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08.04.2012 | (rsn) – Tom Boonen (Omega Pharma-QuickStep) hat bei der 110. Auflage von Paris-Roubaix Radsportgeschichte geschrieben. Der 31 Jahre alte Belgier gewann den Frühjahrsklassiker nach einer Solofahrt von mehr als 50 Kilometern in überlegener Manier und feierte nach 258 Kilometern von Compiégne ins Velodrom von Roubaix seinen vierten Triumph. Vorher hatte er die „Königin der Klassiker“ schon 2005, 2008 und 2009 für sich entschieden.
Damit zog Boonen mit seinem Landsmann Roger De Vlaeminck gleich und schaffte es zudem zum zweiten Mal in seiner Karriere, innerhalb einer Saison das Double aus Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix zu holen. Im März hatte er zudem schon den E3-Prijs und Gent-Wevelgem gewonnen. Das Ziel erreichte Boonen bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 43,48 km/h zudem rund eine Viertelstunde vor dem schnellsten prognostizierten Schnitt.
Im Sprint der machtlosen Verfolger sicherte sich mit rund 1:39 Minuten Rückstand im Foto-Finish der Franzose Sebastién Turgot (Europcar) vor dem Italiener Alessandro Ballan (BMC), dem wie schon eine Woche zuvor bei der Flandern-Rundfahrt nur Rang drei blieb. „Das ist mein bisher schönster Sieg überhaupt, etwas wirklich Außergewöhnliches”, strahlte Boonen im Ziel. „Ich habe sechs Monate lang hart gearbeitet, um auf dieses Niveau zu kommen, aber gute Form allein reicht nicht, du brauchst auch Glück und dein Team. Der Sieg an sich war schon großartig, aber zum vierten Mal hier zu gewinnen – das hätte ich mir nicht besser erträumen können.“
„Ich habe mein Glück schon mal 60 Kilometer vor dem Ziel probiert, aber dann zog Boonen davon, er war einfach zu stark”, sagte der zweitplatzierte Turgot, der als erster Franzose nach Frederic Guesdon – der 1997 gewann – wieder in Roubaix auf dem Podium landete. „Ich habe alles gegeben. Du hast immer den Traum zu gewinnen.“
Vierter wurde der Spanier Juan Antonio Flecha (Sky) vor Boonens niederländischem Teamkollegen Niki Terpstra und dessen Landsmann Lars Boom (Rabobank/+1:43).
Titelverteidiger Johan Vansummeren (Garmin-Barracuda/+3:31) belegte diesmal Rang neun hinter dem Italiener Matteo Tosatto (Saxo Bank) und dem Australier Mathew Hayman (Sky). Zehnter wurde der Belgier Maarten Wynants (Rabobank). Bester Schweizer war der Vorjahresvierte Grégory Rast (RadioShack-Nissan/+4:23) auf Rang 13.
Von den deutschen Startern konnte sich keiner unter den besten 25 platzieren. Bester war der Zschopauer Marcus Burghardt (BMC) auf Rang 36 mit fast acht Minuten Rückstand. John Degenkolb (Atgos-Shimano) kam als 63. ins Ziel, André Greipel (Lotto-Belisol) belegte Platz 77. Einziger deutscher Sieger des Superklassikers bleibt damit der 1953 verstorbene Joseph Fischer, der die erste Ausgabe 1896 gewonnen hatte.
194 Fahrer aus 25 Mannschaften nahmen das Rennen mit seinen 27 schweren Kopfsteinpflaster-Passagen (insgesamt 51,5 Kilometer) am Morgen in Compiégne bei trockenem Wetter in Angriff.
Nach zahlreichen vergeblichen Attacken konnte sich bei extrem hohem Tempo erst nach rund 80 Kilometern eine 12 Fahrer starke Gruppe vom aufmerksamen Feld absetzen. Guillaume Van Keirsbulck (Omega Pharma-Quick Step), Yaroslav Popovych (RadioShack-Nissan), Kenny Dehaes (Lotto), Frederik Veuchelen, Bertjan Lindeman (Vacansoleil-DCM), David Boucher (FDJ-BigMat), Michael Morkov (Saxo Bank), David Veilleux (Europcar), Laurent Mangel (Saur-Sojasun), Aleksej Saramotins (Cofidis) sowie die beiden Deutschen Dominik Klemme (Argos-Shimano) und Grischa Janorschke (NetApp), der sich wenige Wochen nach seinem Schlüsselbeinbruch schon wieder in guter Form präsentierte. Doch der Auftritt des Altenkunstädters sollte böse enden.
Denn im Wald von Arenberg (Sektor 16 bei km 172) kam Janorschke ebenso wie Popovych zu Fall und musste schwerer verletzt in ein Krankenhaus gebracht werden, wo der 24-Jährige derzeit noch untersucht wird. Die verkleinerte Spitzengruppe konnte zunächst noch einige Minuten ihres Vorsprungs retten, doch Ballan sorgte mit einer Attacke nach gut 180 Kilometern für einen ersten Spannungsmoment in der Favoritengruppe.
Während Flecha und einige andere Fahrer dem Weltmeister von 2009 folgen konnten, ließ Boonen eine kleine Lücke reißen, die er mit Hilfe seiner starken Teamkollegen Gert Steegmans, Sylvain Chavanel und Terpstra nach rund zehn Kilometern wieder schließen konnte. Nur rund einen Kilometer später war auch der Rest der Ausreißergruppe um Klemme gestellt.
Danach folgte Boonens großer Auftritt. Einer ersten Beschleunigung konnten noch Ballan, Pozzato und andere folgen. Doch im Sektor 11 (Auchy-lez-Orchies – Bersée) zogen Boonen und Terpstra auf und davon, während bei den Verfolgern vor allem Ballan pokerte – und dadurch am Ende alles verlor. Im Stil eines Zeitfahr-Paars fuhren Boonen/Terpstra schnell knapp 20 Sekunden Vorsprung heraus, bevor Terpstra rund 52 Kilometer vor dem Ziel dem Tempo seines Kapitäns nicht mehr folgen konnte und in die Verfolgergruppe zurückfiel, in der Sky mit gleich vier Mann Tempo machte.
50 Kilometer vor dem Ziel war das Rennen auch für einen der großen Favoriten gelaufen. Der Italiener Filippo Pozzato (Farnese Vini) rutsche in einer Kurve weg und war danach sichtlich demoralisiert. Dagegen baute Boonen seinen Vorsprung immer weiter aus, vor allem in den verbleibenden Pavé-Sektoren war der Belgier eine Klasse für sich.
In der 15-köpfigen Verfolgergruppe versuchten es zunächst Flecha und später Boom mit Attacken – an den Spitzenreiter kamen sie aber nicht näher heran. Der konnte sich schon knapp drei Kilometer vor dem Ziel über seinen vierten Roubaix-Triumph freuen und streckte freudestrahlend vier Finger in die Motorrad- Kameras. Im Velodrom von Roubaix hatte Boonen dann alle Zeit, die Ovationen des Publikums entgegen zu nehmen.
Hinter dem großen Gewinner hatten sich Boom, Ballan und Flecha aus der Verfolgergruppe absetzen können. Doch auf der Stadionrunde belauerte sich das Trio so sehr, dass noch Terpstra und Turgot aufschlossen und der starke Franzose in einem dramatischen Zielsprint nach Foto-Finish Ballan auf Platz drei verwies.
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