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27.06.2006 | Hans Michael Holczer fiebert dem 1. Juli entgegen. Am kommenden Samstag beginnt auch für den Gerolsteiner Teamchef das Abenteuer Tour de France. „Alle sind fit und in Normalform“, sagt Holczer im Gespräch mit Radsport aktiv. “Wrolich und Totschnig sind noch im Höhentrainingslager in St. Moritz, alle anderen Tour-Starter bereiten sich in den letzten Tagen zu Hause vor.“
Was die Aussichtens seines Teams anbelangt, macht der Schwabe in britischem understatement. Holczer:„Ich bin vorsichtig und zurückhaltend mit Prognosen. Einer unter den besten Zehn und wir sind alle glücklich.“ Von einem Etappensieg träume man immer, aber da müsse alles zusammenpassen. „Und dann wird man dreimal Zweiter und hat sein großes Ziel verfehlt. Deshalb gehe ich gebremst an die Geschichte heran.“
Die Bremsen gelockert hat schon längst Holczers Kapitän Levi Leipheimer. Der 32-jährige Kalifornier hat sein Ziel klar definiert: Er will am 23. Juli in Paris auf dem Podium stehen. „Wir werden ihn nicht daran hindern, wenn es klappt, wäre das eine wunderbare Geschichte. Aber wir fordern von Levi nicht, dass er unter die besten Drei kommt.“
Für den kleinen US-Amerikaner hat Gerolsteiner sogar sein Team umgestellt. „Nach der Vorstellung von Leipheimer bei der Dauphiné Libéré wären wir ja ignorant gewesen, für ihn keine zusätzliche Absicherung mit ins Team zu nehmen“, sagt Holczer. Die Absicherung trägt den Namen Beat Zberg. Der erfahrene Schweizer ist in diesem Jahr nach eigener Aussage in weitaus besser Verfassung als 2005. „Totschnig bringt Wrolich mit, da ist es nur eine vernünftige Entscheidung, für Levi einen Fahrer wie Beat zu nominieren.“ Für den älteren der beiden Zberg-Brüder musste Robert Förster weichen. Der 28-jährige Markkleeberger hatte sein großes Erfolgserlebnis bereits beim Giro, als er die prestigeträchtige Abschlussetappe gewann.
„Natürlich tut es uns für Frösi furchtbar leid“, so Holczer. „Aber nach dem extrem schweren Giro ist er nicht allzu traurig, dass er diesmal bei der Tour nicht dabei ist.“ Gerolsteiners Sprinthoffnung heißt diesmal David Kopp. „Er bewegt sich von seinem Fähigkeiten her sicher auf ähnlichem Niveau wie Frösi. Immerhin hat er auch schon einen Petacchi geschlagen.“ Der 27-jährige Tour-Debütant habe im vergangenen November mit der Ankündigung überrascht, bei der Tour dabei sein zu wollen. „Aber er hat uns alle überzeugt“, lobt Holczer seinen Neuzugang.
Das Team ist auch diesmal wieder breit aufgestellt. „Wir sind für alles gerüstet: für die Berge, fürs Gesamtklassement, für Fluchtgruppen und auch für Sprints.“ Eine Mannschaft für alle Fälle – der Lehrer für Geschichte und Mathematik hat die Chancen, aber auch die Risiken, die in einer solchen Aufstellung liegen, in sein Kalkül mit einbezogen. „Natürlich habe wir viele Optionen, in denen andere auch die Gefahr sehen, dass wir uns verzetteln. Aber wir haben ja auch eine Teamstruktur, die darauf ausgerichtet ist, auf eine solche Vielfalt zu setzen“, sagt Holczer. „Unser Team ist nicht um einen einzigen Leader herum aufgebaut.“ Das Gerolsteiner Markenzeichen sei nach wie vor, „dass wir breit aufgestellt sind. Und das spiegelt sich auch in unserem Tourteam wieder.“
Gerolsteiner geht wie im letzten Jahr mit der Doppelspitze Leipheimer-Totschnig ins Rennen. Holczer sieht auch keinen Grund, nur auf einen Kapitän zu setzen. „Totsch hat ebenso Ambitionen im Gesamtklassement wie Levi, und er hat in den vergangenen Jahren unsere Erwartungen in der Hinsicht immer erfüllt.“
Besonders gespannt ist der oberste Gerolsteiner auf einen weiteren Tour-Debütanten, Markus Fothen. Der 24-Jährige aus Kaarst sorgte im vergangenen Jahr mit seinem 12. Platz beim Giro d’Italia für Furore und wird seitdem von Experten zu den großen deutschen Rundfahrthoffnungen gerechnet. „Markus ist sehr zuversichtlich und selbstbewusst“, sagt Holczer. „Er wird bei der Tour einen schönen Job haben. Er darf Helferdienste auf hohem Niveau verrichten und hat darüber hinaus viele Freiheiten.“ Holczer hält große Stücke auf Fothen und traut ihm sogar eine Platzierung zwischen 20 und 30 zu. “Vielleicht sucht er sich aber auch mal eine Etappe raus, um die Nase in den Wind zu stecken.“ Dem Gerolsteiner Teamchef wäre sicher beides recht.
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