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08.07.2012 | Porrentruy (dapd/rsn). Kaum hatte Bradley Wiggins (Sky) den ersten Angriff auf das Gelbe Trikot abgewehrt, dachte er auch schon an das sehnsüchtige Ziel auf den Champs Elysees. „Es war ein harter Tag, aber auch ein Tag, der mich näher an Paris herangebracht hat", sagte der 32-jährige Brite, der England vom ersten Triumph bei der Tour de France träumen lässt. Bis dahin warten aber noch schwere 1913 Kilometer und jede Mengen Attacken auf Wiggins.
Einen ersten Vorgeschmack erhielten er und sein Sky-Team, das von der L’Equipe "Royal Sky Force" genannt wurde und in dem der Rheinbacher Christian Knees wieder wichtige Helferdienste verrichtete, bereits beim Abstecher in die Schweiz auf der 8. Etappe über 157,5 Kilometer von Belfort nach Porrentruy. Beim Sieg von Thibaut Pinot (FDJ-BigMat), der nach einem Alleingang den ersten französischen Sieg unter Dach und Fach brachte, attackierte Titelverteidiger Cadel Evans (BMC) kurz vor dem Ziel, doch Wiggins ließ sich nicht überrumpeln und verteidigte sein Gelbes Trikot mit zehn Sekunden Vorsprung auf den Australier. „Mich überrascht hier gar nichts. Ich spekuliere nicht und bin auf alles vorbereitet. Eine Überraschung wäre für mich ein ruhiger Tag", sagte der Sky-Kapitän.
Evans präsentierte sich jedenfalls in Angriffslaune. „Ich muss jede Chance nutzen. Es ist für jeden eine schwierige Situation, jeder Kapitän ist am Ende isoliert. Montag ist der Tag der Wahrheit", sagte der 35-jährige Australier mit Blick auf das Zeitfahren über 41,5 Kilometer in Besancon, und Wiggins ergänzte: „Das ist ein technisch anspruchsvoller Kurs. Es wird eine heiße Angelegenheit“, so der lange Schlaks, der nach Tom Simpson (1962), Chris Boardman (1994, 1997, 1998), Sean Yates (1994) und David Millar (2000) der fünfte Brite im Gelben Trikot ist. Als besserer Zeitfahrer könnte er bereits am Montag im ersten langen Kampf gegen die Uhr in Besancon den Vorsprung auf Evans sogar vergrößern.
Am Sonntag gab es trotz der sieben Bergwertungen von der 4. bis 1. Kategorie dagegen keine dramatischen Veränderungen an der Spitze des Gesamtklassements. Pinot holte sich nach einer Solo-Vorstellung den Sieg, 26 Sekunden dahinter fuhren Evans und Pinots Landsmann Tony Gallopin (RadioShack-Nissan) auf die Plätze zwei und drei. Pinot hatte am letzten Anstieg des Tages den bis dahin führenden Schweden Fredrik Kessiakoff (Astana) überholt und den Sieg souverän eingefahren.
„Es ist ein Traum. Das waren die zehn längsten Kilometer meines Lebens. Ich werde am Montag Schmerzen in den Beinen haben, aber ich genieße diesen Sieg. Ich habe keine weiteren Pläne mehr für diese Tour", strahlte Pinot im Ziel.
Auf der zweiten Mittelgebirgsetappe mit Ziel im Schweizer Jura dauerte es rund 50 Kilometer, bis Wiggins’ Mannschaft die Kontrolle über das Rennen ausüben konnte. Bis dahin jagte eine Attacke die andere, wobei sich Jens Voigt (RadioShack-Nissan) besonders aktiv zeigte. Der Berliner ging immer wieder in die Offensiv, entschied die ersten beiden von insgesamt sieben Bergwertungen für sich und sorgte dafür, dass sich diverse Ausreißergruppen bildeten, von denen aber keine entscheidend vom Feld weg kam.
56 Kilometer nach dem Start zog der Franzose Jeremy Roy (FDJ-BigMat) aus einer zu diesem Zeitpunkt rund 25 Fahrer starken Spitzengruppe auf und davon. Nach 65 Kilometern war das Rennen für Samuel Sanchez (Euskaltel) beendet. Der Olympiasieger musste nach einem Sturz mit Handbruch und Verdacht auf Schlüsselbeinbruch im Krankenwagen abtransportiert werden. Auch sein Landsmann Alejandro Valverde (Movistar) wurde bei dem Unfall in Mitleidenschaft gezogen, konnte das Rennen aber fortsetzen und fand den Weg zurück ins Hauptfeld.
Im Anstieg zur Côte de Saignelégier konnte Roy seinen Vorsprung leicht ausbauen und überquerte die Bergwertung der 2. Kategorie in knapp 1.000 Metern Höhe als Erster mit rund 20 Sekunden Vorsprung auf den Schweden Fredrik Kessiakoff (Astana), der in der Abfahrt zum Franzosen aufschloss. 40 betrug der Abstand auf den Rest der Ausreißergruppe, in der auch Dominik Nerz (Liquigas-Cannondale), Amael Moinard (BMC), Johnny Hoogerland (Vacansoleil-DCM), David Moncoutié (Cofidis), Gianpaolo Caruso (Katusha), Pinot und Gallopin fuhren. Mit 2:35 Minuten Rückstand fuhr das große Feld mit dem Gelben Trikot, das zwischenzeitlich durch einen Defekt gestoppt wurde, über die Bergwertung bei Kilometer 73.
Im oberen Teil des Anstiegs zur nächsten Bergwertung an der Côte de Saulcy (2. Kat.) schüttelte Kessiakoff seinen Begleiter ab und profitierte in der Folge von der Uneinigkeit in der Verfolgergruppe, die ihrerseits vom Feld unter Druck gesetzt wurde, in dem Sky mittlerweile Unterstützung von Nibalis Mannschaft erhalten hatte. Doch obwohl gleich fünf Liquigas-Fahrer für Tempo sorgten, konnte Kessiakoff seinen Vorsprung zunächst behaupten.
Im Anstieg zur Côte de la Caquerelle (2. Kat.), dem vorletzten Berg des Tages, fiel die Verfolgergruppe auseinander. Pinot und Gallopin, die auch eine Gefahr für das Gelbe Trikot darstellten, überquerten rund eine Minute nach Kessiakoff den Gipfel. Das Feld folgte mit unverändertem Rückstand von knapp 3:30 Minuten.
Im zwar nur 3,1 Kilometer langen, aber 9,2 Prozent steilen Col de la Croix (1. Kat.) schüttelte Pinot seinen Landsmann ab, während im Feld sich erstmals die Lotto-Trikots an der Spitze zeigten – der Tempoverschärfung von Jelle Vanendert und Jürgen Van den Broeck (beide Lotto Belisol) sorgte für eine deutliche Reduzierung des Feldes. Auch Sagan fiel zurück, ebenso wie Taaramae, Valverde, Andreas Klöden (RadioShack-Nissan), der im Ziel 2:21 Minuten Rückstand hatte und dadurch im Gesamtklassement auf Rang 19 zurückfiel (+4:24).
Kurz vor der Bergwertung sorgte der jüngste Fahrer der diesjährigen Tour für Jubelstürme bei den Franzosen, als er scheinbar mühelos am entkräfteten Kessiakoff vorbei zog, als erster die Abfahrt nach Porrentruy hinab in Angriff nahm.
Im Feld ergriff Van Den Broeck, der gestern zu den Pechvögeln zählte und wegen eines Defekts wertvolle Zeit verlor hatte, die Initiative und brachte mit seinem Angriff die anderen Favoriten in Zugzwang. 1:40 Minuten hinter Pinot Nibali jagten die Verfolger über den letzten Gipfel des Tages. Dazwischen befand sich noch Kessiakoff, der für Platz zwei acht Punkte kassierte und dafür mit dem Bergtrikot belohnt wurde.
Auf die letzten flachen neun Kilometern ging Pinot bei Gegenwind mit rund 16 Sekunden Vorsprung auf Kessiakoff und 1:15 auf die Gruppe Wiggins, in der bis auf Taaramae, Roche und Micheal Rogers (Sky) alle Fahrer aus den Top Ten dabei waren. Vier Kilometer vor dem Ziel war Kessiakoff gestellt, auf den letzten drei Kilometern war Pinots Vorsprung auf 40 Sekunden geschmolzen. Aber unter den lautstarken Anfeuerungsrufen seines Teamchefs Marc Madiot kämpfte sich der FDJ-Profi ins Ziel.
Auf dem letzten Kilometer versuchte es Evans mit einem überraschenden Antritt, aber Wiggins ließ sich von der Attacke nicht überraschen und schloss zum Australier auf. Evans sprintete sogar noch um Platz zwei und ließ dabei den 24-jährigen Gallopin hinter sich, der damit an diesem Tag das nächste Ausrufezeichen der jungen Franzosen setzte.
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