Schäfers Quinghai Lake-Tagebuch / 5. Etappe

Mönche mit Smartphones

Von Timo Schäfer

Foto zu dem Text "Mönche mit Smartphones"
Die Zuschauer bei der Tour of Quinghai Lake | Foto: Timo Schäfer

10.07.2014  |  (rsn) - So, da ist sie nun, die andere Perspektive. Nach meinem gestrigen Sturz und dem Ausscheiden aus dem Rennen stellt sich die Frage: Was tun mit der verbleibenden Zeit?

Wäre man jetzt in Europa, könnte man sicherlich darüber nachdenken, nach Hause zu reisen, denn zehn Tage sind ja schon eine lange Zeit. Aber von China aus ist das natürlich nicht so einfach. Zumal wir auch irgendwo in der Landschaft sind, unweit von Tibet (unweit in Anbetracht der Dimensionen des Landes). Und zudem: Man ist ja auch ein Teil der Mannschaft und kann die anderen weiter unterstützen.

So entschied ich mich erst einmal dafür, die anstehende Etappe über 204 Kilometer entlang des Qinghai Lake – immerhin einer der größten Salzseen der Erde – im zweiten Begleitfahrzeug zu verbringen und das Rennen zu verfolgen. Perspektivwechsel sozusagen. Und wirklich: Man erlebt einfach vieles nochmal aus einem ganz anderen Blickwinkel.

Die „Überführungsetappe“ wurde nach dem harten Tag zuvor recht locker angegangen und das Tempo im Feld war zwar hoch, aber dennoch kontrolliert. Defekte waren auch nicht angesagt und so blieb dann Zeit, um die wahnsinnige Landschaft um uns herum auf einem auf 3.300 Metern Höhe gelegenen Hochplateau zu bestaunen. Bergketten, Yak-Herden und immer wieder  Schafhirten, die mit ihren Zelten in der Wildnis leben. Unglaublich!

Und auch schön zu sehen, wie man einem doch schon in die Jahre gekommenen einheimischen Herren mit einer Banane eine sehr große Freude machen kann. Denn die gibt es dort oben halt nicht und in die nächste Stadt ist es mit einem 25 km/h-Moped auch recht weit. Immer wieder sehr interessant auch der irrsinnige Kontrast: So scheint es, als ob es den „Dorfbewohnern“ und Mönchen einfach an jeglicher neuzeitlichen Technik fehlt, aber ein Smartphone hat dann eben doch fast jeder. Ein verrückter Anblick!

Ein nicht so schönes Bild bot sich dann auf dem letzten Kilometer: eine abschüssige Zielgerade und dann noch eine Kurve. Immer sehr gefährlich. Gerade, wenn jeder noch relativ frisch und motiviert für das Finale ist. Wir ahnten bereits nichts Gutes und schon stockte die Kolonne. Ein schwerer Sturz, in den auch Fabian Fritz verwickelt war.

Warum so etwas passiert? Gute Frage. Viele Gründe eben, zumeist aber individuelle Fehler und dann kommt eins zum anderen. Fabian war dummerweise der Leidtragende und noch einige andere Fahrer mit ihm. Nachdem er ins nächste Krankenhaus gebracht und gründlich untersucht wurde stellte sich aber glücklicherweise heraus, dass er „nur“ schwere Prellungen hatte. Da er den letzten Kilometer noch mit Unterstützung von Daniel Bichlmann ins Ziel rollte, kann er auf der nächsten Etappe starten. Aber eins ist klar: Das wird keine angenehme Nacht…

Abschließend bleibt zu sagen: Man leidet schon ganz schön mit den Kumpels mit, auch wenn man nicht direkt im Rennen dabei ist. So hat mich gerade Fabians Sturz emotional ganz schön mitgenommen…

Euer Timo


Timo Schäfer ist Koordinator und Fahrer beim deutschen Continental-Team Bike Aid - Ride for Help. In seinem Tagebuch auf radsport-news.com wird er in den nächsten Tagen über seine Erlebnisse bei der Tour of Qinghai Lake berichten.

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Trotz Vertrag: Amador beendet Karriere

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

20.11.2024Rundfahrtchefs Pupp, Senn und Wegmann heute im “Windschatten“

(rsn) – Zum fünfjährigen Bestehen der österreichischen Radsport-Initiative "Österreich dreht am Rad" finden in dieser Woche in der Medienhalle Hall in Tirol täglich Podiumsdiskussionen und Live

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

20.11.2024Van Gils und Lotto - Dstny sprechen über Vertragsauflösung

(rsn) – Letzten Winter forcierte der Belgier Cian Uijtdebroeks seinen vorzeitigen Wechsel vom deutschen Bora - hansgrohe zu Visma - Lease a Bike. Eine ähnliche Geschichte könnte sich auch jetzt an

20.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

19.11.2024Ein Jahr unter der Überschrift “Primoz Roglic“

(rsn) – Nach dem erfolgreichsten Jahr seiner Karriere, in dem ihm gleich zwei Etappensiege beim Giro d’Italia gelangen, stellte sich Nico Denz (Red Bull - Bora - hansgrohe) 2024 speziell in den gr

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine