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16.09.2012 | Guten Tag allerseits, liebe Radsport-Fans, hier ist Radio Nürburgring, und ich, ihr Reporter Fritz von Tut und Kannix, heiße Sie alle hier an der Strecke und zuhause vor den Radiogeräten herzlich willkommen! Es ist jetzt 13 Uhr, und bevor das 24-Stunden-Rennen beginnt, bleibt mir gerade noch genug Zeit, sie darüber zu unterrichten, was bisher geschehen ist.
Die meisten Anwesenden dürften heute morgen ziemlich enttäuscht gewesen sein, denn abgesehen von den immerhin knapp zweistelligen Temperaturen mussten sie bei unverändert unfreundlichem Wetter an den Start gehen. Viele derer, die hier campiert haben, haben sich aber davon nicht abschrecken lassen, und standen bei den Laufwettbewerben applaudierend vor ihren Parzellen an der Strecke.
So auch unsere Freunde
vom Covadonga Racing Team und vom Hallzig Express, die zuvor nach einer nicht allzulangen, aber offenbar erholsamen Nacht ein gutgelauntes, gemeinsames Frühstück genossen hatten. Die Stimmung war umso besser, als am späten Abend noch Matt Gelpe eingetroffen war, dessen Einfahrt nach Toresschluss erst möglich geworden war, nachdem er eine Angehörige des Wachpersonals überzeugt hatte, ihn ausnahmsweise doch noch hineinzulassen. Wie er das geschafft hat? Wir werden es wohl nie erfahren, meine Damen und Herren, und vielleicht wollen wir das auch gar nicht.
Jedenfalls ist es gut, dass er hier ist, denn der Wuppertaler Wunder-Radler ist der erste, der für sein Covadonga-Team an den Start geht. Und in diesem Moment, da wie aufs Kommando die Sonne herausgekommen ist, sitzt er auch schon auf seinem federleichten Carbon-Boliden, mitten im Tausende zählenden Starterfeld.
Mehr als 700 Vierer-Teams haben sich für das 24-Stunden-Straßenrennen gemeldet, dazu kommen noch die Mountainbiker, die 24-Stunden-Einzelstarter, -Zweier- und -Achter-Teams sowie 1300 Jedermänner, die eine, drei oder sechs Runden auf der Nordschleife zu absolvieren haben.
Insgesamt stehen auf der Starterliste über 6400 Radsportler, davon ungefähr 1900 Einzelstarter und mehr als 4500 Teamfahrer. Und sie alle erwarten ungeduldig den Startschuss. Und der ist jetzt erfolgt!
Unter lautem Jubel setzt sich der bunte Pulk
in Bewegung, und umrundet einen Teil des Grand-Prix-Kurses, bevor die Strecke auf die Nordschleife abbiegt, die unter der ehrfürchtigen Bezeichnung "Grüne Hölle" zur Legende geworden ist. Jetzt erwarten die Rennfahrer zunächst ungefähr acht Kilometer, in denen es von 650 auf 300 Meter über dem Meeresspiegel hinabgeht, durch eine rasche Folge halsbrecherischer Abfahrten, die nur durch einige Steilkurven und kurze Bergaufpassagen unterbrochen werden.
Im Streckenabschnitt Fuchsröhre erreichen die Wagemutigsten dabei Geschwindigkeiten von über 90 km/h, bevor bei Streckenkilometer acht der lange Aufstieg zur "Hohen Acht "beginnt. Gut vier Kilometer geht es dann bergauf, zumeist mit um die zehn Prozent Steigung. Dann kommt das leicht abschüssige Caracciola-Karussell, und schon mancher, der die Strecke nicht kannte, dachte hier, das Schlimmste sei überstanden - um ausgangs der nächsten Kurve brutal eines Besseren belehrt zu werden.
Denn dann stellt sich dem erschöpften Radler
der Schlussanstieg entgegen: 70 Höhenmeter auf 400 Meter Strecke, das entspricht im Schnitt ungefähr 18 Steigungsprozenten - und sieht aus wie eine Wand. Am rechten Fahrbahnrand hat sich dort für gewöhnlich schon eine kleine Karawane derjenigen gebildet, die kapitulieren und absteigen mussten.
Und wenn man sich nicht auch gedemütigt und ausgepumpt einreihen möchte, heißt es jetzt kämpfen, kämpfen, kämpfen, bis zur Verpflegungsstelle auf dem Gipfel.
Wer denkt, der Rest der Runde sei lockeres Ausrollen, irrt: Denn nach einer weiteren rasend schnellen und kurvigen Abfahrt kommen noch zwei giftige kleine Rampen und schließlich die Döttinger Höhe. Eine lange Gerade, die fast eben aussieht, aber nach dem ersten Drittel beständig leicht ansteigt.
Am Ende der Nordschleife wird es dann für ein paar Meter noch einmal etwas steiler, und dann biegen die Rennfahrer auf die Zielgerade der Grand-Prix-Strecke ein. Die ist fast eben und lädt zum Endspurt ein, falls die Kraft noch reicht. Die paar letzten Körner, die dann noch übrig sein mögen, verschlingt der Anstieg vor der NGK-Schikane, und dann ist es endlich geschafft: Knapp 27 Kilometer, für die die meisten Rennfahrer knapp eine Stunde benötigen.
Aber, liebe Radsportfreunde, das gilt nicht
für Matt Gelpe vom Covadonga-Team! Der übergibt nach unfassbaren 44 Minuten den Staffelstab - in Form einer Trinkflasche mit dem Transponder darin - an Rainer Sprehe, und begibt sich ungerührt an den mit heruntergeklappter Kinnlade dastehenden Team-Kollegen und Konkurrenten vorbei in den Pavillon, und macht es sich gemütlich.
Nur drei Minuten später schickt auch Stefan Schütze, Startfahrer der Hallziger, Andy Kneisel auf die Strecke. Wir dürfen gespannt sein, ob die Sportler, die noch auf ihren Einsatz warten, dieses hohe Niveau halten können. Ich habe da so meine Zweifel, insbesondere bei einem von ihnen.
Ich weiß, was Sie denken, und sie haben recht: Ich spreche von Ulf Henning. Und da ich gerade die Transponder-Flasche erwähnt habe, fällt mir eine bezeichnende Anekdote aus dem Vorjahr ein: Henning hatte sich – als ob seine ohnehin beschämende Leistung nicht genügt hätte – zu allem Überfluss und guter, nein schlechter Letzt noch einen dicken Klops geleistet, indem er ohne die besagte Transponder-Flasche zur Schussrunde aufgebrochen war.
Lars Terörde, der sich eigentlich noch in seiner wohlverdienten und bitter nötigen Pause wähnte, musste sich daraufhin früher auf die Strecke begeben, um den moppeligen Münsterländer einzuholen, was im Steilstück der Hohen Acht, das Henning wie immer schiebend zurücklegte, auch mühelos gelang.
Allerdings stellte sich dort heraus, dass Terörde in der Hektik des Finales eine zwar ähnlich aussehende, aber transponderlose Flasche in den Halter gesteckt hatte. Niemand anderes als Matt Gelpe war es schließlich, der dafür sorgen musste, dass diese letzte Runde auch gewertet wurde, während Terörde und Henning sich an der Labe verlustierten und danach in aller Seelenruhe ihre Runde zu Ende fuhren.
Jetzt warten hier alle gespannt
auf den nächsten Wechsel. Lars Terörde für das Team des Covadonga-Verlags und der Hallziger Marco Richter machen sich bereit, Sportwart Kugler sitzt mal wieder am Computer, und Gelpe sonnt sich, aber ansonsten passiert nicht viel. Alle bisher Gestarteten konnten ihre Runden ohne nennenswerte Probleme absolvieren.
Nur Rainer Sprehe kam von seiner ersten Runde zurück, und hatte einen mittelschweren Tobsuchtsanfall, was bei dem selbst für ostwestfälische Verhältnisse eher ruhigen Sprehe bedeutet, dass er seinen Helm auf einen Klappsessel warf. Außerdem soll er halblaut darüber geklagt haben, wegen der hohen Luftfeuchtigkeit nicht frei atmen zu können, und war offenbar mit seiner eigenen Leistung nicht besonders zufrieden.
Die Rundenzeit von 52 Minuten geht allerdings vollkommen in Ordnung. Schneller war er im Vorjahr auch nicht, und das kann auch keiner erwarten.
Obwohl: Er raucht nicht mehr. Im Vorjahr hatte er auch zwischen den Runden öfter mal einen Glimmstengel im Mund, und wurde nach dem Anzünden umgehend und jedesmal von Ulf Henning angeschnorrt, aber damit scheint Schluss zu sein.
Selbst Henning hat sich heute bisher nicht mit Zigarette
erwischen lassen. Gleich werden wir erfahren, ob das segensreiche Auswirkungen im Aufsteig zur Hohen Acht zeitigt. Eben bekomme ich eine Nachricht unseres Kollegen an der Strecke hereingereicht, der ich entnehme, dass Ulf Henning tatsächlich auf statt neben seinem Fahrrad die Verpflegungsstelle auf der Hohen Acht außer Acht gelassen hat und sich – nota bene: ohne abzusteigen, liebe Rennradfans! – in die anschließende Abfahrt gestürzt hat.
Das haben ihm nicht viele zugetraut, am wenigsten ich oder irgendein Radsport-Experte. Die Frage, wie er das gemacht hat, muss also erlaubt sein. Vermutlich darf Henning sich glücklich schätzen, dass in Jedermann-Wettbewerben Doping-Kontrollen eher eine Seltenheit sind, obwohl natürlich selbst in seinem Fall die Unschuldsvermutung gelten muss; und nichts läge mir ferner, als durch finstere Andeutungen einen Schatten auf eine sauber erbrachte Leistung zu werfen.
Also, sei’s drum! Ansonsten herrscht hier, wie gesagt, eitel Sonnenschein, man nimmt Kontakt zu den Nachbar-Parzellen auf, es wird gegrillt, gefachsimpelt, geschraubt und gefahren. Alle Wechsel haben bisher reibungslos geklappt, und jetzt warten wir hier auf das Eintreffen der jeweils zuletzt gestarteten Fahrer Weißelberg und Henning, die mit der Übergabe des Staffelstabs an Stefan Schütze bzw. Matt Gelpe den zweiten Durchlauf einläuten werden.
Und da erkennen wir auch schon Rolf Weißelberg, ein Stilist, wie er im Buche steht, der mit elegantem Schwung durch die NGK-Schikane rast und – wie zu erwarten war – Ulf Henning einige Minuten abgenommen hat, denn der Münsterländer ist noch nirgends zu sehen. Die Hallziger wechseln also zuerst, Schütze schießt mit kraftvollem Antritt davon, und zurück bleibt Gelpe, der ungeduldig mit den Hufen scharrt, weil er darauf brennt, auch endlich seine zweite Runde unter die schmalen Reifen zu nehmen.
Nun sehen wir auch Ulf Hennings massige Gestalt
ausgangs der Warsteiner-Kurve, weithin am auffälligen Trikot seiner Münsteraner "Leezenritter" unschwer zu erkennen. Und ich kann Ihnen jetzt schon verraten: Für die Rundenzeit hat es nichts gebracht, dass er nicht schieben musste. Denn im letzten Jahr hatte er für den ersten Törn nur um die 55 Minuten benötigt, und das kann er jetzt schon nicht mehr unterbieten.
Aber was macht er denn da? Vor lauter Freude darüber, dass er nicht hat absteigen müssen, denkt er offensichtlich gar nicht daran, einen Endspurt anzuziehen, sondern rollt gemütlich über die Strecke, grüßt huldvoll nach beiden Seiten – nicht, dass sich irgendwer dafür interessierte! – und posiert im Vorbeifahren ein bisschen für die Fotografen.
Als ob er nicht seine erste, sondern schon die letzte Runde absolviert hätte, nähert er sich jetzt recht gemächlich und breit grinsend der Wechselzone, wo Gelpe zähneknirschend auf seinen Einsatz wartet. Der setzt sich jetzt langsam in Bewegung, bekommt endlich, endlich den Transponder überreicht und hetzt Stefan Schütze hinterher, um die vier Minuten Rückstand aufzuholen, die sein beleibter Team-Kollege ihm mit einer Rundenzeit von exakt einer Stunde aufgebürdet hat.
Satte sieben Minuten hat Henning insgesamt verloren, aber das scheint ihn nicht weiter zu stören. Er stellt sein Fahrrad ab, bemerkt ebensowenig die etwas säuerlichen Mienen seiner Kollegen, wie die Freude der Hallziger, und läuft stattdessen wie das Duracell-Häschen durch das Fahrerlager. Um anscheinend allen, die nicht bei drei auf den Bäumen sind, von seinem Triumph über die Hohe Acht zu berichten.
Gelangweilte Gesichter sind die Quittung,
aber in seinem Siegestaumel entgeht ihm auch das, und er lässt sich selbstzufrieden in den nächstbesten Sessel fallen, um sich ein Bier zu genehmigen. Immerhin ist es ein alkoholfreies.
Verehrte Radsportfans, jetzt, da jeder Fahrer eine Runde absolviert hat, verabschieden wir uns vorerst und melden uns gegen halb drei Uhr in der Nacht wieder, um zu sehen, wie es den Teams ergeht. Der Wetterbericht sagt wieder einstellige Temperaturen voraus, und es wird spannend sein zu beobachten, wie die Fahrer mit der Kälte zurechtkommen in einer Nacht, in der sie wenig Schlaf und große Strapazen erwarten.
Wir werden auch ein Auge auf die unterschiedlichen Wechsel-Taktiken der Teams werfen: Werden sie weiterfahren wie bisher, oder den Wechsel-Rhythmus ändern, damit man zwischendurch etwas längere Ruhepausen einlegen kann? Wir werden sehen. Bis später, liebe Zuhörer!
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