Interview mit dem BDR-Vizepräsidenten

Schabel: „Zwei Bewerber für Straßen-WM in Deutschland"

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Günter Schabel | Foto: Cor Vos

25.06.2015  |  (rsn) - Günter Schabel ist seit 2009 Vizepräsident beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR), wo er unter anderem für Nachwuchsförderung zuständig ist. Im Interview mit radsport-news.com spricht er über die aktuelle Entwicklung und die Perspektiven im deutschen Radsport sowie über mögliche Radsport-Großereignisse in Deutschland.

Herr Schabel, wie fiel Ihr Fazit der vergangenen deutschen Bahnmeisterschaften aus?
Schabel: Sehr gut. Wir hatten größere Starterzahlen als in den vergangenen Jahren und die gesamte Veranstaltung war sehr gut organisiert. Wir haben hier in Berlin die besten Voraussetzungen gefunden, um ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Rio noch einmal einen guten Test zu machen. Das haben die Sportler mit den vielen deutschen Rekorden auch so rübergebracht.

Zuletzt gab es immer mal wieder Meldungen, dass in den kommenden Jahren die Bahnradweltmeisterschaften in Berlin stattfinden sollen. Wie ist da der Stand der Dinge?
Schabel: Es gibt eine Bewerbung, und ich denke, Berlin hat es verdient, dass mal wieder Weltmeisterschaften hier stattfinden. Bei der letzten Bahn-WM in Berlin gab es eine Riesenbegeisterung und die würden wir gerne wieder haben. Zudem sieht man jedes Jahr beim Sechstagerennen, wie groß die Radsportbegeisterung der Berliner ist und dass die Voraussetzungen optimal sind. Im Moment gibt es keine weiteren Bewerbungen anderer Städte, aber da müssen wir auch erstmal den nächsten UCI-Kongress abwarten, der im Rahmen der Straßenradweltmeisterschaften in Richmond stattfindet. Ich würde sagen, dass die Chance für eine WM in Berlin bei 50 Prozent liegt.

Gibt es auch Pläne, wieder eine Straßen-WM nach Deutschland zu holen?
Schabel: Bei uns sind in letzter Zeit einige Anfragen eingegangen und wir haben die nötigen Informationen weitergeleitet. Im Moment gibt es zwei Bewerber, die gesagt haben, wir schauen uns das ganze an. Generell muss man sagen, dass Radsport über die letzten Jahren einer der erfolgreichsten Sportarten hierzulande ist und es deshalb Deutschland sehr gut zu Gesicht stehen würde, auch mal wieder eine Straßenweltmeisterschaft auszutragen.

In diesem Jahr gab es große Probleme, einen Ausrichter für die deutschen Straßenmeisterschaften zu finden, bis schließlich die Stadt Bensheim kurzfristig eingesprungen ist. Sieht es für die nächsten Jahre besser aus?
Schabel: Ja, die deutschen Straßenmeisterschaften 2016 werden sehr wahrscheinlich in Berlin stattfinden. Der Vertrag liegt bereits vor und wir sind optimistisch, dass das klappt.

Sie sind in vielen Bereichen im Nachwuchs mit eingebunden. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?
Schabel: Wir haben im letzten Jahr bei den Straßenweltmeisterschaften beide Titel bei den Junioren gewonnen. Das hat es zuvor noch nie gegeben. Für uns ist es aber auch sehr wichtig, dass die Sportler, die aus dem Juniorenbereich kommen, schnell den Anschluss an die U23 und es dann auch zu den Profis schaffen. Daher ist es sehr schön zu sehen, dass ein Lennard Kämna das Bundesligarennen in Auenstein auf sehr beeindruckende Weise gewonnen hat Mit Christian Koch war ein weiterer Fahrer, der im letzten Jahr noch bei den Junioren war, auf dem Podium.
Unsere Bundesligaserie ist ein wichtiger Baustein, damit sich unsere Talente weiter entwickeln können. Lennard Kämna hat letztes Jahr die Junioren-Bundesliga gewonnen, anschließend ist er Weltmeister geworden. Das zeigt doch, dass die Bundesliga ein gutes Sprungbrett für die jungen Talente ist. Vor ein paar Wochen hat mit Patrick Haller zum ersten mal seit 2006 wieder ein deutscher Fahrer die Trofeo Karlsberg gewonnen, die das einzige Nationen Cup-Rennen in Deutschland ist. Mittelfristig wäre es schön, wenn wir ein weiteres Nationencup-Rennen in Deutschland haben können, damit sich unsere Talente häufiger mit der internationalen Konkurrenz messen können. Bei der U23 haben wir seit dem Wegfall der Thüringen Rundfahrt kaum noch internationale Rennen. Das ist schon ein Problem, wobei wir auch da mit der Bundesliga nicht schlecht aufgestellt sind.

Sie haben die beiden Junioren Weltmeistertitel bei der letzten WM und die aktuellen Erfolge von Patrick Haller angesprochen. Kann sich so etwas wiederholen?
Schabel: Erstmal müssen wir abwarten, wer sich bis dahin noch anbietet. Ich bin aber davon überzeugt, dass Patrick Haller bei der WM eine sehr gute Rolle spielen wird. Aber die Amerikaner haben in diesem Jahr schon mehrfach gezeigt, dass Sie aktuell einen ganz starken Nachwuchs haben und mit dem Heimvorteil, ist ihnen sicherlich viel zuzutrauen. Bei den Junioren ist es generell so, dass bei den Weltmeisterschaften auf einmal Fahrer vorne sind, die kaum einer kennt. Deshalb ist das immer schwer einzuschätzen. Insgesamt sind wir aber auf jeden Fall sehr gut aufgestellt.

Einige Radsportverbände, wie Großbritannien mit dem Team Sky oder Russland mit dem Team Katusha, haben ihre eigenen World Tour-Teams auf die Beine gestellt und haben dadurch große Erfolge erzielen können. Gibt es beim BDR Überlegungen, ebenfalls ein eigenes World-Tour Team zu gründen?

Schabel: Derzeit haben wir ja das Kontinentalteam, rad-net Rose, das wir gegründet haben, um bei den Olympischen Spielen mit dem Vierer erfolgreich zu sein. Da haben wir gesehen, dass sich das auszahlt. Für uns ist es sehr erstrebenswert ein weiteres, größeres Team aufzubauen, das dann auch bei den ganz großen Rennen dabei sein kann. Aber das ist auch eine Frage des Geldes. Wenn wir unsere Ziele bei den olympischen Spielen erreichen, haben wir dann sicherlich auch die Möglichkeiten, größer zu planen. Mit dem Wiedereinstieg der ARD in die Live-Berichterstattung bei der Tour de France wurde zumindest die Grundvoraussetzung geschaffen.

In den vergangenen beiden Jahren wurden die Weltmeisterschaften auf der Bahn und Straße, trotz der zahlreichen Erfolge der deutschen Athleten, nicht im deutschen TV übertragen. Sucht der BDR selbst nach Möglichkeiten, um das zu ändern?
Schabel: Auf die Sender haben wir leider gar keinen Einfluss, auch wenn wir immer wieder probieren, auf uns aufmerksam zu machen. Ein großes Problem ist, dass die UCI sehr hohe Preise für die Rechte verlangt, auch weil sie mit ihrem eigenen Sender im Internet alles live übertragen. Es gibt auch andere Länder, die das gleiche Problem wie wir haben. Das ist eine Entwicklung, bei der man schon nachdenken sollte, ob das so weiter gehen soll.

Gibt es die Möglichkeit, dass der Bund Deutscher Radfahrer so wie die UCI einen eigenen Sender gründet, damit beispielsweise nationale Meisterschaften zumindest im Internet übertragen werden können?
Schabel: Für die Bahradwettbewerbe ist das schon erstrebenswert, weil wir auch die Bilder dafür haben. Für Straßenrennen ist das aber zur Zeit unrealistisch, weil wir dafür nicht die Leute haben und die Produktion sehr teuer wäre.

Aktuell ist aufgefallen, dass der BDR bei den vergangenen UCI-Rennen in Deutschland keine Nationalmannschaft an den Start gebracht hatte. Warum?
Schabel: Das liegt einfach daran, dass wir nicht genügend Fahrer hatten, um ein eigenes Team aufzustellen. Wir können nur Fahrer aus Teams nehmen, die bei den Rennen selbst nicht dabei sind. Bei Rund um Köln haben wir bei 22 Fahrern angefragt, die alle abgesagt haben, weil sie mit ihren jeweiligen Mannschaften bei anderen Rennen an den Start gehen mussten oder sich gerade in einer Rennpause befanden. Das hat auch leider dazu geführt, dass ein André Greipel nicht an den Start gehen konnte, obwohl er für die Nationalmannschaft fahren wollte. Wir hatten eben zu wenige Fahrer, die zur Verfügung standen. Wenn wir eine Nationalmannschaft an den Start bringen, müssen wir so starke Fahrer haben, dass wir uns auch präsentieren. Da sollten auch die besten Fahrer eines Landes fahren.

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