James Golding: “Wir sind fähig, außergewöhnliche Dinge zu leisten“
Von Gerti Ring
| Foto: Red Bull Media House/ Joolz Diamond Photography
15.07.2020 | James Golding ist ein positiver Mensch. Das zeigt vor allem seine Sichtweise auf zwei existenzbedrohende Ereignisse in seinem Leben: Sowohl seine Krebserkrankung als auch seinen Zusammenprall mit einem Lkw bei 110 km/h beschreibt er als „die besten Dinge, die mir je widerfahren sind“.
Der britische Ausdauer-Radfahrer berichtet von seiner unglaublichen Geschichte in der neuen Staffel von „The Way Of The Wildcard“. Die Serie des Red Bull Media House bietet tiefe Einblicke in das Leben ungewöhnlicher Athleten, die ihren Weg entgegen aller Widerstände gegangen sind und sich einen Namen gemacht haben. Alle Episoden sind auf Red Bull TV verfügbar
Nun erscheint die Episode über James Golding auch auf YouTube. Golding berichtet darin über seine neueste Herausforderung: Er hat sich vorgenommen, als erster Brite das Race Across America zu gewinnen, ein Radrennen über 4800 Kilometer von der West- zur Ostküste der Vereinigten Staaten.
Vor zehn Jahren war das für Golding unvorstellbar.
Damals musste er sich wegen seiner Krebserkrankung einer Not-Operation unterziehen, für die ihm die Ärzte eine weniger als fünfprozentige Überlebens-Chance attestierten. Anfang 2009 hatte Golding im Alter von 28 Jahren nach monatelangen quälenden Rückenschmerzen erfahren, dass er an Krebs leidet. Die Ärzte fanden in seinem Unterleib einen 11 cm großen Tumor, die Größe einer Grapefruit.
Golding wurde in ein zweiwöchiges künstliches Koma versetzt, und musste einen Monat auf der Intensivstation verbringen. Damals hatte er nicht einmal die Kraft, den Kopf vom Kopfkissen zu heben. Seinem Motto „ein Schritt nach dem anderen“ folgend, erholte Golding sich in den folgenden Wochen, und wurde schließlich aus dem Krankenhaus entlassen.
Daheim stolperte er über ein altes Fahrrad.
Golding fand darin eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden - und einen neuen Lebensmittelpunkt. Und im Lauf der folgenden Monate wurde er immer fitter. Als ihm die Ärzte dann sagten, dass sich sein Krebs auf dem Rückzug befinde, setzte er sich ein ehrgeiziges Ziel: Er wollte mit dem Rad innerhalb von 34 Tagen fast 5600 Kilometer quer durch die USA fahren, von Los Angeles in Kalifornien nach Miami in Florida, und dabei Spendengelder für den Macmillan Cancer Support sammeln.
Während dieser Challenge kam Golding einen weiteres Mal in Lebensgefähr, als er in New Orleans von einem Lkw angefahren wurde. Er brach sich drei Rippen sowie den Ellenbogen und verlor an Armen und Beinen großflächig Haut. Nachdem er sich von diesen Verletzungen erholt hat, begann Golding seine Challenge von Neuem: Er absolvierte die gesamte Strecke innerhalb von 24 Tagen, wobei er im Schnitt über 230 Kilometer am Tag zurücklegte.
Auf die Hochstimmung nach der bestandenen Herausforderung folgte dann der nächste Nackenschlag: Die Ärzte diagnostizierten ein Wiederaufflammen der Krebs-Erkrankung, in seinem Unterleib war ein neuer Tumor gewachsen. Während der zweiten Krebserbehandlung erlitt Golding eine schweren Depression, weil seine Ehefrau ihr erstes Baby erwartete, und er sie nicht unterstützen konnte.
Zurück in die Gegenwart: Nach der Absage des Race Across America 2020 bereitet James Golding sich nun auf die nächste Auflage des Rennens im kommenden Jahr vor. Im Rückblick auf seine Krebserkrankungen und andere Rückschläge sagt Golding, dass es wohl seine verbissene Haltung sei, die es ihm erlaube, immer wieder von größeren Herausforderungen zu träumen:
„Mir wurde als Kind gesagt, dass ich nie etwas erreichen werde. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich etwas aus meinem Leben machen kann, dass ich Erfolg haben, und den anderen das Gegenteil beweisen werde. Diese Haltung steckt eigentlich in jedem von uns. Aber ich glaube, dass die Dinge, die ich durchmachen musste – besonders die Krebserkrankung, oder dass ich wieder laufen lernen musste – mir eine klarere Vorstellung davon geben, was möglich ist. Wir sind fähig, außergewöhnliche Dinge zu leisten.“
Gerti Ring ist Redakteurin bei Eyesprint Communication.