kommen die Tour de Suisse und die deutschen Straßenmeisterschaften, wo ich sowohl im Zeitfahren als auch im Straßenrennen antreten werde. Zur Tour selber: Mit einem Ivan Basso im Team ist natürlich alles anders. Er wird ja auch den Giro fahren und ihn vermutlich gewinnen – wenn es schlecht läuft, wird er Dritter. Er wird zur Tour sicher mit großen Ambitionen und viel Selbstvertrauen antreten. Aufgabe des Teams wird es sein, ihn in jeder Rennsituation zu beschützen. Diesmal startet die Tour mit einem 19 Kilometer langen Zeitfahren, so dass die Spezialisten gleich einen Zeitvorsprung auf die Sprinter herausfahren können. Dadurch wird es für die Sprinter viel schwieriger, in der ersten Woche in das Gelbe Trikot zu fahren.
Unser Plan sieht so aus: Bobby Julich und ich werden versuchen einen sehr guten Prolog zu fahren. Dann kommen zwei Etappen, bei denen man Ausreißversuche starten und versuchen kann, Bonus-Sekunden einzufahren. Etappe drei ist das Mannschaftszeitfahren, das wir gewinnen wollen. Wenn dann einer von uns in Gelb fährt, wird viel Druck von uns genommen sein und wir können relativ entspannt in die Berge gehen. Nach den Pyrenäen werde ich wieder attackieren. Mal schauen, ob ich dann durchkomme....
(Quelle:cyclingnews.com)
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