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23.09.2010 | (rsn) - „Ich finde die Teamphilosophie gut. Wir sind nicht einfach nur ein Haufen wild zusammengewürfelter Fahrer. Ich denke, ich habe die richtige Entscheidung getroffen“, hatte sich Nico Keinath Ende des letzten Jahres im Gespräch mit Radsport News noch auf sein Engagement beim aufstrebenden Team NetApp gefreut. Gemeinsam mit dem deutschen Drittdivisionär wollte das Rundfahrttalent in die ProTour aufsteigen. Daraus wurde jedoch nichts. Die Verbindung zwischen Keinath und NetApp hielt nur gut acht Monate. Der 23-Jährige hat seine Profikarriere mittlerweile beenden müssen.
Auslöser der Trennung war eine schwere Verletzung Keinaths. Bei einer speziellen Angiographie zeigte sich, dass seine rechte Beinarterie unter Belastung gleich zweimal abknickt und den Blutfluss derart stört, dass sein rechtes Bein bei hohen Belastungen übermäßig übersäuert und somit die Muskulatur nur noch eingeschränkt arbeiten kann. „Das war natürlich ein Schock für mich“, kommentierte Keinath die Diagnose.
Danach stellte sich für den Tübinger die Frage: Karriereende oder komplizierte und riskante OP? „Mein damaliges Team NetApp signalisierte mir recht schnell, dass es mich nicht unterstützen und mir ohne Leistungen meinen Vertrag nicht weiter verlängern werde“, so Keinath enttäuscht.
Diese Vorwürfe bestreitet das Team aber. „Wir als Team hätten das größte Interesse daran gehabt, mit einem gesunden Nico Keinath erfolgreich zu fahren. Deshalb haben wir ihn auch in jeder Hinsicht unterstützt", so Teamchef Ralph Denk zu Radsport News. "Jens Heppner und ich haben uns beispielsweise auf die Suche nach medizinischen Spezialisten für die außergewöhnliche Verletzung gemacht. Wir haben im Ausland auch jemanden gefunden und es wäre uns sicher auch gelungen, für Nico Termine zu vereinbaren. Aber unsere Bemühungen sind leider nicht geschätzt worden.“
Mitgefühl mit Keinath kann Denk trotz der unterschiedlichen Sichtweisen dennoch aufbringen. „Wir haben vollstes Verständnis dafür, dass ein junger Mensch wie Nico Keinath enttäuscht ist, wenn sein Lebenstraum so unvermittelt enden muss. Bei aller Enttäuschung dürfen aber die Tatsachen nicht verdreht werden", sagte der Teamchef, stellte aber klar: "Nicht wir als Team sind schuld an seinem Karriereende, sondern die außergewöhnlich schwere Verletzung von Nico.“
Nach der Diagnose der Verletzung folgte laut Keinath sehr schnell die fristlose Kündigung durch das Team. „Mein Fahrerprofil war noch am selben Tag von der Teamhomepage gelöscht, ohne Erklärung und noch bevor die Kündigung überhaupt rechtskräftig war. Dass der Körper nicht mehr mitspielt, ist wohl Berufsrisiko und Pech, dass jedoch ein Team sich so gegenüber einem Sportler verhält, hätte ich mir nicht erträumt. Sehr schade, dass es ein Team nötig hat, einem Radsportler das Leben so schwer zu machen“, so Keinaths Vorwürfe.
Auch in diesem Punkt widersprach Denk seinem ehemaligen Fahrer: „Im Interesse von Nico hat sich das Team bisher mit Verlautbarungen zurückgehalten und wir haben auch zukünftig nicht vor, vertragliche oder medizinische Details unserer Sportler in der Öffentlichkeit zu diskutieren", sagte der 36-Jährige. "Nur so viel: Nach allen uns vorliegenden Informationen, wäre eine weitere Belastung im Profi-Radsport für Nico extrem risikobelastet und schlichtweg unverantwortlich gewesen.“
Den Vorwurf, dass man die eigenen Fahrern nach Verletzungen vernachlässigen würde, wollte Denk ebenfalls nicht auf sich sitzen lassen. „Wir sind mit einem außerordentlich hohen Verletzungspech in unsere erste Saison gestartet", so der Raublinger. "Eric Baumann hat sich gleich Ende Februar das Knie gebrochen und ist über drei Monate für uns kein Rennen gefahren. Huub Duyn hat sich eine Woche danach diverse Gesichtsfrakturen zugezogen und ist ebenfalls über zwei Monate ausgefallen. Ende März hat es dann Daniel Schorn und eben Nico Keinath erwischt. Daniel hatte sich das Kahnbein gebrochen und konnte erst zuletzt bei der Slowakei-Rundfahrt wieder seine Form unter Beweis stellen. Sie sehen, wir stehen zu unseren Fahrern.“
Während seine Kollegen wieder im Rennsattel sitzen, ist für Keinath das Abenteuer Profi-Radsport vorbei. Kontakt mit Net App besteht nach seiner Aussage nur über die Anwälte: „Noch heute streiten sich unsere Anwälte, da das Team, abgesehen von allen Ausrüstungsgegenständen, wie gebrauchten Socken und Hosen, auch noch Geld für Gegenstände möchte, die sich nicht einmal in meinem Besitz befinden", klagte der Allrounder.
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