Exklusives Doppel-Interview zum Film "The Program"

Frears: "Ich hoffe, Armstrong hat einen guten Analytiker"

Von Wolfgang Preß

Foto zu dem Text "Frears:
Ben Foster als Lance Armstrong | Foto: S&L MediaNetworx

30.09.2015  |  (ra) - Im Rahmen des "Zurich Film Festival" in der Schweizer Metropole stellten am vergangenen Dienstag Regisseur Stephen Frears und Hauptdarsteller Ben Foster mit einem Interview-Marathon ihren neuen Film über Lance Armstrong vor, "The Program" (Deutschland-Start am 8. Oktober).
radsport-aktiv.de hatte Gelegenheit, mit den beiden zu sprechen.

Der Brite Stephen Frears, mittlerweile 74 Jahre alt, hat über 30 Filme gedreht, darunter "Gefährliche Liebschaften" (mit Glenn Close, John Malkovich und Michelle Pfeiffer), "High Fidelity" (nach Nick Hornby) und "The Queen" über Lady Dianas Tod.

Der 35jährige Ben Foster, geboren in Boston, Massachusetts (USA), wurde 2011 mit dem Thriller „The Mechanic“ bekannt. Er dreht derzeit den auf einem Computerspiel basierenden Fantasy-Streifen „Warcraft“.

Radsport-aktiv.de: Mister Frears, Mister Foster, fahren Sie Rennrad?

Stephen Frears: Nein, ich bin über 70 Jahre alt, damit fange ich nicht mehr an. Fahrrad fahre ich aber schon noch.

Ben Foster: Ich bin für „The Program“ soviel Rennrad gefahren, ich brauche derzeit noch meine Pause. Fünf Monate lang habe ich ja praktisch auf dem Rad gelebt. Zudem muss ich wichtige Körperteile noch schonen (grinst). Du kannst mich übrigens gern Ben nennen. Sich beim Vornamen anzusprechen, ist unter allen Radsportlern üblich, habe ich gelernt. Wir Amerikaner machen das ja meist sowieso.

O.k., Ben – wie war denn das Training mit David Millar und Andreas Klier?

Foster: Das war echt eine große Hilfe. Ich musste überhaupt erstmal lernen, richtig auf dem Rad zu sitzen. Das haben David und ein Computer-Fitting-Programm bestens hinbekommen. Dann hat David ein spezielles Trainings-Programm für Jesse (Plemons, Darsteller von Floyd Landis; d.Red.) und mich entwickelt.
Das Trainieren hat schon Spaß gemacht, auch wenn es oft hart war. Vor allem mit Andreas, dem 'König des Kopfsteinpflasters'. Auf den mythischen Pavés Belgiens zu fahren, war zwar echt gefährlich für mich – aber es war eine ganz besondere Erfahrung, und ich habe es sehr gemocht.

Mr Frears, was hat Sie eigentlich auf das Thema Lance Armstrong gebracht?

Frears: Eine Besprechung von Tyler Hamiltons Buch über die Radsport-Mafia. Ich las es dann, und wollte den Stoff sofort für einen Film kaufen. Aber Tyler Hamilton wollte nicht verkaufen, er war offensichtlich bereits in anderweitigen Verhandlungen.

Wie sind Sie dann auf David Walsh gekommen, dessen Buch über Armstrong die Grundlage des Films ist?

Frears: Ein Freund, der Rennrad-Fan und Designer Paul Smith, hat mich auf David Walshs damals eben erschienenes Buch 'Seven Deadly Sins' aufmerksam gemacht. David und ich haben uns dann getroffen, und ich war von der Geschichte fasziniert - obwohl ich erstmal wenig wirklich verstanden habe.

Wie ging's weiter?

Frears: Wir waren uns schnell einig, und innerhalb weniger Wochen hat John Hodge das Drehbuch verfasst. Dann stand die Entscheidung über den Hauptdarsteller an. Ich wollte den Film nur machen, wenn wir den richtigen Mann finden. Und Ben Foster war perfekt. Das war mir gleich klar, als wir uns das erste Mal in New York trafen.

Du hast dich dann gleich in die Vorbereitungen gestürzt, Ben...

Foster: Richtig, ich ging in ein Rennrad-Trainings-Camp in Boulder in Colorado, musste über zehn Pfund abnehmen, und bin praktisch den ganzen Tag auf dem Rad gesessen. Mein Hauptproblem waren die Klick-Pedale: Das war fast eine klaustrophobische Erfahrung für mich, auf dem Rad quasi festgeschnallt zu sein. Ich weiß nicht, wie oft ich deswegen geflogen bin.

Wie lang hat's gedauert, bis Du dich mit den 'Klickies' wohlgefühlt hast?

Foster: Na ja, schon eine ganze Zeit... Eine kleine Geschichte dazu: Während ich als Training mit dem Team Garmin-Sharp die Colorado-Tour mitgefahren bin, kam eines Tages Chris Froome vorbeigeradelt, und quatschte mich an: Bist Du nicht der Typ, der Lance spielen soll? Das hat mich sprichwörtlich umgehauen. Ich kam ins Schlingern, aber nicht aus den Pedalen, und flog gleich noch einen Hang hinunter. Die Heiterkeit im Team war natürlich groß - außer bei mir.

Mr Frears, wie ist der Ex-Profi David Millar Berater für den Film geworden?

Frears: Wie bei Walsh bin ich über sein Buch auf ihn gestoßen. Ich habe 'Racing Through the Dark' auf einen Tip hin gelesen, und war begeistert. Unsere Produzenten haben sich mit Millar in England getroffen, und er wurde unser Berater in allen Radsport-Angelegenheiten – vom Fahren über die Geschichte bis zu den handelnden Personen im Film. Er war unser 'Maestro', wie Ben ihn immer genannt hat.

Sie waren dann sogar bei einer Tour-Etappe in einem Wagen direkt hinter der Rennleitung mitten im Geschehen...

Frears: Ja, bei der Tour 2013, die Etappe auf den Mont Ventoux. Das war wirklich außergewöhnlich. Allein diese Masse an Zuschauern, Radsportlern, Autos, Motorrädern. Da liegt eine Aufregung in der Luft, das reißt einen echt mit. Diese Erfahrung wollten wir auf die Leinwand bringen.

Stichwort Erfahrung: Ben, als gründlicher 'Method Actor' hast Du deiner Filmfigur auch in die Abgründe nachgespürt. In einem Interview auf dem Filmfestival Toronto hast Du zugegeben, 'unspezifizierte Doping-Substanzen' genommen zu haben. Was denn genau?


Foster:
Das werde ich nicht verraten, das hat mir mein Anwalt geraten. Nur soviel: Ich wollte verstehen, wie man sich dabei fühlt. Es war unter ärztlicher Aufsicht, drei Monate lang. Und ich muss sagen, es hat funktioniert. Ich hatte mehr Kraft, erholte mich deutlich schneller. Trotzdem kann ich es niemand empfehlen. Es war schon nach so kurzer Zeit nicht leicht, da wieder rauszukommen.

Lance Armstrong hat vor allem Epo und Testosteron genommen, und war später zum Blut- und Eigenblut-Doping übergegangen. Ich tippe mal auf Epo – oder?

Foster:
No comment...

Mr Frears, haben Sie gewusst, das Ben Foster so weit gegangen ist?

Frears: Nein, das wusste ich bis zu diesem Interview in Toronto nicht, und ich finde es auch nach wie vor nicht o.k. Method Acting ist gut und schön, aber das ist meiner Meinung nach doch deutlich übers Ziel hinausgeschossen.

Mr Frears, hat sich Ihre, Ben, hat sich deine Einstellung zu dem gefallenen Radsport-Helden Armstrong im Verlauf der Entstehung von 'The Program' geändert?

Frears: Nicht wirklich. Armstrong hat nicht nur betrogen und gelogen. Er hat vor allem viele Leute massiv unter Druck gesetzt, sogar bedroht, die nicht seiner Meinung waren. Das haben andere nicht getan.

Foster: Ich habe vorher nicht viel über ihn gewußt. Aber ich glaube an Armstrongs Herz. Er hat dem Tod ins Auge gesehen (als er an Hodenkrebs erkrankt war; d.Red.). Das verändert dich. Lance hat mit seiner Krebs-Stiftung viel Gutes getan. Für mich ist er nicht nur ein Lügner.

Letzte Frage: Hatten Sie, Mr Frears, hattest Du, Ben, persönlichen Kontakt mit Lance Armstrong?

Frears: Das hat mich nicht wirklich interessiert. Ich glaube, Armstrong ist unglaublich kompliziert - und ich hoffe für ihn, dass er einen guten Analytiker hat.

Foster: Ich habe Treffen anfragen lassen. Aber Lance war nicht interessiert...
 

 
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