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22.12.2015 | (rsn) - Im zweiten Teil des Interviews mit radsport-news.com beurteilt Danilo Hondo die Entwicklungen der deutschen und der schweizerischen Teams sowie die Popularität des Radsports in Deutschland. Zudem gibt der Ex-Profi eine Einschätzung zur aktuellen Doping-Situation ab.
Die Schweiz hat mit IAM ein WorldTour-Team, dazu noch BMC, das Schweizer Wurzeln hat. Dazu kommt nun Roth-Skoda als Zweitdivisionär. Ist das Land in Sachen Profiradsport auf einem guten Weg?
Hondo: Da muss man abwarten, denn gerade die beiden erstgenannten Mannschaften müssen 2016 schauen, dass sie ihre jetzigen Partner zum weiteren Engagement bewegen - bzw. neue Partner motivieren können (dass BMC sein Sponsoring über 2016 hinaus verlängert hat, wurde erst nach dem Interview angekündigt, d. Red). Die Überraschung ist sicher der schnelle Aufstieg des Roth – Skoda Projekts, dort erhoffen sich alle eine solide Weiterentwicklung der Mannschaft und eben die Möglichkeit, viele Schweizer Nachwuchsfahrer zu platzieren. Aber, um wieder den Vergleich zu Deutschland aufzugreifen, das ist sicherlich eine bisher durchaus positive Entwicklung.
Seit 2015 gibt es mit Giant-Alpecin auch ein deutsches WorldTour-Team. Das Management hat Topsprinter Marcel Kittel abgegeben und durch die Verpflichtung von Max Walscheid zumindest dafür gesorgt, dass weiterhin fünf Deutsche im Aufgebot stehen. Wie bewerten Sie die Personalpolitik von Manager Iwan Spekenbrink?
Hondo: Wenn wir ehrlich sind, haben wir zwar fünf deutsche Fahrer im Team Giant – Alpecin, aber von einem deutschen World Tour-Team sprechen wir nur, weil es eine Forderung von Alpecin war, das Team unter deutscher Lizenz fahren zu lassen. Aber das macht noch kein deutsches Team. Der Weggang von Marcel Kittel wird besonders für Alpecin die Situation etwas schwieriger machen, da er doch derjenige mit der größten Außenwirkung war - und derjenige mit den meisten Haaren auf dem Kopf beim Werbespot (lacht). Um es als wirkliches deutsches Team wahrzunehmen, würde es sicher noch einer größeren Anzahl hochkarätiger deutscher Fahrer bedürfen. Es ist sicherlich Alpecin hoch anzurechnen, dass sie als eines der wenigen Unternehmen in Deutschland den Mut hatten, sich eines solchen Projektes anzunehmen. Sportlich gesehen kann man vor der Mannschaft nur den Hut ziehen. Die Fahrer haben wirklich jedes Jahr dazu gelernt, sich in den Rennen als wirkliches Team präsentiert und mit John Degenkolb und Simon Geschke Siege für die Ewigkeit eingefahren.
Mit Bora-Argon 18 hat sich ein weiteres deutsches Team in der zweiten Liga etabliert und setzt seit dem Sponsorenwechsel vor allem auf deutschsprachige Fahrer. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Rennstalls?
Hondo: Dort muss man Ralph Denk und sicher auch (Ex-Sportdirektor, d. Red) Jens Heppner bescheinigen, dass sich das Projekt, von Jahr zu Jahr weiter entwickelt und die dazu notwendige wirtschaftliche Stabilität erarbeitet hat. Sportlich gesehen war 2015 vielleicht nicht die beste Saison, aber das ist bei einer Erweiterung des Rennprogrammes, besonders in der Qualität der Rennen manchmal normal. Vom deutschen Sponsor Bora gibt es sicherlich die Forderung nach deutschsprachigen Profis, doch viele freie Fahrer mit der nötigen Leistungsfähigkeit gab es eben auch nicht auf dem Markt. Um sich sportlich weiter zu entwickeln, sollte man aber trotzdem selbstkritisch genug sein, auch wenn das natürlich oft schwer fällt. Wenn ich dazu den Werbespot mit Alpecin vergleiche, hätte ich mir sicher eine neue Küche gekauft, aber eher ein Giant-Rad. So steht es im Vergleich beider deutscher Mannschaften aus meiner Sicht 1:1.
Wie haben Sie die Entwicklung der geplanten Fusion zwischen Cult Energy und Stölting in den letzten Tagen gesehen und wie bewerten Sie die Lösung, dass Stölting nun versucht, das Team allein zu stemmen?
Hondo: Ich hoffe, dass es wirklich einen triftigen Grund für Cult Energy gegeben hat, so überraschend aus dem Projekt für 2016 auszusteigen - sicherlich war es für alle Beteiligten kein einfaches Jahr, denn es hatte ja schon im vergangenen Winter sehr holprig angefangen. Der Grund klingt dennoch weniger plausibel. Die Fusion beider Mannschaften hatte eigentlich große Hoffnung auf mehr gemacht, daraus wird ja nun nichts. Umso erfreulicher ist, dass Stölting so schnell firmenintern eine positive Entscheidung pro Engagement treffen konnte, was ab bestimmten Budget-Größenordnungen ja nicht so einfach ist. Schlussendlich ist es für Stölting und das Team möglicherweise sogar besser, wenn alles in einer Hand und unter einem Dach ist, für die Alleinstellungspräsenz der Marke ja sowieso. Jetzt müssen Linus, Fabian, Gerald & Co. aber mal richtig Gas geben, um das auch wieder zurück zu geben. Für die Entwicklung des deutschen Radsports in jedem Fall ein großer Gewinn. Es bleibt weiter spannend!In Ihren letzten Profijahren waren Sie auch mit verantwortlich, dass es bei den deutschen UCI-Rennen auch Startmöglichkeiten für eine Deutsche Nationalmannschaft gab. In der zurückliegenden Saison hat dies aber bei keinem einzigen Rennen geklappt. Was lief in Ihren Augen schief?
Hondo: Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass dies inzwischen eine Konstante bei den deutschen Rennen sein würde. Schwer zu sagen, woran es lag. Es ist nicht ganz so einfach angesichts der umfangreichen Rennprogramme der WorldTour-Teams, aber ein bis zwei Top-Fahrer plus Nachwuchsfahrer sollte man schon zusammen bekommen. Gerne komme ich aber mit einem Schweizer Nationalteam zu Rund um Köln, nach Frankfurt, oder zum Velothon nach Berlin und Stuttgart.
Die jungen deutschen Fahrer stoßen nach der U19 zu den deutschen Continental-Teams, bestreiten einige UCI-Rennen und die Rad-Bundesliga. Werden diese Talente Ihres Erachtens nach so bestmöglich auf eine Profikarriere vorbereitet?
Hondo: Was sicher immer wieder unterschätzt und zu wenig gewürdigt wird, ist die Arbeit im Nachwuchsbereich, die Arbeit an der Basis. Da gibt es überall Bedarf, schwierig ist es, eine optimale Situation zu schaffen für Sport und Ausbildung bzw. Sport und Militärdienst. Für mich fehlt etwas der Übergang vom U23- zum Profibereich, da ist der Schritt etwas zu groß, denn es kann nicht allen gelingen, sofort einen WorldTour-Vertrag zu erhalten - vor allem, wenn es aus beruflichen oder auch krankheitsbedingen Gründen nicht optimal gelaufen ist.
Es gibt wieder deutsche Profiteams, die deutschen Profis feiern große Erfolge bei der Tour und den Klassikern, dazu kommt 2017 ein möglicher Tour-Start in Düsseldorf. Könnte in Deutschland wieder ein Radsportboom entstehen?
Hondo: Einen Boom kann man nicht kaufen, der muss aus der Sympathie heraus entstehen und passiert nicht von heute auf morgen. Wenn man die Entwicklung rund um das Team Telekom zum Vergleich heran zieht, wird man feststellen, dass es damals auch einige Zeit bis zum ganz großen Boom gedauert hat. Was Telekom als Konzern drauf hatte, war die Vermarktung der Mannschaft und des Radsports - und das nicht nur deutschlandweit. Düsseldorf ist sicherlich strategisch gut gelegen, nahe genug an den Benelux-Ländern, um viele eingefleischte Radsportfans nach Deutschland zu locken. Jeder, der in hierzulande ein wenig mit dem Radsport verbunden ist, wird sich das dann natürlich auch nicht entgehen lassen, und Düsseldorf ist immer eine Reise wert.
Jan Ullrich und Erik Zabel waren in den 90er-Jahren die großen Radsport-Idole der Deutschen. Auch John Degenkolb, Tony Martin, André Greipel und Marcel Kittel haben bei der Tour de France grandiose Erfolge gefeiert, sind aber längst nicht so populär. Woran liegt das?
Hondo: In Deutschland haben wir zugelassen, dass der Radsport insgesamt an Popularität verloren hat – das war und ist in den meisten anderen Ländern nicht der Fall, im Gegenteil: Es gibt Beispiele dafür, dass der Sport mit seinen Idolen erst so richtig an Popularität gewonnen hat. Wir haben keinerlei Unterstützung erhalten, im Gegenteil – es gab von einigen Seiten sogar großes Interesse daran, den Radsport in Deutschland regelrecht zu "kastrieren". Die aktuellen deutschen Fahrer haben sicherlich kein einfaches Erbe übernommen, aber andererseits können sie auch dankbar sein, zumindest ansatzweise die Chance zu haben, sich unter mehr oder weniger fairen Bedingungen zu messen. Wovon man sicherlich mehr Abstand nehmen sollte, ist über die Vergangenheit zu urteilen und die heutige Generation als sauberer darzustellen, um die Öffentlichkeit oder Sponsoren zu überzeugen. Die Taten allein sollten für sich sprechen und überzeugen. Wir sollten doch gelernt haben, dass Worte allein nicht mehr die Glaubwürdigkeit besitzen.
Über Jahre hinweg wurde der Radsport vom Thema Doping überschattet. Zuletzt wurde es allerdings immer stiller, nur wenige Fahrer wurden positiv getestet. Hat der Radsport das Dopingproblem gelöst?
Hondo: Ich bin mir da nicht ganz sicher, gerade vor einigen Tagen haben wir den Fall des 18-jährigen US-amerikanischen Meisters, der positiv auf EPO getestet wurde. Der Radsport ist ganz klar Vorreiter im Kampf gegen Doping, hat nach langem Leugnen die Hosen herunter gelassen und ist wohl die einzige Sportart, in der wirklich über jede Möglichkeit nachgedacht wird, um effektiv die Anwendung von Doping zu erschweren. Prävention ist das, worum es gehen muss - von der Basis an. Aber die vielen Fälle gerade junger Athleten sind bedenklich und wir sollten sie nicht unterschätzen. Der Sport allgemein hat genauso wenig das Problem Doping gelöst, wie die Gesellschaft alle anderen Probleme.
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