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29.06.2013 | (rsn) – Marcel Kittel (Argos-Shimano) konnte nach dem dramatischen Auftakt der 100. Tour de France jubeln. Der 25 Jahre alte Erfurter entschied die 1. Etappe über 213 Kilometer von Porto-Vecchio nach Bastia im Sprint vor dem Norweger Alexander Kristoff (Katusha) und dem Niederländer Danny Van Poppel (Vacansoleil-DCM) für sich und wird am Sonntag mit dem Gelben Trikot des Gesamtführenden ins Rennen gehen.
Doch zuvor hatten sich auf den letzten 15 Kilometern des lange Zeit ereignislos verlaufenden Tages chaotische Szenen abgespielt. Zunächst steckte der Teambus von Orica-GreenEdge unter dem Zielgerüst fest und konnte erst im letzten Moment wieder von der Strecke fahren.
Parallel dazu gingen bei einem schweren Sturz wenige Kilometer vor dem Ziel viele Fahrer zu Boden, darunter Peter Sagan (Cannondale), Weltmeister Philippe Gilbert (BMC), der zweifache Gesamtsieger Alberto Contador (Saxo Tinkoff) und auch Tony Martin (Omega Pharma-Quick-Step). Der Zeitfahr-Weltmeister musste sogar mit Verdacht auf Schlüsselbeinbruch in ein Krankenhaus gebracht werden.
Viele andere Fahrer wurden aufgehalten, darunter Martins Teamkollege Mark Cavendish und – mit einem technischen Defekt – der Deutsche Meister André Greipel, zwei der großen Favoriten auf den Tagessieg.
Von dem Chaos um ihn herum ließ sich Kittel allerdings nicht beirren und konnte im Sprint einer deutlich reduzierten Spitzengruppe ganz souverän den bisher größten Erfolg seiner Karriere feiern.
„Wir haben unseren Traum wahr gemacht und das Gelbe Trikot geholt“, strahlte der 25-Jährige im Ziel und lobte enthusiastisch seine Helfer: „Meine Mannschaft ist super gefahren, hat mich aus allem rausgehalten. Die Jungs haben eine riesige Show hingelegt. Ich habe natürlich irgendwann gemerkt, dass Sagan, Greipel und Cavendish nicht mehr dabei waren. Ich bin instinktiv von vorne angefahren und konnte meinen Sprint durchziehen“, so Kittel, der als erster Deutscher seit Stefan Schumacher 2008 wieder das Gelbe Trikot auf seinen Schultern trägt.
„Ich war zu lange im Wind und habe dabei zu viel Kraft verloren. Aber als ich meinen Sprint begann, habe ich gemerkt, dass Kittel wirklich schnell war“, kommentierte Kristoff seinen zweiten Platz. „Er ist ja sowieso viel schneller als ich in einem flachen Finale wie dem heutigen, ich bin nicht so explosiv wie er“, fügte der Olympiadritte von London an.
Dagegen stellte Lotto-Teamchef Marc Sergeant enttäuscht fest: „André war zwar nicht in den Sturz verwickelt gewesen, aber kurz danach konnte er nicht mehr schalten und nicht mehr weiterfahren. Der Sturz hat den Plan wohl für jeden durcheinander gebracht.“
Einen Trost zumindest gab es für alle Gestürzten und Aufgehaltenen: Die Renn-Jury entschied schnell, aufgrund der besonderen Umstände alle Fahrer zeitgleich zu werten.
Bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen war der Auftakt der 100. Tour de France fast 200 Kilometer lang ohne besondere Ereignisse verlaufen.
Kurze Aufregung nur, als der Vorjahreszweite und hoch gewetteten Christopher Froome gleich nach dem Start noch in der Neutralisationszone in Porto Vecchio stürzte und leichte Schürfwunden davontrug. Froome, dem neben dem nach seiner Dopingsperre zurückgekehrten Contador die größten Chancen auf den historischen Toursieg 2013 zugetraut werden, musste seine Rennmaschine wechseln. Aus dem Massensturz am ende hatte er sich heraushalten können.
Praktisch mit dem scharfen Start in Porto-Vecchio zogen der Niederländer Lars Boom (Belkin), die beiden Spanier Juan Antonio Flecha (Vacansoleil) und Juan José Lobato (Euskaltel-Euskadi) sowie die beiden Franzosen Jerome Cousin (Europcar) und Cyril Lemoine (Sojasun) davon.Zunächst spannten sich abwechselnd Argos-Shimano, Lotto Belisol und Omega Pharma-Quick-Step vor das Feld und hielten den Rückstand auf deutlich unter drei Minuten. Lobato erreichte als erster die einzige Bergwertung des Tages bei Kilometer 45,5 und ist damit erster Träger des weißen Trikots mit den roten Punkten.
Danach spielte das Feld Jojo mit den Ausreißern, drückte den Rückstand mehrere Male auf unter eine Minute, ließ Boom, Flecha & Co. dann aber doch wieder ziehen. Zwischenzeitlich versuchte sich Cousin als Solist, nachdem seine Begleiter zu resignieren schienen. Doch dann fand die Gruppe wieder zusammen, weil die Sprinterteams kein Interesse daran zeigten, die Spitzengruppe schon so früh zurückzuholen.
Das geschah dann aber doch bereits 37 Kilometer vor dem Ziel, obwohl der Abstand zwischenzeitlich bis auf gut vier Minuten angewachsen war und sich Boom den Zwischensprint gesichert hatte. Danach war Lobato als erster aus dem Quintett wieder im Feld verschwunden, in dem sich die Helfer von Kittel, Greipel und Cavendish in schöner Regelmäßigkeit in der Verfolgung abgewechselt hatten.
Erst nach dem Zusammenschluss zeigten sich auf flachem Terrain dann andere Trikots an der Spitze, zunächst RadioShack-Leopard, BMC und vor allem Saxo-Tinkoff, um das Feld auf einer Windkante auseinander zu reißen. Doch der Auftritt der Teams der Klassementfahrer war nur ein kurzes Intermezzo, das kurz darauf wieder von den Sprintermannschaften beendet wurde.
Auf den folgenden Kilometern zeigte ich keine Mannschaft bereit, die Verantwortung zu übernehmen, so dass das Peloton in breiter Front dem Ziel entgegen fuhr. 15 Kilometer vor dem Ziel landete der Niederländische Meister Johnny Hoogerland (Vacansoleil-DCM) auf der Straße, als er sich in einer die Straße begrenzenden Banderole verfing. Hoogerland konnte das Rennen aber fortsetzen.
Doch das war nur der Auftakt zu einem Finale, das fast im totalen Chaos geendet hätte. Kurz darauf folgte der nächste Sturz, bei dem unter anderem Ian Stannard (Sky) und Ryder Hesjedal (Garmin) zu Boden gingen. Dazu kam die Meldung, dass der Team-Bus von Orica-GreenEdge das Metallgerüst über der Ziellinie touchiert hatte und darunter fest steckte. Die Organisatoren reagierten schnell und verlegten die Zielankunft drei Kilometer vor.
Die Information erreichte die Fahrer sechs Kilometer vor dem Ziel, wie Greipels Helfer Greg Henderson nach dem Rennen twitterte. „Wir schickten drei Mann nach vorn. 3,5 Kilometer vor dem Ziel wurde uns gesagt, dass es doch das Original-Finale sein würde“, so der Neuseeländer. Sein Teamkollege Marcel Sieberg ergänzte auf seiner Twitter-Seite: „Auf den letzten sechs Kilometern wurde zwei Mal die Ziellinie geändert. So was kann man im größten Rennen des Jahres nicht machen."
Zwar gelang es doch noch auf den allerletzten Drücker, den Bus von der Strecke zu bringen und die Teams darüber zu informieren, dass die Zielankunft an der dafür vorgesehenen Passage würde stattfinden können. Doch die hektische Szenerie erlebte ihren dramatischen Höhepunkt, als es auf den letzten Kilometern an der Spitze des Feldes zu einem schweren Sturz kam, der viele Fahrer zu Boden riss. Kittel kam als einer der wenigen Sprinter ohne Schaden aus dem Schlamassel heraus und hatte auch noch Teamkollegen an seiner Seite, die ihm schließlich mustergültig den Sprint anzogen, den er mit deutlichem Vorsprung vor Kristoff gewann.
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