Ötztaler Radmarathon 2017 - Rennbericht

Wird das der härteste Tag in meinem bisherigen Radlerleben?

Von Oliver Knott

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| Foto: oetztaler-radmarathon.com

29.08.2017  |  Das war die Frage, die mich in der letzten Woche vor dem Ötztaler Radmarathon beschäftigte, nicht einmal, nein fortwährend. 238 km - 5500 hm! Diese Zahlen lassen Rennradler erschauern, aber auch Radlerherzen höher schlagen.

Wo immer in Gesprächen unter Radsportlern diese beiden Zahlen
fallen, weiß man, um was es geht: um den Ötztaler Radmarathon, genannt Ötzi. Und auch die Profis durften in diesem Jahr mal ran. Schon am Freitag startete das härteste Eintagesrennen des Profi-Zirkus (so der Veranstalter).

Umso beeindruckender ist, dass sich auch dieses Jahr gut 4000 Jedermänner und natürlich Frauen bereits zum 37. Mal über gleiche Strecke wagen - und ich war dabei, zum ersten Mal! Vom vor Freude springenden Herzen noch im Frühjahr wandelte sich meine Stimmung mit dem näher rückenden Termin eher Richtung "Herz in die Hose rutschen".

Zweifel kamen auf: Werde ich diese ultimative Herausforderung

bewältigen? Die vier Anstiege Kühtai, Brenner, Jaufenpass und zu guter letzt Timmelsjoch - jeder für sich genommen eine Herausforderung, wenn es im Renntempo drüber geht. Ok, nicht das der Profis, aber auch das Eigene ist vermutlich anspruchsvoll genug.

Gestärkt von einem Urlaub im Flachland, und damit mit sommerlichem Höchstgewicht, ging es am Samstag mitsamt Familie nach Sölden. Die Stimmung am Tag vor dem Rennen war bereits ordentlich, es war einiges an Programm geboten. So allmählich wichen meine in der vergangen Woche aufgekommenen Zweifel in eine gewisse Vorfreude.

Als "Novize" wollte ich mir keinen zu großen Druck
machen, und so gab ich für mich selbst die Devise aus: Ankommen! - einfach nur ANKOMMEN!!! Am Freitagabend hatte ich nämlich noch einen Blick in die Ergebnisliste des Profi-Rennens geworfen, und zwei Drittel der Starter hatte anstelle der Platzierung das unerwünschte DNF - did not finish - nach dem Namen stehen.

Solch eine Quote an ausgeschiedenen Fahren habe ich bisher selten gesehen, scheint also doch eine echt harte Nuss zu sein, dieser Ötztaler. A propos Nuss: Hier der Blick in den Startbeutel, auf dem das Motto der Veranstaltung prangt: Hart – Härter - Ötztaler. Neben dem Gutschein für die obligatorsche Nudel-Party war eine Dose alkoholfreies Radler, eine Apfelschorle und als besonderes Highlight eine Radbrille. Und für alle, die das Ziel erreichen, gibt's natürlich noch das Finisher-Trikot.

Die Nacht auf Sonntag war für mich alles andere als
berauschend. Es zeigt doch Wirkung, wenn man das schwerste Rennen der Hobby-Karriere vor sich hat. Auf mehr als fünf Stunden Schlaf bin nicht gekommen; ausgeruht sieht wohl anders aus.

Nach dem Start ging es gleich ordentlich zur Sache, mit Höchsttempo hinunter nach Ötz, und links das Kühtai hinauf. Da dies erst der erste Teil der vierteiligen Strapazenfahrt war, habe ich mich zurückgenommen. Irgendwie suchten wohl viele hier schon die Entscheidung, und so wurde ich von Fahrer um Fahrer überholt.

Aber egal, nicht anstecken lassen und mein Tempo fahren,

um mit Würde ins Ziel zu kommen. Das war meine Devise, und die wollte ich durchhalten. Das Kühtai hinunter konnte man dann mal wieder miterleben, wie schnell ein Rennen beendet sein kann. In einer Galerie gab es einen Sturz, und ein Radsportler wurde für den Abtransport mit dem Hubschrauber vorbereitet. Schade, und gute Besserung dem Armen. Zudem eine Mahnung an alle, die kommenden Abfahrten umsichtig anzugehen.

Als nächste Prüfung stand der Brenner an. Einige meiner Vereins-Kameraden hatten im Vorfeld gesagt: „ein Rollerberg, da musst du in der Gruppe drüber“. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, bisher bin ich den Brenner viermal gefahren, als Rollerberg für Gruppen empfand ich ihn bei keiner Überfahrt.

Aber so kann man sich täuschen, in der Gruppe unten rein
gefahren, noch ein, zwei Gruppen eingesammelt, und als Großgruppe oben rausgekommen – so lob' ich mir das, wenn ich nicht recht habe! Nach der Abfahrt nach Sterzing kam, was ich bis dato noch nicht wußte, mein Lieblingsberg, der Jauffen-Pass.

Die Steigung hinauf, weitgehend im Schatten, mit moderaten Prozenten, ging mir erstaunlich flüssig von der Kette. Und von unten bis oben hatte ich einen Begleiter, der exakt mein Tempo und meine Steiggeschwindigkeit fuhr. Radler um Radler haben wir überholt, und nur noch ganz selten kamen von hinten welche nach.

Die Auffahrt ist ein Sahnestück, aber die Abfahrt
technisch schwierig, mit vielen Serpentinen, zum Teil schlechter Teer mit Längsrillen, und vieler Licht-Schatten-Wechsel. Dafür unten dann neuer Fahrbahnbelag, einfach von allem etwas, und anspruchsvoll, so liebe ich das!

Ab St. Leonhardt beginnt das lange Leiden. Bereits bei den ersten zehn Pedalumdrehungen nach der Abfahrt ereilte es mich – Krampf, Oberschenkel rechts, Innenseite. Super! Das kenne ich sonst nur vom letzten Berg beim Nove Colli, der hat aber bedeuten weniger Höhenmeter als das Timmelsjoch, das Dach der heutigen Tour auf gut 2500 Meter Höhe.

Auf der Höhe von 1100 Meter stelle ich mir dann
wie wohl viele die Frage – „warum mache ich das eigentlich?“ Nun ja, die Antwort ist egal, es gibt ja kein zurück mehr und "DNF" will ich hinter meinem Namen nicht sehen. Als ich die Frage dann unwillkürlich ausspreche, kommt von den mit mir fahrenden nur ein „ja genau“.

Meine noch am Jauffenpass recht ordentliche Steiggeschwindigkeit bekomme ich nun beim besten Willen nicht mehr auf den Teer gezaubert. Stattdessen beginnt das Rechnen: Noch 1400 Höhenmeter, noch 1300, noch 1200. Irgendwie machen mich diese Gedanken mürbe, und helfen mir auch nicht weiter. Ich werde nach und nach überholt.

Meine Rettung ist das Flachstück vor
der Verpflegungsstelle auf halber Höhe des Anstiegs. Nun lief es wieder, wenn auch nicht lange, denn irgenwann zeigt der Garmin wieder neun Prozent, und die sind jetzt eigentlich schon zuviel für mich. Die Kehren scheinen kein Ende zu nehmen. Weiter oben sind sie mit Trikots der Vorjahre dekoriert, aber dafür habe ich kein Auge mehr.

Aber offensichtlich bin ich nicht der Einzige der leidet. Immer wieder stehen Radler am Straßenrand, masieren sich die Beine, oder schieben gar. Man könnte die Szenerie ohne Übertreibung als "Lindwurm der Leiden" bezeichen. Ich blicke den Berg hinauf: Noch 300 Höhenmeter zu absolvieren, aber es schaut irgendwie aus, als reiche die Straße bis in den Himmel.

Sind das wirklich nur 300 Höhenmeter?

300 sind 300, egal wie es aussieht. Eine letzte Linkskurve vor dem ersten Tunnel bringt zu meiner Überraschung die Erlösung: Es wird lach, die Beine können wieder Kurbeln, juhu!

Oben auf der Passhöhe dann Beschallung in Dauerschleife. Aus dem Megafon eines Zuschauers tönt es „Ole, Ole, Ole, we are the Champions, Ole“ – wie hält der das nur über Stunden aus? Aber trotzdem nett, wie man insgesamt feststellen muss, dass in fast jedem Ort, bzw. an jeder Passhöhe viel Publikum die Teilnehmer anfeuert.

Ganz oben am Timmelsjoch prangt dann
das berühmte Banner über der Straße: "Da hast du nun deinen Traum!" Ja! Es ist geschafft - fast, denn in der letzten Abfahrt versteckt sich eine Gegensteigung von immerhin nochmal 200 Höhenmetern.

Aber dann: Vollgas Richtung Ziel. Und drin! Kein DNF unter meinem Namen! Ziel erreicht! Und auch mein insgeheim gesetztes Zeit-Limit von zehn Stunden Fahrzeit habe ich deutlich untertroffen: Es wurden knapp neun Stunden. Der härteste Tag in meinem bisherigen Radlerleben ging nun doch vollends zurfriedenstellend zu Ende...

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