„World-Bicyclist“ Patrick Martin Schröder - Interview

Mit dem Bambusrad durch Westafrika

Von Thomas Geisler

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| Foto: worldbicyclist.com

18.05.2017  |  Patrick Martin Schröder hat sich das Ziel gesetzt, alle Länder dieser Welt mit dem Fahrrad zu erkunden. Aktuell hat der „World-Bicyclist“ 148 Nationen bereist. Seine letzte Tour führte ihn zwei Monate nach Westafrika.

Sein Gefährt: Ein Fahrrad aus Bambus, das in Ghana produziert wird. Der pressedienst-fahrrad sprach mit Schröder über seine Erlebnisse in Afrika, den Besuch der Bambusrad-Fabrik in Ghana - und seine Fahrräder.

Hallo Patrick, seit gut zehn Jahren brichst du jährlich auf eine mehrmonatige Fahrrad-Tour auf. Deine letzte Reise führte dich in den Westen Afrikas. Welche Länder hast du dort bereist?
Patrick Martin Schröder: Meine letzte Tour habe ich in Accra in Ghana begonnen. Von dort ging es nach Togo und Benin die Küste entlang, dann Richtung Norden nach Niger und Burkina Faso. Von dort zurück in den Süden durch die Elfenbeinküste nach Ghana - im Endeffekt ein großer Kreis durch Westafrika. Insgesamt bin ich innerhalb von 55 Tagen knapp 5000 Kilometer gefahren. Dadurch, dass ich insgesamt zwei Wochen festsaß und auf Visa gewartet habe, hatte ich allerdings nur 40 Fahrtage. Bisher war ich auf drei Touren in 45 afrikanischen Ländern.

Die Region Westafrika wurde in Deutschland vor allem durch die Ebola-Epidemie vor drei Jahren bekannt. Wie schaut der Alltag der Bevölkerung heute aus?

Der Alltag hat sich durch Ebola nicht geändert. In den sechs Ländern, in denen ich unterwegs war, gab es keine Ebola-Fälle. In den anderen Ländern, wo es tatsächlich eine Epidemie gab, ist das tägliche Leben auch dasselbe wie vorher.

Als Ebola 2014 in Guinea, Sierra Leone und Liberia ausbrach, war ich vor Ort. Es war in den westlichen Medien eine viel größere Sache als im Leben der Leute in Westafrika. Im gleichen Zeitraum sind mehr Menschen bei Autounfällen in der Region gestorben. Die Malaria tötet dort rund eine Million Menschen jedes Jahr. Die rund fünftausend Ebola-Opfer sind tragisch, fallen aber im insgesamt kaum ins Gewicht.

Hattest du auf deiner Tour Angst vor Kriminalität, oder Stress mit Behörden?
Nein. Ich wurde zwar auf meinen Touren mitunter bestohlen, und einmal mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt, aber etwas wirklich Schlimmes ist bislang nicht passiert. Behörden, in diesem Fall hauptsächlich Botschaften und die Visa, nerven meist, sind aber nicht unüberwindbar.

Leider habe ich auf dieser Reise kein Visum für Nigeria bekommen, daher konnte ich das Land nicht besuchen. Das nigerianische Visum hätte ich in Berlin beantragen müssen. Das habe ich aber erst in den Botschaften in Accra und Lome erfahren. Für gewöhnlich beantrage ich die Visa auf Tour, von einem Land zum nächsten.

Radfahren soll Menschen in Afrika zu mehr Mobilität verhelfen. Das Projekt World Bicycle Relief beispielsweise macht sich seit Jahren für mehr Fahrräder in Afrika stark. Welche Bedeutung hat Radfahren in Afrika mittlerweile bekommen?
In ärmeren Ländern, und vor allem ländlichen Gebieten ist der Besitz eines Fahrrads vor allem für Schulkinder und Studenten sehr wichtig. Oft werden statt Fahrrädern aber auch Motorroller oder Mopeds genutzt. In manchen Ländern wie Uganda, Ruanda oder Burundi, habe ich sogar Fahrrad-Taxis gesehen.

Arbeiter transportieren viele Güter auf Fahrrädern. Allerdings werden die Räder dann oft nicht gefahren, sondern geschoben. Es geht nicht unbedingt um die Geschwindigkeit, sondern hauptsächlich darum, dass das Gewicht nicht getragen werden muss. Auf meiner Reise habe ich in fast jedem Land Eisverkäufer-Fahrräder gesehen: Wie ein Eiswagen, nur kleiner, mit einer Kühlbox am Lenker. Langdistanz-Fahrten oder Radfahren als Freizeitspaß, wie in Europa, sind allerdings extrem selten.

Du warst mit einem Bambus-Bike von
My Boo unterwegs. Das Unternehmen lässt seine Räder in Ghana fertigen. Warum hast du die Tour mit diesem Bike unternommen?
Ich habe über Ghana recherchiert, so wie ich es vor jeder Reise mache. Als Deutscher, der nach Ghana fährt, zu erfahren, dass es in Ghana eine Radfirma gibt, die nach Deutschland liefert, war schon ein schöner, passender Zufall. Noch dazu versuche ich, jedes Jahr einen anderen Typus Fahrrad zu testen. Bambus bin ich noch nie gefahren, daher war es zusätzlich für mich von Interesse.

Bambusräder sind meist als Lifestyle- und Stadträder im Einsatz. Wie hat sich das Rad auf einer längeren, abwechslungsreichen Tour gefahren?

My Boo bietet sowohl Stadt- als auch Tourenräder und E-Bikes an. Ich habe mir ein leichtes Rennrad mit einer Einfach-Schaltung (ein Kettenblatt, elf Ritzel am Hinterrad, d. Red.) zusammengestellt.

Steile Hügel sind mit diesem Setup zwar schwerer zu erklimmen, aber zwei Faktoren machten diese leichter für mich: Erstens trage ich sehr wenig Gepäck mit mir, zweitens hatte mein Rad auch einen Pedelec-Antrieb. Die Reise war also nicht nur die erste, die ich mit einem Bambusrahmen gefahren bin, sondern auch meine erste E-Bike-Reise.

Die Straßen in Afrika sind nicht mit unseren zu vergleichen. Sind Probleme mit dem Material während der Tour aufgetreten, und wie konntest du diese beheben?
Die Straßen waren ein Mix von sehr gut bis sehr schlecht. Probleme gab es kaum; hauptsächlich hatte ich mit Platten zu kämpfen. Ein Zoll schmale Rennradreifen neigen einfach leichter zu Durchschlägen. Ich hatte dazu eine einzelne gebrochene Speiche, und einen Riss im Bambus-Rahmen, der sich allerdings als harmlos herausstellte. Als erfahrener Tourenradler habe ich alles Wichtige an Werkzeug und Ersatzteilen dabei. Bisher hatte ich auf keiner meiner Fahrten ein Radproblem, das mich zum Stoppen gezwungen hätte. Platten können geflickt, Speichen ersetzt, Brems- und Schaltzüge nachgestellt werden.

Ein Riss im Rahmen klingt aber gefährlich. Warum war dieser harmlos? Liegt das an der Materialeigenschaft von Bambus?
Ich weiß über die Materialeigenschaften eben so viel wie jeder andere. Insgesamt hatte ich drei kleinere Risse und einen großen Riss. Als ich ihn das erste Mal entdeckt habe, war ich natürlich besorgt und habe My Boo gemailt. Die Antwort war, dass der Riss harmlos sei, und ich mir keine Sorgen machen soll. Glücklicherweise behielten sie Recht; er ist weder größer geworden noch hat er die Fahrt beeinträchtigt. Es war ein zwölf Zentimeter langer Riss im Unterrohr, mit dem ich ohne Probleme über 3000 Kilometer gefahren bin.

Dazu ein Statement der Firma
My Boo: „Der von uns verwendete Bambus ist ein Naturrohstoff. Aufgrund der Längsfaserung des Bambus kommt es in einigen Fällen während des Trocknungsprozesses oder auch danach zur Bildung kleinerer Faserrisse. Die Risse im Bambusrahmen entstehen längs der Faserrichtung und haben somit keinen Einfluss auf die Fahrstabilität oder die Stabilität des Rahmens. Ein Riss im Rahmen ist deshalb unbedenklich und die Funktionsweise des Fahrrads bleibt, wie das Beispiel von Patrick Martin Schröder zeigt, davon unbeeinflusst. Auftretende Risse sollten jedoch mittelfristig behandelt werden, damit keine Feuchtigkeit in den Rahmen eindringt, was ihn langfristig schädigen könnte. Unsere Fachhandels-Partner haben ein Reparatur-Kit, mit dem sie die Risse wieder verschließen können. Wir sind von der Stabilität des Bambus überzeugt, und geben deshalb fünf Jahre Garantie auf unsere Rahmen.“

Hat dich deine Tour auch in den Mampong-District geführt, wo die Bambus-Räder von My Boo gefertigt werden?
Ja, mein letztes Ziel auf der Tour war die Werkstatt, in der die Rahmen hergestellt werden. Kwabena, der Besitzer, setzt sich auch privat sehr für die Firma ein. So habe ich in seinem Haus eine Nacht verbracht. Auch Felix, ein Deutscher, der derzeit einen Teil eines Freiwilliges Sozialen Jahres bei ihnen absolviert, wohnt dort.

Die gesamte Belegschaft war sehr aufgeregt, als ich vorbei gekommen bin. Sie sehen meist nur die Rahmen, nicht aber die relativ teuren europäischen Räder, die erst in Deutschland fertiggestellt werden. Darum war mein Besuch für beide Seiten ein Erlebnis.

Wie kann man sich den Arbeitsalltag dort vorstellen? Dreht sich in dem Dorf alles um Bambus-Räder?
In der Werkstatt wird morgens angefangen, wenn Kwabena die Arbeiter mit seinem Pickup einsammelt. Alle wohnen in den umliegenden Orten, und durch das Fehlen von öffentlichen Verkehrsmitteln wird sein Pickup als der „BambooBus“ bezeichnet: Zwei Fahrten, und alle Arbeiter sind da. Es wird den Tag über gearbeitet, geschmirgelt, gefeilt, gesägt und geklebt.

Gegen 17 bis 18 Uhr ist Feierabend, und Kwabena fährt alle wieder nach Hause. Vielleicht etwas sozialer als eine Firma in Deutschland, aber nicht grundlegend anders. Ich glaube allerdings nicht, dass sich viele Menschen in den Orten mit Bambus oder Bambus-Rädern beschäftigen. Die Fabrik ist ein kleines Geschäft unter vielen. Die Stadt Agona, zehn Kilometer entfernt, hat 70 000 Einwohner; Kumasi, 45 Kilometer entfernt, über zwei Millionen. Die zwei, drei Dutzend Arbeiter in der Bambusrahmen-Fabrik sind also nicht viel.

Mit welchen Rädern warst du ansonsten unterwegs? Was muss man bei der Wahl des Materials für eine lange Radreise beachten?
Bisher bin ich mit einem Hardtail, einem Citybike, einem Sportrad, einem Trekkingbike, einem Rennrad, einem Fully, einem Faltrad und nun dem Bambus-Bike gefahren. Die Wahl des Rahmenmaterials ist meiner Meinuing nach eine persönliche Vorliebe, die kaum einen Einfluss auf die Tour hat.

Aluminium ist meiner Ansicht nach die beste Wahl vom Preis-Leistungs-Verhältnis. Titan ist sicherlich die beste Wahl, wenn man nicht den Preis beachten muss. Carbon ist anfälliger für Unfallschäden. Allerdings gibt es auch Leute, die mit Carbon um die Welt fahren.

Bambus ist zwar etwas schwerer als die Alternativen, aber ein echter Hingucker. Es hält auch strapaziöse Touren aus. So waren etwa drei Franzosen mit Bambus im Kaschmir-Gebirge unterwegs, oder ein deutsches Pärchen ist nach China gefahren. Oder halt meine Tour durch Westafrika.

Was sind Deine nächsten Ziele?
Als nächstes Land will ich Algerien besuchen. Dann plane ich Klettersteige in den Dolomiten, und überhaupt Wandertouren in Europa. Mittelfristig befasse ich mich mit einer größeren Tour durch Ostafrika: Südsudan, Kongo, Uganda, Tansania, Madagaskar, Seychellen, Komoren und Mauritius. Dabei hoffe ich, den Kilimandscharo mit dem Fahrrad bewältigen zu können: der längste Downhill Afrikas - ein aufregendes Ziel!

Thomas Geisler ist Redakteur beim "pressedienst-fahrrad".

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