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12.07.2006 | Wahnsinn – ich durfte auf die Tour de France-Bühne. Das war ein tolles Gefühl. Aber von vorn und der Reihe nach. Ich hatte mich heute morgen schon ganz gut gefühlt. Von unserem Sportlichen Leiter Jan Schaffrath bekamen wir die Anweisung, wieder in einer Fluchtgruppe mitzufahren, um unser Team von der Nachführarbeit zu befreien.
Björn Schröder ging die erste Attacke mit, ich die nächste. Die Gruppe war recht groß und wurde schnell wieder vom Feld geschluckt. Aber kurz vor dem Zusammenschluss attackierte ich noch mal. Ich wollte es heute unbedingt schaffen. Ich habe gar nicht groß darüber nachgedacht, dass das allein ziemlich aussichtslos sein könnte, ich wollte erst einmal nur weg vom Feld.
Als ich um die 40 Sekunden Vorsprung hatte, zeigte man mir an, dass sich zwei Fahrer auf die Verfolgung gemacht hätten. Ich habe etwas Tempo herausgenommen und wollte die beiden herankommen lassen. Doch sie kamen nicht so schnell, wie ich erhofft hatte. Ich erhöhte wieder das Tempo. Erst als ich fürs Erste genügend Vorsprung hatte, nahm ich noch mal raus und wartete auf die beiden. Gemeinsam setzten wir dann unsere Flucht fort. Die Zusammenarbeit hat gut geklappt, wofür auch die acht Minuten Vorsprung sprechen, die es unterwegs dann mal waren. Trotzdem war mir immer klar, dass es verdammt schwierig werden würde, vor dem Feld ins Ziel zu kommen. Die Sprinter brannten darauf, auf er letzten Flachetappe vor den Bergen noch mal einen Sieg herauszufahren.
Aber ich wollte auf jeden Fall alles geben. Hinten leisteten viele Teams Führungsarbeit und allmählich schmolz der Vorsprung. Als meine Begleiter, die Franzosen Walter Beneteau (Bouygues Telecom), Stephane Augé (Cofidis), schließlich nicht mehr so richtig mit führten, war mir klar, dass ich es nur alleine schaffen konnte. Außerdem wollte ich die beiden nicht ins Ziel schleppen, um dann am Ende nur Dritter zu werden. Dann doch lieber versuchen, was geht.
Ab Kilometer 30 vor dem Ziel habe ich deshalb mehrmals attackiert. Doch so k.o. waren Beneteau und Augé dann offenbar doch nicht. Und sie waren sich offenbar einig, mich nicht wegzulassen. Beim Nachsetzen haben sie sich immer schön abgewechselt. Ergebnis: Ich kam einfach nicht weg. Als ich das merkte, war endgültig die Luft raus aus unserer Gruppe. Drei Kilometer vor dem Ziel hat uns das jagende Feld eingeholt. Ich habe noch versucht im Peloton drin zu bleiben. Aber bei den vielen Kurven auf den letzten Kilometern, aus denen heraus man immer wieder antreten musste, hat das nicht mehr geklappt. Die Beine haben nicht mehr mitgemacht.
Im Ziel wusste ich dann zuerst gar nicht, was los war. Die Betreuer gaben mir ein Handtuch und zogen mich gleich zur „Muschel“. So wird die Bühne genannt, auf der die Siegerehrungen stattfinden. Dort habe ich die rote Rückennummer bekommen, eine Auszeichnung, die am Ende jedes Tages der aggressivste Fahrer bekommt. Das war schon ein cooles Gefühl, da oben zu stehen. Natürlich wäre es mir lieber gewesen, als Sieger auf die Bühne gerufen zu werden. Aber auch so bin ich sehr zufrieden mit „meiner“ Etappe.
Christian Knees ist im Team Milram der Aufsteiger des Jahres. Der 25 Jahre alte Profi aus Bornheim bei Bonn etablierte sich im neuen ProTour-Team schnell als unentbehrlicher Helfer von Alessandro Petacchi und konnte im Frühjahr bei „Rund um Köln“ seinen ersten Profisieg feiern. Danach gab Knees sein erfolgreiches Debüt beim Giro d’Italia. Jetzt tritt „der Mann mit dem starken Motor“, wie ihn sein Teamchef Gianluigi Stanga nennt, auch bei der Tour de France erstmals an. Im Tagebuch für Radsport aktiv berichtet Christian Knees täglich über seine Erlebnisse beim größten Radrennen der Welt.
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