Interview mit Greipels Edelhelfer

Sieberg: "Bei Andrés Sieg kamen mir die Tränen"

Foto zu dem Text "Sieberg:
Marcel Sieberg (Omega Pharma-Lotto) | Foto: ROTH

25.10.2011  |  (rsn) – Marcel Sieberg wechselte Ende 2010 gemeinsam mit André Greipel von HTC-Highroad zum Omega Pharma-Lotto-Team. Im Interview mit Radsport News spricht der 29-Jährige über sein erstes Jahr bei dem belgischen Rennstall, der am Saisonende Platz eins in der Weltrangliste belegt. Sieberg erklärt, warum er nach dem Tour-Etappensieg von Greipel die Tränen nicht zurückhalten konnte, welche Folgen der Weggang des Superstars Philippe Gilbert für das Team haben wird und was er sich für 2012 vorgenommen hat.

Wie fällt Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr bei Omega Pharma- Lotto aus?

Sieberg: Die fällt positiv aus, auch wenn ich persönlich bei den Klassikern nur Pech hatte. Ich fühle mich aber sehr wohl im Team und denke, wir waren auch erfolgreich. Highlights waren natürlich die Tour de France mit den drei Etappensiegen (durch Philippe, André Greipel und Jelle Vanendert, d. Red.) und dass wir am Ende der Saison mit dem Team auf Platz 1 der Weltrangliste gelandet sind.

Das Duo Sieberg-Greipel war im Jahr 2011 an der Anzahl der Siege gemessen nicht so erfolgreich wie zuvor. War die Umstellung größer, als Sie beide das erwartet hatten?

Sieberg: Natürlich bedeutet ein neues Team auch neue Leute im Sprint-Zug usw. Dazu kam, dass André dieses Jahr auch die Klassiker gefahren ist, das ist natürlich etwas anderes als von Rundfahrt zu Rundfahrt zu gehen, wo man viele Siege einfahren kann.

Omega Pharma-Lotto hatte bei der Tour mit Gilbert, Greipel und Van den Broeck gleich drei Kapitäne dabei. Wie schwer ist es da für einen Helfer wie Sie, seine Rolle vernünftig zu erfüllen?

Sieberg: Ja, das ist natürlich alles andere als einfach. Es heißt, dass man jeden Tag seine Aufgabe erfüllen und jederzeit zu 100 Prozent konzentriert sein muss. Nach der ersten Woche der Tour habe ich mich gefragt, wie ich das nur schaffen soll....für Phil von vorne fahren, André den Sprint anziehen....und dazu immer ein Auge auf Jürgen haben, unseren Mann für’s Gesamtklassement. Aber die Erfolge, die wir mit dem Team einfuhren, haben die Schmerzen in den Beinen etwas erträglicher werden lassen.

Sie hatten in der Saison nur wenige Freiräume. Fiel es Ihnen schwer, "nur" Edelhelfer zu sein?

Sieberg: Nein, ganz und gar nicht. Natürlich würde ich selbst auch gern mal wieder ein Rennen gewinnen. Aber wenn man so viele Erfolge mit dem Team hat und etwas dazu beigetragen hat, dann ist es so, als ob man selbst gewonnen hätte!! Es ist eben meine Aufgabe, mir den Hintern für André aufzureißen! Und ich glaube, diese Aufgabe erledige ich gut.

Was war für Sie der schönste Moment in der abgelaufenen Saison?

Sieberg: Ganz klar Andrés Etappensieg bei der Tour!! Es war einfach unglaublich. Ich kann mich immer noch an jede Einzelheit der letzten Rennstunde erinnern. Als ich ins Ziel gerollt bin, habe ich gehört, dass André gewonnen hat, mich dann aber noch zwei-, dreimal bei den Betreuern anderer Team vergewissert, und dann kamen mir die Tränen. Vor dem Teambus hielten wir uns alle in den Armen! Sicher, wir hatten gleich zum Auftakt der Tour schon durch Phil eine Etappe gewonnen und waren bis dahin schon super erfolgreich gewesen. Aber wenn dein bester Freund seine erste Tour-Etappe gewinnt und du deine Arbeit super gemacht hast, dann ist es einfach was ganz ganz Besonderes!

Omega Pharma-Lotto hat die Teamwertung der WorldTour gewonnen. Wie wichtig ist solch ein Erfolg?

Sieberg: Es ist schön, am Ende des Jahres in der Teamwertung der WorldTour ganz oben zu stehen. Aber es ist nicht so, dass man jetzt sagen kann, wir sind das beste Team der Welt. Ich denke, wir können uns bei Phil bedanken, dass wir ganz ganz oben jetzt stehen…

Apropos Gilbert: Er ist 2012 nicht mehr im Team dabei. Ein herber Verlust - oder nicht auch eine Art Befreiung, weil er ja der alles dominierende Mann war?

Sieberg: Natürlich will jedes Team einen Fahrer wie Phil haben! Er kann fast jedes Rennen gewinnen und will es auch. Deshalb war es dieses Jahr auch nicht immer ganz einfach. Deshalb denke ich, dass es nächste Saison etwas ruhiger im Team wird. Wir haben jetzt eine kleine Gruppe um André, wir verstehen uns alle super und wissen alle: André ist der Kapitän, für den wird gefahren!!

Durch den Weggang von Gilbert fehlen aber wichtige Punkte für die Weltrangliste. Fürchtet das Team um die WorldTour-Lizenz?

Sieberg: Das Team Lotto gilt als ja als „neu“ im nächsten Jahr und braucht eine Lizenz. Die Teamleitung tut alles dafür, dass wir die auch kriegen. Wir hoffen natürlich, dass wir auch ohne Phil genügend Punkte haben, um eine WorldTour-Lizenz zu bekommen.

Wie sind Ihre Pläne und Aussichten für die kommende Saison – werden Sie im kommenden Jahr speziell bei den Klassikern auf größere Freiheiten pochen?

Sieberg: Ich habe noch keine Planung von der Sportlichen Leitung bekommen, aber würde gerne wieder mit der Tour Down Under starten, danach noch mal ins Trainingslager gehen und im Anschluss daran die Algarve-Rundfahrt und die Klassiker bestreiten. Natürlich will ich die Klassiker gut fahren, denn wir sind ein belgisches Team und es ist immer wichtig, bei den heimischen Rennen vorn zu sein. Ich hatte letztes Jahr die Form dazu, nur wurde ich bei der Flandern-Rundfahrt und auch bei Paris-Roubaix durch mehrere Materialprobleme gestoppt. Das hat mich natürlich ziemlich mitgenommen. Deshalb würde ich kommende Saison gerne mal mit Form und ohne Defekte vorne rein fahren!!!


Die Fragen an Marcel Sieberg stellte Matthias Seng.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Uijtdebroeks denkt über Rallye-Karriere nach

(rsn) – Seine Profikarriere als Radsportler hat kaum begonnen, da macht sich Cian Uijtdebroeks schon Gedanken über die Zeit danach. Der 21-Jährige hat jüngst in einem Interview mit Het Nieuwsblad

21.11.2024Pogacar schließt Start bei Paris-Roubaix nicht aus

(rsn) – Fährt er, oder fährt er nicht? Zuletzt schien es so, als wolle Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für die nächsten Jahre noch einen Bogen um Paris-Roubaix machen. Doch neue Aussagen des 2

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Amador beendet Karriere trotz Vertrag, Movistar macht Nägel mit Köpfen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

20.11.2024Rundfahrtchefs Pupp, Senn und Wegmann heute im “Windschatten“

(rsn) – Zum fünfjährigen Bestehen der österreichischen Radsport-Initiative "Österreich dreht am Rad" finden in dieser Woche in der Medienhalle Hall in Tirol täglich Podiumsdiskussionen und Live

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

20.11.2024Van Gils und Lotto - Dstny sprechen über Vertragsauflösung

(rsn) – Letzten Winter forcierte der Belgier Cian Uijtdebroeks seinen vorzeitigen Wechsel vom deutschen Bora - hansgrohe zu Visma - Lease a Bike. Eine ähnliche Geschichte könnte sich auch jetzt an

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine