Film über Albert Richter, Amateur-Bahn-Weltmeister, von der Gestapo ermordet

Fahrrad-Film-Festival: “Tigersprung“ gewinnt Goldene Kurbel

Von Gernot Mühge

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| Foto: Festival des Fahrrad-Films

22.10.2018  | 

Am vergangenen Freitag und Samstag lief das 13. International Cycling Film Festival (ICFF) in den ausverkauften Flottmann-Hallen in Herne. Der Film „Tigersprung“ gewann dabei die "Goldene Kurbel", den höchsten Preis des Festivals. Er ist der älteste Preis für Fahrradfilme weltweit.

Der Film „Tigersprung“ von Boaz Kaizman, Peter Rosenthal und Marcus Seibert
ist dem Leben von Albert Richter gewidmet, 1932 Amateur-Weltmeister auf der Bahn, 1940 von der Gestapo ermordet. Im Zentrum steht sein jüdischer Manager, der Kölner Ernst Berliner, der vor den Nazis flieht und in den Niederlanden die NS-Zeit überlebt.

Berliner versucht, den Fall in den 1960er Jahren zur Anklage zu bringen, aber die deutsche Justiz weigert sich, ein Verfahren zu eröffnen. Auch seine Kölner Mitmenschen lehnen ihn als „die Störung“ ab. Ernst Berliner reist heim in die USA mit dem Vorsatz, nie wieder nach Deutschland zurückzukehren.

Tigersprung mahnt die Auseinandersetzung mit
der NS-Sportgeschichte an“, heißt es in der Laudatio: „Der Film verweist darauf, was Ralph Giordano die zweite Schuld der Deutschen genannt hat – die zahlreichen Lücken und Versäumnisse in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“.

Um die Erinnerung an Albert Richter lebendig zu halten, hat das ICFF einen neuen Filmpreis eingeführt: „Souvenir Albert Richter“ wird von nun an alljährlich an den besten Radsport-Film des Festivals vergeben.

In diesem Jahr geht der neue Preis an Jasmijn Cedee
aus Belgien. Ihr Experimental-Film „Toer“ ist eine wilde Hommage an das altehrwürdige Velodrom Het Kuipke in Gent.

Der zweite Platz beim ICFF, der Große Preis der Jury, geht an den Hamburger Filmemacher Fritz Tietz. Sein Film „Der Langsamwallradfahrer“ zeigt den 57jährigen Ingolf Petersen auf einer Fahrrad-Wallfahrt von Neu-Münster nach Santiago de Compostela. Sein „Gelübde der Dankbarkeit“ verpflichtet ihn allerdings, sich nur im Schritt-Tempo zu bewegen.

Eigentümliche Pilger-Gesänge („Oh Vater Dir sei Dank,
für meinen wunden Po, in dulci jubilo“) und Pilger-Rituale wie die Selbst-Geißelung lassen im Filmverlauf jedoch die Frage nach der Ernsthaftigkeit der Wallfahrt-Geschichte aufkommen. Wie Gott beizeiten seinen Wallfahrer, so führt Fritz Tietz das Publikum in die Irre – auf eine sehr vergnügliche Weise.

Der dritte Platz im Wettbewerb um die Goldene Kurbel geht nach Kanada, an den einfühlsamen, kurzen Spielfilm „Édouard“ von François Fournier. Der junge Édouard, gespielt von Léo Roy, leidet darunter, dass sein älterer Bruder in die Armee gezogen wird. Er nutzt das Rennrad als Möglichkeit, seinen Schmerz zu überwinden und aus seiner Kindheit auszubrechen.

Das Publikum hat die Dokumentation „On the move“
zum besten Film des Abends gewählt. Filmemacherin Melissa Schaust zeigt, wie die Fahrrad-Szene um die Dortmunder VeloKitchen-Initiative einen komplette Wohnungsumzug mit Lastenrädern bewältigt.

In Herne sahen über 300 Freund/innen der Filmkunst und Fahrrad-Kultur 15 Filme aus zehn Ländern. Filmemacher/innen und Künstler/innen aus den Niederlanden, Österreich, aus dem Kosovo und aus Deutschland sind nach Herne gereist und konnten ihre Filme persönlich präsentieren.

Nach Herne ist das Programm des ICFF alljährlich
in zahlreichen weiteren Städten zu sehen, etwa in Katowice, Wiesbaden, Mainz, Groningen, Amersfoort, Moskau sowie in Ferizaj/ Kosovo.

Das Internationale Festival des Fahrrad-Films wird vom Europäischen Büro für Filmkunst und Fahrradkultur e.V, gemeinsam mit dem Oude Rooms Katholieke Ziekenhuis in Groningen sowie Silesia Film in Katowice organisiert.

Der Autor Gernot Mühge ist Gründer und Mit-Veranstalter des Internationalen Festivals des Fahrrad-Films.
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