1. September - Nürburgring - 75 km - Rennbericht

Rad am Ring: mit „Freude am Fahren“ durch Berg und Tal

Von Sonja Rieg

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Sonja (re) freut sich schon auf´s Fahren | Foto: pressBureau/ W Preß

03.09.2012  |  „Wer durch die Grüne Hölle will, der kann was erleben.“ Heißt es allerorten, nicht nur auf der Netzseite von „Rad am Ring“. Die Fakten: 24,2 Kilometer, 530 Höhenmeter, 72 Kurven-Passagen, maximal 18 Prozent Steigung. Das beruhigt nicht besonders, wenn man sich für das Jedermann-Rennen angemeldet hat. Vor allem als Frau: Unter über 1300 Teilnehmern sind gerade mal 105 Damen.

Aber um es gleich zu sagen: So schlimm isses dann doch nicht. Zumindest nicht auf der 75-km-Strecke, die die Nordschleife dreimal umrundet. Aber eine echte Berg- und Talfahrt ist es schon. Fast zehnmal geht es richtig bergab, darunter durch die berühmt-berüchtigte Fuchsröhre, auf der Downhill-Cracks über 90 km/h auf die Uhr bringen.

Logischerweise geht's genauso oft bergauf, auch wenn man sich mit viel Schwung einiges an Treterei ersparen kann. Richtig hart ist allerdings der 18-%-Stich an der Hohen Acht: Da hat man schon vier Kilometer Steigung um 10 % in den Beinen.

Perfektes Rad-Wetter
Aber der Reihe nach. Samstag, acht Uhr, der Wecker zwitschert. Eine Stunde war ich schon wach (die Nervosität vor dem Rennen…), konnte mich aber nicht zum Aufstehen entschließen (die Müdigkeit vor dem Rennen;-). Erstmal das Wetter checken: Wolkig, aber immer wieder bricht die Sonne durch. Eigentlich erstaunlich nach den üblen Gewittern am Freitag –perfektes Rad-Wetter.

Das „Power-Frühstück“ mit Obst, Müsli und Milchkaffee auf der Terrasse unseres netten Häuschens im „Lindner Ferienpark“ in Drees fällt wegen der späten Startzeit um eins recht ausführlich aus. Dann mache ich mich mit meinem Mann (der ebenfalls das 75-km-Rennen fährt) nach einem gründlichen Rad- und Ausrüstungs-Check auf die Aufwärm-Runde.

Nach einem Abstecher über Müllenbach kurbeln wir zur Rennstrecke. In 20 Minuten soll die Startaufstellung beginnen; wir drehen noch eine Runde durch das Fahrerlager des 24-h-Rennens, und besuchen die „Roto“-Mannschaft, die neben uns in Drees zwei Ferienhäuser belegt. Auch hier ist die Nervosität vor dem Start spürbar – wenn man sich nach außen natürlich betont locker gibt. Machen wir ja nicht anders…

"Freude am Fahren"
Dann also auf in den Startblock. „Freude am Fahren“ steht groß über der Strecke; das Wetter passt jedenfalls: Die Sonne kommt endgültig raus. Nach dem Start der knapp 390 Renner der 150 Kilometer sind wir dran: Um Viertel nach Eins gehen gut 800 75-km-Starter auf die Strecke. Die Anfangs-Hektik verteilt sich auf der 18 Meter breiten Formel-1-Runde gut, so dass alle ohne größere Probleme ins Rollen kommen.

Am ersten längeren Anstieg, genannt „NGK-Schikane", am Ende der F-1-Strecke zieht sich das Feld bereits in die Länge. Die Eifrigen hauen sich in die Pedale; ich bleibe bei meinem Rhythmus, und kurble hoch zur Nordschleife.

Fast hätte ich schon geschrieben: Mordschleife… Aber das war nur vertippt; Tote hat's keine gegeben – auch wenn sich mancher nach dem Rennen so gefühlt haben mag.

Nach dem Übergang auf die Nordschleife geht's mit wenigen Gegen-Anstiegen bergab bis zum Abschnitt Breidscheid, und weiter in die Fuchsröhre. Hier knallt's richtig runter, mit um 20 Prozent, und in einer leichten Linkskurve in den Gegenhang. Eigentlich ideal, um es laufen zu lassen – auch wenn das sonst nicht so mein Ding ist.

Sturz in der Fuchsröhre
Mein Navi zeigt 69 km/h, als mich eines der wenigen Mädels auf der Strecke in rasendem Tempo überholt. Kurz vor der Kurve verlässt sie dann doch der Mut, und sie geht heftig in die Eisen. Fehler! Ihr Rad kommt ins Schlingern, das sie nicht mehr abfangen kann. Sie rattert über die Curbs, und fliegt in hohem Bogen ins Gras. Immerhin nicht auf den Asphalt.

Als ich im Gegen-Anstieg langsamer werde, schaue ich mich um: Die Kamikaze-Fahrerin steht schon wieder. Glück gehabt. Meine Lust auf wilde Abfahrten ist nun allerdings dahin. Die 70-km/h-Marke knacke ich nicht mehr. Mein Mann hat's in der Fuchsröhre immerhin auf 85 gebracht. Laut offizieller Streckenrand-Messung. Sagt er. Der alte Angeber;-)

Wenig später wird's dann für rund vier Kilometer ernst. Über „Ex-Mühle" und „Bergwerk" geht's in den Strecken-Abschnitt „Klostertal" - und der hat's in sich. Langsam hebt sich die Strecke, und mit jedem Meter wächst die Steigung, bis auf knapp unter zehn Prozent, vor der legendären Steilwand-Kurve „Karussell". Die man übrigens am besten ganz unten fährt. Hab ich leider erst in der dritten Runde rausgefunden:-(

18 Prozent zur Hohen Acht
Nach einem kurzen Flachstück werden bis zur „Hohen Acht", mit 630 Meter höchster Punkt der Nordschleife, rund 18 Prozent Steigung erreicht. Die sind zwar kaum mehr als 300 Meter lang, und richtig steil ist's erst am Schluss. Aber man hat ja schon ein paar Kilometer Anstieg in den Beinen. Beim ersten Mal komme ich gut rauf, auch dank meinem 30er-„Rettungsring“ am Ritzel. Mal sehen, wie's in den nächsten Runden geht, an der Hohen Acht.

Überhaupt die Namen der Strecken-Abschnitte: „Wippermann", „Eschbach", „Brünnchen", „Pflanzgarten" - das ist schon recht lustig. Hat sicher alles historische Gründe. Hab ich jetzt aber nicht extra recherchiert… Wen's interessiert: Hier steht mehr über die Nordschleife: http://www.nuerburgring.de/ueberuns/mythos-nuerburgring.html

Zurück auf die Runde: Das kurvige Auf und Ab geht weiter. Wenn auch eher harmlos, im Vergleich zum Klostertal. Über die Anstiege „Schwalben-Schwanz" und „Galgenkopf" führt die Nordschleife dann auf eine lange Gerade mit dem schönen Namen „Döttinger Höhe", die ab der Hälfte nochmal nur leicht, aber durchaus fies bergauf geht.

Am Ende dann der kurze Anstieg zur Schikane „Hohenrain" – und die Ziel-Gerade des Grand-Prix-Kurses kommt in Sicht. Es geht vorbei an Tribünen und Boxen-Anlagen, wo die über 4500 Teilnehmer des 24-Stunden-Radrennens am Streckenrand ihre Lager aufgeschlagen haben.

Das Tor zur Grünen Hölle
Geschafft? Leider erst eine Runde… Nun öffnet sich das Tor zur „Grünen Hölle" für einen weiteren „Stint“, wie die Motorsport-Profis sagen. Hat mir der „Roto“-Teamchef verraten, der mit seinem Lotus Elise hier schon ein paar „Stints“ gut motorisiert gedreht hat.

Die zweite Runde bekomme ich ganz passabel hin – wenn mich auch die 18 Prozent zur Hohen Acht schon deutlich mehr schlauchen als in Umlauf eins. Nun muss ich an der Verpflegung am „Gipfel“ doch mal einen kleinen Stop einlegen – natürlich nur, um meine Flasche aufzufüllen, und um schnell eine Banane zu verdrücken.

Bald sehe ich wieder die „Freude am Fahren“, quer über der Zielgeraden. Spüre ich sie auch? Na ja. Die letzte Runde steht an. Jetzt kommt's drauf an, denke ich: Jetzt zeigt sich, wer wirklich fit ist. Schon im Anstieg am Ende der Formel-1-Strecke überhole ich die ersten Fahrer, die in den Runden zuvor hier immer im Wiegetritt hochgeprügelt sind.

Ich bleibe recht stur bei meinem Rhythmus, und gehe nur selten aus dem Sattel. Eigentlich eher, um meine Durchblutung wieder anzukurbeln, und um meinen kleinen Hintern zu entlasten, als um Tempo zu machen.

Hart an der Kotz-Grenze
Dann geht's wieder ins Klostertal, wie die 4-km-Steigung eher verharmlosend heißt. Hier sehe ich nach der Hälfte schon die ersten am Streckenrand stehen – mal bei Dehnübungen, aber durchaus auch am Kotzen (wenn ich das mal so unverblümt ausdrücken darf).

So weit will ich heute nicht gehen, und ziehe einfach weiter meinen Stiefel durch. Vielleicht ein wenig langsam, dafür aber konstant. Bis zur Kotz-Grenze ist es noch ein Stück – gottseidank.

Das Keuchen vieler Fahrer wird umso lauter, je länger sich die Rampe zieht. Kurze Erholung am Karussell, dann kommt er zum letzten mal, der Hammer: die 18 Prozent zur Hohen Acht. Jetzt muss ich trotz der 30 Zähne am Hinterrad richtig ackern; meine Schleifen über den Asphalt werden immer größer.

Der Streckenrand ist nun rechts und links voll mit schiebenden Rennern. Bin mir nicht sicher, ob mich das motiviert – oder eher demoralisiert…

Nur nicht nach oben schauen
Zur Hälfte des Stichs wird's für ein paar Meter etwas flacher; hier stehen einige Zuschauer, und feuern die Teilnehmer mit Tröten und „Hopp-hopp“ an. Da kann man natürlich nicht absteigen, klar. Jetzt nochmal in den Wiegetritt. Nur nicht nach oben schauen.

Dann taucht neben mir eine drahtige Mitt-Dreißigerin auf; wir grinsen uns an. „Geht scho, oda“, presst sie mit unverkennbar österreichischem Akzent hervor. Ich kann nur nicken – und muss wieder aus dem Sattel gehen. Ächz! Und tatsächlich geht's noch bis zur Kuppe.

Geschafft! Schnell eine Banane gekrallt; weiter geht's. Jetzt nicht noch von den „Fußgängern“ überholen lassen. Die lange Gerade an der Döttinger Höhe wird immer länger. Der „Merkur-Druck“- und wenig später der „Strassacker“-Zug rauschen mit beeindruckendem Tempo an mir vorbei. Dabei haben die ja erst die Hälfte des Rennens hinter sich.

Die Tribünen tauchen auf; Adrenalin schießt in meine Adern. Wau! Bin im Ziel! Durchgekommen! Da ist sie - die „Freude am Fahren“! Mein Mann wartet am Erdinger-Stand, grinsend: „Wo bleibst du denn? Bin seit einer halben Stunde da; ist schon das dritte Weißbier.“ Der alte Angeber.

Der Rausch der Geschwindigkeit
Wir fallen uns in den Arm, und genießen das „Bleifreie“. Obwohl das Bier ohne Alkohol ist, glaube ich einen Rausch zu spüren. Aber der kommt wohl von der „Freude am Fahren“: Ein Flashback vom Rausch der Geschwindigkeit, in der Fuchsröhre – auch wenn's nur 69 waren.

PS: Leider war er wirklich eine halbe Stunde schneller als ich, der alte Angeber. Aber das mit den drei Weißbier war gelogen… 

Bis zum nächsten Mal!
Eure Sonja
(with a little help vom alten Angeber;-)

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