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22.03.2021 | Seit zwei, drei Jahren sieht man in Paris wieder mehr Fahrrad-Kurieren auf den Straßen - sie haben in der französischen Hauptstadt eine lange Tradition: Für die „Porteurs“ genannten Zeitungs-Kuriere war das Fahrrad schon im 19. Jahrhundert das Transportmittel der Wahl. Und vor allem die Pariser Porteure betrieben eine heute noch faszinierende Mischung aus Arbeit und Sport, wenn sie die Tageszeitungen fast im Renn-Tempo von den Druckerpressen zu den Kiosken transportierten.
Damals brachten die Zeitungen jeden Tag mehrere Ausgaben
heraus,
und die Zustellung an die Kioske
musste schnell gehen. Die Porteure wurden
pro zugestellter Zeitung bezahlt – je fixer sie
waren, desto mehr verdienten sie. Ein richtig
schneller Porteur konnte so mehr Geld einnehmen als der Chefredakteur der Zeitung,
für die er arbeitete.
Viele Porteure waren Amateur- oder semiprofessionelle Radrennfahrer, die den Job als Training nutzten. So wurde bereits 1895 das erste „Championnat des Porteurs“, die Meisterschaft der Zeitungsausfahrer organisiert, auf einer 27-km-Strecke vom Pariser Zeitungsviertel Montmatre nach Versailles.
Das "Critérium des Porteurs de Journaux" war
ein freies Rennen mit acht Kontrollen entlang der Strecke, an denen die Fahrer ihre Ladung tauschen und eine Marke mitnehmen mussten - eher ein Navigations-Test auf Zeit als ein echtes Radrennen. Da aber bald die offensichtlich besten Routen zwischen den Kontrollpunkten bekannt wurden, entwickelte man daraus eine vorgeschriebene Streckenführung mit einem festen Kurs.
Das Rennen begann in der Rue Montmartre, südlich der Rue Réaumur, folgte dem Boulevard Faubourg Montmartre und der Rue Notre Dame de Lorette auf dem Weg zum Place Clichy, von dort entlang der alten Festungsanlagen aus der Zeit Ludwigs XVI., dann die Rue Lepic auf Kopfsteinpflaster-Kurven hinauf, vorbei an der Moulin de la Galette und durch die Rue Norvins zum Ziel auf dem Place du Tertre.
Ab 1925 war ein Rundkurs von rund 50 km
auf den Boulevards
Exterieurs rund um Paris zu absolvieren, wieder vom Montmarte aus, und dorthin zurück. Die Fahrer hatten 15 Kilogramm an Zeitungen dabei; zur Hälfte der Strecke musste einmal ab- und wieder aufgeladen werden. In den 20er- bis 50er Jahren waren die Porteur-Rennen so populär, dass alle Pariser Zeitungen und
Magazine eigene Mannschaften stellten, die
nicht selten mit Tour-de-France-Fahrern verstärkt wurden.
Viele der gut bezahlten Porteure hatten deshalb zwei Spezialräder: eines für den täglichen Job, mit breiten Reifen und großen Schutzblechen – und ein extrem leichtes für das jährliche Rennen, eigentlich ein Rennrad mit einem großen Front-Träger.
Ein Beispiel: Das Goéland "Porteur Grand Luxe"
wurde im Katalog des französischen Herstellers als "La Machine des Criteriums des Porteurs Parisiens" gelistet (siehe Bild 3 hier unten). Die meisten dieser Räder wurden mit aufrechteren "Trial"-Lenkern verkauft; viele der Rennfahrer bevorzugten jedoch eine flache Version mit Bremsen an den Lenker-Enden, die bald als "Porteur-Lenker" bekannt wurde.
Porteur-Rennen waren bald in ganz Frankreich beliebt, auch in Nizza und Bordeaux gab es entsprechende Veranstaltungen - in Bordeaux übrigens auch mit Weinflaschen. In Brüssel gab es in den 30erJahren den "Course des Cycloporteurs Bruxellois", selbst in Berlin wurden in den 20er und 30ern Kurier-Meisterschaften ausgefahren, hier zusammen mit den Telegramm-Zustellern, die ebenfalls Räder nutzten.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden Porteur-Rennen
in Frankreich noch bis Mitte der 60er Jahre gefahren; das letzte "Critérium des Porteurs de Journaux" war wohl 1965, der Sieger hieß Michel Gourillon von "Paris Jour".
Zeitungs-Kuriere auf Fahrrädern gab es in Paris bis in die 80er Jahre. Sie wurden ab den 60ern zunehmend von motorisierten Rollern verdrängt, und die Verringerung der Zahl der Tagesausgaben der Zeitungen machte ihnen endgültig den Garaus. Derzeit sind die Fahrrad-Kurierdienste in Paris wieder im Kommen, die meisten Kuriere sind jedoch nach wie vor auf Motorrollern unterwegs - immerhin zumehmend elektrisch.
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