“Das Fahrrad ist ein prädestiniertes Pendlerfahrzeug“

Pendeln 2.0: Mit Rad und “Öffis“ ins Büro

Von Thomas Geisler

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20.10.2017  |  Die Anzahl der Pendler in Deutschland steigt seit Jahren - und ebenso steigt die Zahl der Stunden, die wir im Stau verbringen. Alternativen wie der ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr, kurz "Öffis") und das Fahrrad werden wichtiger. Der pressedienst-fahrrad zeigt Projekte, die diese Kombination fördern - und woran es noch hakt.

(pd-f/ krg) Das Fahrrad ist ein prädestiniertes Pendlerfahrzeug. Warum? Laut einer Studie der Techniker-Krankenkasse haben Berufspendler überdurchschnittlich oft psychisch bedingte Fehlzeiten. Da mittlerweile rund 60 Prozent der Deutschen täglich zwischen Wohnort und Arbeitsplatz pendeln, steigt diese Risikogruppe stetig an.

Die Lösung: Regelmäßig Sport treiben hilft
gegen psychische Erkrankungen. Gerade Radfahren wirkt stressmindernd und positiv auf die Gesundheit: Radelnde Pendler haben weniger Krankheitstage. Die Bewegung an der (meist) frischen Luft tut gut, und man spürt einen Trainings-Effekt.

Aber: Der durchschnittliche Arbeitsweg beträgt in Deutschland fast 17 Kilometer, selbst für leidenschaftliche Fahrradfahrer eine ordentliche Distanz. Die Kombination aus Öffentlichem Personennahverkehr und dem Fahrrad bietet sich da an, im Fach-Jargon Intermodalität genannt.

Wie Intermodalität, also die Mitnahme des Fahrrads
im ÖPNV, funktionieren kann, zeigt aktuell die Rheinbahn in Düsseldorf in Zusammenarbeit mit dem englischen Faltrad-Anbieter Brompton. Noch bis Ende Oktober bekommen Bahnkunden ein Brompton-Faltrad zum Vorteilspreis – ein Jahres-Abo der Rheinbahn vorausgesetzt.

Im zusammengeklappten Zustand gelten Falträder als Gepäckstück, und dürfen so kostenfrei transportiert werden. „Die Kooperation ist ein toller Auftakt. Das Brompton ist der ideale Mobilitätslückenschließer. Weitere Aktionen sind in Planung“, verrät Chantal Kleine, Marketing-Leiterin der Rheinbahn.

Die Zusammenarbeit läuft bereits seit Sommer.
„Mit der Aktion erreicht die Rheinbahn jeden vierten Düsseldorfer. Eine Kooperation mit einer potenziellen Reichweite von knapp über einer Million Menschen in einer Metropol-Region – das ist selbst für Brompton neu“, freut sich Henning Voss vom Brompton-Deutschland-Importeur Voss-Spezialrad.

Wer ein Faltrad für seine Pendel-Route im ÖPNV mitnimmt, ist nicht nur am Zielort mobil, sondern muss sich auch keine Gedanken um das Abstellen machen. „Nach seinem Einsatz am Morgen wird das Faltrad mit wenig Platzanspruch und zwei schnellen Handgriffen im Büro verstaut,“ erklärt Heiko Müller, Geschäftsführer des Radherstellers Riese & Müller:

„In Japan hat unser Birdy einen riesigen Erfolg:
Der Wohnraum ist knapp, es gibt wenig Fahrradabstellmöglichkeiten, viele Menschen pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln, und der Bedarf für qualitativ hochwertige Räder ist enorm.“

In Deutschland stecken Falträder immer noch in einer Nische fest – trotz ihrer Vorteile in Verbindung mit Nahverkehrsmitteln. Will man in den Pendler-Metropolen wie München, Frankfurt, Hamburg oder Berlin sein „normales“ Rad mitnehmen, steht zunächst ein Studium der Beförderungsbedingungen an. Ein Anspruch auf Fahrradmitnahme besteht nämlich nicht.

In Hamburg, Hannover und München ist
die Radmitnahme zur Hauptpendlerzeit in der S-Bahn gar ganz verboten. Auch in U-Bahnen, Straßenbahnen oder Bussen deutschlandweit ist das Fahrrad oft nicht gerne gesehen. Konfrontiert mit dem Sachverhalt, reagiert Isabel Heins von der Berliner BVG mit Galgenhumor: „Beim Abstellen des Rads ist die Unbequemlichkeit des Mitnehmens nicht gegeben.“

Heißt also: Bevor man sich mit einem Rad in eine vollgestopfte Bahn quetscht, soll man es lieber am Bahnhof anschließen. Dafür bedarf es allerdings hochwertiger Fahrradabstellanlagen. Diese sind nur spärlich zu finden, aber für ein multimodales „Bike & Ride“-Angebot unerlässlich.

Der "Stadtmöblierer" WSM hat diverse Abstell-Lösungen
im Angebot und rüstet immer mehr Kommunen mit attraktiven, sicheren Anlagen aus. So wurden etwa in Iserlohn den Bahnkunden 72 Fahrradboxen zur Verfügung gestellt. Das Fahrrad wartet am Stadtbahnhof, vor Witterungsbedingungen, Diebstahl und Vandalismus geschützt, auf die abendliche Tour.

Firmen können zudem eine modulare Radstation „Bike & Business“ nutzen, wie sie WSM unter anderem für die KfW-Bank in Frankfurt gebaut hat. „Das Modell bietet den Mitarbeitern sicheres und platzsparendes Radparken bei jeder Witterung. Die Station ist beweglich, beliebig erweiterbar um Duschen, Umkleiden, Serviceplätze und selbst Akku-Lade-Einrichtungen können integriert werden,“ so Andreas Hombach, Vertriebsleiter Fahrradparksysteme bei WSM.

An junge Familien, die oft auf die Anschaffung
eines Autos verzichten, stellt das Pendeln noch weitere logistische und infrastrukturelle Herausforderungen. Viele Bahnhöfe sind nicht barrierefrei gestaltet, und darum mit einem Kinderanhänger nur schwer zu erreichen.

„Eine Kinderbetreuung am Wohnort zu wählen ist viel komfortabler als mit dem Nachwuchs zu pendeln,“ weiß Hanna Gehlen vom Fahrradanhänger-Hersteller Croozer: „Will der pendelnde Elternteil nicht aufs Rad verzichten, ist ein Kinderanhänger die Lösung. Mit unserer Universalkupplung Click & Crooz ist schnelles An- und Abkoppeln bei fast allen Rädern möglich – der Anhänger wird einfach an der Kita geparkt. Und unsere neuen, optimierten Stoßfänger machen das Anschließen einfacher.“

 Pendeln per Fahrrad und ÖPNV: ein rein (sub)urbanes

Phänomen? Nein, sagt man bei Vaude aus dem ländlichen Tettnang-Obereisenbach, nahe dem Bodensee. Betriebliches Mobilitäts-Management wird beim Bikewear-Ausrüster großgeschrieben. „Die Anzahl der Mitarbeiter, die mit dem Rad kommen, wächst, und das trotz eines durchschnittlichen Anfahrtsweges von 14 Kilometern in einer hügeligen Region“, sagt Hilke Patzwall, Managerin bei Vaude.

Der Arbeitgeber stellt seinen Mitarbeitern dafür eine attraktive Infrastruktur zur Verfügung, die eine Entscheidung zum Radpendeln erleichtert: Sicheres, trockenes Fahrradparken, Duschen, Umkleiden, Leih-E-Bikes und Fahrrad-Leasing über den Arbeitgeber. Auf Initiative des Unternehmens und mit Unterstützung des Landkreises Bodensee sowie eines örtlichen Busunternehmers wurde gar eine Berufspendlerverbindung eingerichtet.

Fazit: Die Vorteile der Verbindung aus ÖPNV
und Fahrrad als Mobilitäts-Alternative zum Auto sind ersichtlich. Bessere Gesundheit, weniger Stress, mehr Komfort und Zeitersparnis sind wichtige Argumente. Gerade junge Leute möchten mehr Lebensfreude und Lebensqualität.

Dafür sind allerdings noch deutliche Verbesserungen nötig. Sowohl hochwertige Abstellanlagen als auch verbesserte Mitnahmemöglichkeiten sind weiter zu fördern. Es braucht Anreize, damit sich mehr Menschen für einen Umstieg entscheiden.

Auch S-Pedelecs, die bis 45 km/h elektrisch

unterstützen, können eine Alternative sein. In der Schweiz soll bereits jedes vierte verkaufte E-Bike der schnellen Gattung angehören. „Die Kombination von S-Pedelec und öffentlichen Verkehrsmitteln kann ja auch heißen: Bei gutem Wetter nutze ich mein S-Pedelec. Wenn es regnet, nehme ich die Bahn. Viele unserer Kunden wählen diese Variante für ihren Arbeitsweg“, berichtet Anja Knaus vom Schweizer E-Bike-Spezialisten Flyer.

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