RSNplusPogacar verteidigt sich für nicht überlassenen Etappensieg

Geschenk an Carapaz statt an Vingegaard: “Man bremst nicht“

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Geschenk an Carapaz statt an Vingegaard: “Man bremst nicht“"
| Foto: Cor Vos PRÃœFEN

21.07.2024  |  (rsn) – Nach dem fünften Etappensieg von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auf dem Col de la Couillole hat sich der Slowene fragenden Gesichtern gegenüber gesehen: War es wirklich nötig, Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) im Ziel der letzten Bergankunft dieser 111. Tour de France noch abzusprinten, obwohl der Däne vorher fünf Kilometer lang allein die Führungsarbeit verrichtet hatte und in der Gesamtwertung ohnehin schon mehr als fünf Minuten zurücklag?

"Fünf Etappensiege sind mehr als genug, auch einer oder das Gelbe Trikot alleine würden schon reichen. Aber man bremst nicht im Radsport", sagte Pogacar anschließend im ersten Sieger-Interview und verteidigte sich dann auf der anschließenden Pressekonferenz nochmal etwas ausführlicher:

"Man gibt keinen Etappensieg einfach an den besten Konkurrenten ab", sagte der Mann im Gelben Trikot da und unterstrich auch nochmal, dass sein eigentlicher Plan schon gewesen war, eine Ausreißergruppe den Sieg unter sich ausmachen zu lassen. "Wir haben der Spitzengruppe heute genügend Zeit gegeben. Sie hatten heute eine große Chance. Aber am Colmiane ist Soudal dann ein super Tempo gefahren", so Pogacar, der schließlich tatsächlich von der Konkurrenz bis zum Ziel geführt wurde und dort dann lediglich gegen Dauerrivale Vingegaard ins Duell ging.

"Sprinter geben auch nicht Etappen an einen Gegner ab und nehmen etwas zurück. Man will immer gewinnen und hat auch immer den Druck zu liefern, sonst sieht es nicht gut für dich aus", meinte der Slowene. ___STEADY_PAYWALL___

Pogacar tat alles, um einen Ausreißersieg zu ermöglichen

Tatsächlich setzte das UAE Team Emirates auf der 20. Etappe erstmal den Plan um, den Pogacar schon am Vortag ausgegeben hatte: Gruppe wegfahren lassen. Dass man das nicht gleich nach dem Start und am ersten Berg, dem Col de Braus, schon tat, hatte einen simplen Grund: Dort war Mikel Landa (Soudal – Quick-Step) als Gesamtfünfter in die Gruppe gesprungen und stellte eine große Gefahr für Gesamtrang vier von Pogacar-Edelhelfer Joao Almeida dar.

UAE hielt sich auf der 20. Etappe zurück, Soudal bestimmte das Tempo im Feld. | Foto: Cor Vos

Bis Landa gestellt war, fuhr man daher Vollgas. Anschließend aber nahm UAE deutlich Tempo raus und ließ zehn Ausreißer am Col de Turini auf knapp fünf Minuten enteilen. Dann aber begann Soudal, den Abstand über den Col de La Colmiane zu verringern und am Schlussanstieg folgte Pogacar schließlich Vingegaard wie ein Schatten.

Einmal nahm er dem Dänen kurz die Führung ab, nachdem der ihn mehrmals aufgefordert hatte, wirkte dabei aber arg zaghaft und schien so eher den noch vorne liegenden Ausreißern Richard Carapaz und Enric Mas zu helfen. Vingegaard spürte das und übernahm das Tempodiktat sofort wieder. Auch im Ziel wartete Pogacar, bis endgültig klar war, dass Carapaz als letzter Begleiter endgültig nicht mehr mithalten und um den Sieg kämpfen konnte, bevor er 450 Meter vor der Linie an Vingegaard vorbeirückte, sich dann noch zweimal umschaute und schließlich am 150-Meter-Schild zum Sprint zum Sieg ansetzte.

Kein Geschenk an Vingegaard, aber an Carapaz

"Irgendwie habe ich schon gehofft, dass er mir den Sieg überlässt", gab Vingegaard im Ziel am Eurosport-Mikrofon zwar zu, erklärte dann jedoch auch: "Aber erwartet habe ich es nicht. Das ist Radsport. Es ist wie es ist und ich mache ihm keine Vorwürfe. Ich würde es vermutlich genauso machen."

Richard Carapaz und Tadej Pogacar umarmen sich im Ziel der 20. Etappe. | Foto: Cor Vos

Dass Pogacar nicht ein Gönnerlaune war, sondern alles an sich reißen wollte, stimmte auf der 20. Etappe also nur bedingt. Hätte Carapaz' Kraft auf dem Schlusskilometer noch gereicht, um Vingegaard zu folgen, scheint zumindest fraglich, ob Pogacar genauso losgesprintet wäre. Schließlich machten Pogacar und sein Team schon am Col de Braus sehr deutlich, dass man dem Mann im Bergtrikot helfen wolle.

Vor der ersten Kategorie-2-Bergwertung des Tages hatten drei Mann schon reiß aus genommen und es ging an der Kuppe nur noch um einen Punkt für Rang vier – sowie um die Chance anschließend in der Abfahrt davon zu fahren. Pogacar, mit 14 Punkten Rückstand im Kletter-Klassement zu diesem Zeitpunkt Carapaz' einziger Gegner, hatte kein Interesse an dem Punkt und besprühte lieber seine am Streckenrand stehende Freundin Urska Zigart mit Wasser aus der Trinkflasche. Seine Helfer Marc Soler schaute sich um und winkte Carapaz sogar aktiv vorbei. Dann aber sprintete Matteo Jorgenson (Visma – Lease a Bike) vorbei und nahm den Punkt weg.

Psychologisch ein nicht unwichtiger Sieg

Hätte UAE anschließend die sich dann bildende Gruppe um Carapaz nicht wegfahren lassen, so wäre Pogacar mit seinem Sieg am Schlussanstieg auf vier Punkte an den Ecuadorianer herangerückt, der dann unterwegs seinen Vorsprung nicht hätte ausbauen können. Und da an der ersten Zwischenzeit im sonntäglichen Zeitfahren oben in La Turbie nochmal fünf Punkte für den bis dahin Schnellsten warten, hätte Pogacar das Bergtrikot möglicherweise doch noch gewonnen.

Stattdessen aber ließ man Carapaz' Gruppe ganz aktiv ziehen, gönnte ihnen fünf Minuten Vorsprung und der Ecuadorianer sammelte am Col de Turini sowie dem Col de La Colmiane die nötigen Zähler, um sich das Gepunktete Trikot endgültig zu sichern.

Pogacar konzentrierte sich am Col de la Couillole voll aufs Hinterrad von Vingegaard. | Foto: Cor Vos

Vingegaard aber machte man das große Geschenk eines Etappensieges am Col de la Couillole nicht, und das dürfte auch psychologische Grüne haben: Wieso sollte man dem voraussichtlich auch im nächsten Jahr größten Kontrahenten zum Abschluss der Tour noch ein gutes Gefühl mit auf dem Weg geben und ihm signalisieren, dass es sich lohnt, wenn er sich nach zwei schweren Tagen wieder zurückkämpft? Für Pogacar war es auch mit dem Blick in die Zukunft wichtig, zu zeigen: Du magst wiedererstarkt sein, aber ich habe dich trotzdem problemlos im Griff!

Und wenn einem 25-Jährigen drei Wochen lang der Floh ins Ohr gesetzt, er könnte irgendwann auch Rekord-Etappensieger der Tour werden und die 35 Erfolge von Mark Cavendish knacken, dann braucht man sich nicht wundern, wenn er die Siege, die er mitnehmen kann, auch mitnimmt. Sollte er in einigen Jahren bei 34 ersten Plätzen stehen, fragt schließlich niemand mehr, ob er die Nummer 35 nicht eigentlich eh schon hatte und dann nur großzügig verschenkt hat.

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