Interview mit dem zweifachen Paracycling-Weltmeister und Ex-Formel-1-Fahrer

Alessandro Zanardi: "Lieber einen Tag Löwe als 100 Tage Schaf"

Von Danilo Coglianese

Foto zu dem Text "Alessandro Zanardi:
der Zieleinlauf bei Zanardis Triathlon-Premiere auf Hawaii | Foto: BMW Group

02.12.2014  |  Für Alessandro Zanardi, seit einem Renn-Unfall im Jahr 2001 beinamputiert, geht ein ereignisreiches Jahr zu Ende. Er bestritt nach einer Pause von vier Jahren seine Comeback-Saison im Motorsport: Als Werksfahrer startete er mit einem BMW Z4 GT3 in der "Blancpain Sprint Series".

Im Para-Cycling feierte der 48jährige Italiener erneut große Erfolge: Unter anderem sicherte er sich zwei weitere Weltmeister-Titel. Und im Oktober absolvierte er in seinen ersten Langstrecken-Triathlon auf Hawaii.

Alessandro, in Greenville haben Sie zwei weitere Weltmeister-Titel im Para-Cycling gewonnen. Es scheint Ihnen so leicht zu fallen: Sie gehen hin, und gewinnen. Ist es wirklich so einfach?

Zanardi: Nein, ganz im Gegenteil. Es ist alles andere als einfach. Und das ist genau der Grund, warum es mir so großen Spaß macht. Es ist ein purer, sportlicher, harter, aber fairer Wettbewerb, den wir uns in einer Gruppe von Handbike-Fahrern liefern. Einer Gruppe, die inzwischen eng miteinander befreundet ist.

Ihr Haupt-Rivale Ernst van Dyk ist ein guter Freund von Ihnen...
Ja, er ist ein geradliniger und fairer Sportler, und ich genieße es sehr, ihn zu treffen, und Zeit mit ihm zu verbringen. Aber wenn es in die Rennen geht, dann kämpfen wir gegeneinander, um jeden Zentimeter Straße. Zum Glück habe ich trotz meines Alters noch das nötige Leistungsvermögen, um mit den anderen um Siege kämpfen zu können.

Es war eine sehr erfolgreiche Saison: Zweimal Gold in Greenville. Lässt sich das noch steigern?

Es war keine perfekte Saison – denn dazu hätte ich auch noch die Goldmedaille im Straßenrennen gewinnen müssen. In diesem Rennen wurde ich Zweiter hinter Ernst van Dyk. Aber ich werde im nächsten Jahr die Gelegenheit haben, es wieder zu versuchen.“

Im Oktober haben Sie Ihren ersten Langstrecken-Triathlon auf Hawaii absolviert. Ist Triathlon eine neue Leidenschaft für Sie geworden?
Ja, zweifellos. Ich wusste, dass es mir Spaß machen würde. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zu meinen Rennen früher, als ich 1997 in Cleveland vom letzten Platz zum Sieg gefahren bin, oder als ich 1998 in Long Beach eine Runde Rückstand hatte und trotzdem gewonnen habe. Oder Laguna Seca, wo ich auf Rang zwei lag, im Kampf um den Sieg alles riskiert, und Brian Herta in der 'Corkscrew' überholt habe.

Was treibt Sie zu solchen Leistungen?
Es ist diese Leidenschaft, sich Herausforderungen zu stellen. Diese Leidenschaft, die ein Mann hat, der lieber einen Tag wie ein Löwe als hundert Tage wie ein Schaf lebt. Und so bin ich einfach: Ich wollte mich einem sportlichen Abenteuer wie dem Triathlon auf Hawaii stellen. Der beste Moment war, als ich aus dem Wasser kam, auf mein Handbike stieg, und in Richtung Norden auf die Road 19 abgebogen bin. Ich wusste, dass 175 Kilometer mit dem Handbike und dann noch ein Marathon vor mir lagen.

Ist das nicht eher einschüchternd als motivierend?
Tatsächlich hätte ich an diesem Punkt angesichts dessen, was mich erwartet, verunsichert oder eingeschüchtert sein können. Aber ich habe einfach nur pures Glück in mir gespürt. Ich war an diesem Punkt so glücklich, weil ich wusste, dass es großen Spaß machen würde, alles noch vor mir, und nicht hinter mir zu haben.

Aber ist es nicht auch schön, es dann geschafft zu haben?
Die letzten 300 Meter und der Zieleinlauf waren wunderbar. Ich hatte nicht erwartet, dass ich so angefeuert werde. Ich war überwältigt von der vielen Unterstützung, von den vielen Menschen, die meinen Namen gerufen haben. Einerseits war das fantastisch, doch andererseits war ich auch etwas traurig. Denn ich war im Ziel, es war vorbei. Nun muss ich ein Jahr warten, bis ich wieder ein solches Abenteuer erleben kann.

Die Rennen der "Blancpain Sprint Series", viele Para-Cycling-Veranstaltungen, der Triathlon, und Ihre Auftritte als BMW-Marken-Botschafter – es war ein arbeitsreiches Jahr. Wie schaffen Sie es, all dies miteinander zu vereinbaren?

Indem ich eines nach dem anderen mache, ganz einfach...

Nun neigt sich das Jahr dem Ende entgegen. Wie würden Sie 2014 aus sportlicher Sicht zusammenfassen?

Natürlich ließe sich alles noch verbessern, aber insgesamt bin ich mit den Ergebnissen zufrieden. Zusammen mit BMW und Roal Motorsport haben wir uns als durchaus konkurrenzfähig erwiesen. Hätten wir etwas weniger Pech gehabt, hätten wir sehr gute Ergebnisse und auch einen Sieg holen können. Doch so ist es nun einmal im Leben: Manchmal hat man etwas verdient, bekommt es aber nicht. Das einzige, was man da tun kann, ist, es erneut zu versuchen.

Im Para-Cycling war die Bilanz deutlich besser...
Es war eine großartige Saison, aber ich weiß, dass mehr drin gewesen wäre. Deshalb werde ich es im nächsten Jahr wieder versuchen. Ich weiß, dass die Uhr tickt. Ich bin 48 Jahre alt, und kann nicht bis in alle Ewigkeit Leistungssport betreiben. Aber ich gehe voller Begeisterung ins nächste Jahr, denn ich bin absolut davon überzeugt, dass ich trotz meines Alters sowohl im Para-Cycling als auch im Motorsport auf demselben hohen Niveau weitermachen kann.

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