Gedanken eines Freizeit-Radsportlers - Mallorca, Infizierung, Training, Planung...
Blauäugig und einsam in den Frühling
Von Oliver K.
Oliver bei den “24 Stunden von Kelheim“ 2019 | Foto: privat
27.03.2020 | Man muss nicht weit zurückdenken, nur ein paar Wochen, dann stellt man fest, wie sich die Welt in kurzer Zeit verändert hat. Verändert, so wie ich es zuvor nicht erlebt hatte - und wie ich es mir auch nicht hätte vorstellen können.
Es sollte eine Rennrad-Saison gespickt mit Höhepunkten werden.
Als Top-Highlights hatte ich die 50. Ausgabe des Nove Colli und die Tour Transalp geplant. Auf dem Weg dorthin wollte ich mir mit dem Granfondo Colnago am Gardasee und der Granfondo Felice Gimondi in Bergamo die nötigen Form verschaffen.
Eine viertägige Alpen-Tour, zwei Wochen vor der Tour Transalp, war dafür gedacht, die nötige Härte am Berg zu erlangen. Abgerundet werden sollte die Saison durch Starts beim neuen Kitzbüheler Horn Radmarathon, dem Arlberg Giro und dem Ötztaler Radmarathon. Dazwischen noch ein paar RTFs, und bei der RTF meines Clubs RSV Moosburg mithelfen, um unseren Gästen einen tollen Tag zu bereiten.
Das war mein Plan für 2020.
Ganz schön viel für eine Saison, ich hatte im Winter schon kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, meine Arbeitszeit zu reduzieren, um all das Geplante auch durchführen zu können.
Vor einem Monat herrschte bei mir noch Vorfreude auf das Trainingslager, das vom 15. bis 22. März mit unserem Rad-Club auf Mallorca geplant war. Auf Strava ließ sich schon verfolgen, wie sich immer mehr Freunde und Bekannte in südlichen Gefilden tummelten.
Fünf Tage vor dem Abflug dann der Schock:
Über Whatsapp bekam ich die Nachricht von einem Freund, dass er positiv auf das Corona-Virus getestet war. Da wir am Wochenende zuvor noch Kontakt hatten, bestand also durchaus die Möglichkeit, dass auch ich mich infiziert hatte.
Gewissheit ergab ein Abstrich, der beim Gesundheitsamt genommen wurde. Trotz einer langen Menschenschlange dort ging sowohl das Prozedere wie auch die Auswertung recht schnell. Bereits am Abend nach dem Test wurde mir das Ergebnis per Telefon mitgeteilt.
Die Vermutung, dass es mich erwischt hat,
hatte ich allerdings schon vorher: Fieber und Schluckbeschwerden, die bei mir auftraten, waren als Symptome bekannt...
Einer unserer Vereins-Kameraden war schon am Freitag früh nach Mallorca geflogen. Am Donnerstag telefonierte ich noch mit ihm; wir malten uns aus, was passieren könnte. Der worst case schien uns, dass im Hotel ein Coroana-Fall auftritt, und so eine 14-tätige Quarantäne zu überstehen wäre. Der zweitschlimmste Fall hingegen erschien uns gar nicht mehr so tragisch: Es geht kein Fliegzeug zurück, das würde eine Verlängerung des Trainingslagers bedeuten - in unseren Augen keine schlechte Option.
Wie wir heute wissen, kam alles ganz anders.
Am Samstag ging es für den Kameraden auf eine 130-km-Runde; am Abend wurde von der spanischen Regierung eine Ausgangssperre verhängt. Seine Frau organisierte noch einen Rückflug für Mittwoch, aber dann überschlugen sich die Ereignisse. Auf der Insel kursierten Gerüchte, dass am Montag der Flughafen von Palma dicht gemacht werde.
So wurde am Sonntag schnell noch ein Flug via Zürich und Berlin nach München organisiert, mit einer Nacht in Berlin. Was noch aussteht, ist die Berechnung des Kilometer-Preises der Ausfahrt am Samstag; ich vermute mal, die Runde wäre mit einem geliehenen Supersportwagen nicht teurer gewesen. Aber Hauptsache wieder gesund zurück, im Kreis der Familie...
Das Trainingslager, auf das ich monatelang hingefiebert
hatte (darf man das noch so sagen?), fiel also ins Wasser. Und eine Absage jagte die nächste bei den Profi-Rennen, das Radsport-Frühjahr ist schon vorbei, bevor es so richtig begonnen hat.
Irgendwie deprimierend! Aber es ist nur Sport - auch wenn mancher Profi dadurch in seiner Existenz gefährdet wird. Für uns Hobbysportler ist Radsport letzlich nur eine wenn auch sehr bereichernde Nebensache.
Nachdem das Fieber bei mir abgeklungen war,
kam dann schnell der Drang nach Bewegung wieder. Ich erinnerte mich, dass ich noch einen alten Rollentrainer im Keller hatte. Also hoch damit, und ab in den Garten, eine Stunde auf der Rolle absolvieren. Nicht schön, aber wohl die beste der momentan vorhandenen Alternativen.
Das praktiziere ich nun seit einer Woche, an manchen Tagen mit mehr, an manchen Tagen mit weniger Elan. Grund für die mangelnde Begeisterung ist unter anderem die Frage nach dem Ziel: Wofür trainieren, wenn es vielleicht eine Saison ohne Höhepunkt wird? Was wird noch stattfinden, wie muss ich planen?
Natürlich sind meine beiden Granfondos längst abgesagt,
die armen Italiener haben derzeit ganz andere Sorgen. Realistisch betrachtet wird auch der Nove Colli mit seinen 12 000 Teilnehmern wohl nicht am geplanten Termin im Mai festhalten können, zumal das Highlight der 50. Austragung eine Giro-Etappe auf der Strecke des Nove Colli gewesen wäre. Und der Giro ist ja bereits dem Corona-Virus zum Opfer gefallen.
Die geplante Alpen-Tour im Juni habe ich noch selbst in der Hand, da brauche ich mir erstmal keine Gedanken machen. Die Zimmer sind gebucht und wenn es die Situation dann zulässt, wird gefahren.
Bei der Tour Transalp sieht das Ganze
schon wieder anders aus. Ob die Veranstaltung durchgeführt werden kann? Wenn man die letzten drei Wochen betrachtet, wie dramatisch sich die Situation seither verändert hat, lebt in mir ein klein wenig die Hoffnung, dass sich alles doch schneller normalisiert, als wir das heute annehmen.
Über meine Rennen im zweiten Halbjahr mache ich mir erstmal keine Gedanken. Es kommt wie es kommt, es ist eh nicht zu ändern.
Letztlich bleibt mir nur, die Motivation hochzuhalten, und im Zweifelsfall neue Ziele suchen, die sich mit den dann gültigen Beschränkungen in Einklang bringen lassen.
Es ist nun gut zwei Wochen her,
dass ich von meiner Infektion erfahren hatte, und mich in Quarantäne begeben musste. Seit dem hat sich mit Kontaktverbot und Ausgangsbeschränkungen "draußen2 viel verändert. Von all dem habe ich noch nichts am eigenen Leib erlebt, ich kenne es nur aus den Medien.
Morgen ist es dann endlich soweit, meine Quarantäne hat ein Ende. Was also derzeit für alle eine Einschränkung darstellt, wird für mich ein Gewinn sein. Für den Samstag plane ich meine erste Ausfahrt "in Freiheit", seit nunmehr drei Wochen. Sport darf ja noch betrieben werden, wenn auch bei uns in Bayern nur allein.
Für mich ging die Corona-Infektion Gott sei Dank mit eher geringen Symptomen vorüber. Nach derzeitigem Kenntnisstand bin ich nun erstmal immun - ein beruhigendes Gefühl. Bin gespannt, wie die Saison weitergeht...
Bleibt gesund, haltet Abstand, und passt auf euch auf!