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04.03.2017 | (rsn) - Nach Platz vier im Vorjahr und Platz drei bei der Erstauflage 2015 hat sich Elisa Longo Borghini (Wiggle-High5) zum Auftakt der Women's WorldTour ihren Traum vom Strade-Bianche-Sieg erfüllt. Die Italienerin vom Lago Maggiore ließ in der Altstadt von Siena die Vorjahreszeite Kasia Niewiadoma (WM3 Pro Cycling) und Titelverteidigerin Lizzie Deignan (Boels-Dolmans) hinter sich, um auf dem malerischen Piazza del Campo mit weit ausgestreckten Armen und laut jubelnd als Erste über den Zielstrich zu rollen - und das, obwohl sie zur Rennmitte ausgerechnet in jener Schotterpassage gestürzt war, in der im Vorjahr die entscheidende Selektion gemacht wurde.
"Das bedeutet mir sehr viel. Mir fehlen die Worte", sagte die überglückliche 25-Jährige im Siegerinterview mit radsport-news.com. "Es ist einfach so ein wunderschönes Rennen in einer der schönsten Gegenden Italiens. Wenn man hier den letzten Anstieg hochfährt, atmet man förmlich die Geschichte und die Kultur und die Kunst ein. Es ist einfach spektakulär."
Offenbar setzten jene Atemzüge in der bis zu 16 Prozent steilen Via S. Caterina auf dem Schlusskilometer noch einmal die nötigen Kräfte in ihr frei, um das Rennen für sich entscheiden. Denn gemeinsam mit Niewiadoma, Deignan und der Niederländerin Annemiek van Vleuten (Orica-Scott) erreichte sie die Rampe hinein in Sienas Altstadt mit einigen Sekunden Rückstand auf die zwei Spitzenreiterinnen Lucinda Brand (Sunweb) und Shara Gillow (FDJ Nouvelle Aquitaine Futuroscope). Dann aber flog die Italienerin den Anstieg Seite an Seite mit Niewiadoma und Deignan hinauf, um gerade noch rechtzeitig vor der Kuppe an Brand und Gillow vorbeizuziehen.
"Ich wusste, wer da zuerst oben ist, der gewinnt", so Longo Borghini. Schließlich waren es von der 90-Grad-Rechts-Kurve am Ende des Anstiegs bis zur Zielgeraden auf dem Piazza del Campo keine 500 Meter mehr - und das in nassen, engen Altstadt-Gassen, in denen Überholmannöver sehr riskant, wenn nicht sogar unmöglich sind. "Ich wusste, dass Elisa so stark ist, dass sie den Weg und den richtigen Moment zur Attacke finden würde - und das hat sie getan: Sie ist am schwersten Punkt losgefahren", freute sich auch ihre Teamkollegin Claudia Lichtenberg, die als beste Deutsche auf Rang elf fuhr, nachdem sie zuvor hart für ihre Kapitänin gearbeitet hatte.
Dabei sah es nach 60 der insgesamt 127 Kilometer überhaupt nicht gut für Longo Borghini aus. Zu Beginn des mit 9,5 Kilometern längsten und schwersten Schotter-Sektors bei Asciano stürzte die 25-Jährige schwer. "Es ist eine verrückte Geschichte. Als Elisa am Anfang des langen Schotter-Sektors gestürzt ist - und das war wirklich nicht der beste Ort dafür - habe ich nur ganz doll gehofft, dass sie zurückkommt", erzählte Lichtenberg. Doch Longo Borghini bekam sofort Hilfe von der ihr abgesehen von den Gesichtszügen wie ein Zwilling gleichenden Audrey Cordon, die ihr ihr Rad gab. Und am Ende des Sektors stellte Longo Borghini genau wie die mit ihr gestürzte Niewiadoma den Anschluss zur Spitze wieder her.
Dabei profitierten beide auch davon, dass die jeweils Andere zu Boden gegangen war. Denn während der Asciano-Sektor im Vorjahr das Finale einläutete und viele kleine Gruppen entstehen ließ, blieben die richtig harten Tempoverschärfungen der Favoriten-Teams diesmal aus. "Wegen des Sturzes von Kasia und Elisa hat von deren Teams niemand Tempo gemacht - und das waren die stärksten Mannschaften im Rennen. Deshalb war es dort noch ein etwas passives Rennen", erklärte Vorjahressiegerin Deignan, die nach eigener Aussage noch nicht in Top-Form ist und deren Boels-Dolmans-Team durch Krankheiten von Anna van der Breggen und Megan Guarnier arg geschwächt über die weißen Schotterstraßen und durch den Regen der Toskana fuhr.
Knapp 70 Fahrerinnen waren deshalb noch beisammen, als in der langen Anfahrt zum nächsten Schotter-Sektor Floortje Mackaij (Sunweb), Lauren Stephens (Tibco-SVB) und Lara Vieceli (Astana) reiß aus nahmen und bis zu anderthalb Minuten Vorsprung herausfuhren, bevor dieser im sechsten Sektor schließlich rapide zusammenschmolz und alle drei bald wieder gestellt waren.
Nun begann das Finale und es etablierte sich eine fünfköpfige Favoritengruppe mit Longo Borghini, Niewiadoma, Deignan, van Vleuten sowie deren Orica-Teamkollegin, die australische Meisterin Katrin Garfoot. Zwar verlor Letztere zwei Mal den Anschluss, doch den Großteil der letzten 20 Kilometer absolvierten sie gemeinsam, bis knapp drei Kilometer vor Schluss plötzlich Gillow und Brand von hinten aufschlossen. Das australisch-niederländische Duo bließ sofort zur Gegenattacke und setzte sich um einige Meter ab.
"Ich war lange mit Lucinda im Team und wusste, dass das ihre Fahrweise ist: Wenn sie zur Spitze aufschließt, attackiert sie sofort", sagte Niewiadoma, die noch im vergangenen Jahr mit Brand und Gillow gemeinsam bei Rabo-Liv fuhr, nach dem Rennen. "Aber ich hatte nicht erwartet, dass sie so nah an uns dran waren."
Zu Beginn des harten Schlusskilometers hatten Brand und Gillow knapp zehn Sekunden Vorsprung auf ihre nun sechs Verfolgerinnen - mit Amanda Spratt schloss noch eine dritte Orica-Fahrerin zu den Favoritinnen auf - doch das war nicht genug, um sich am Ende gegen die bärenstarke Longo Borghini zu bestehen.
Während die ersten 60 Rennkilometer bis zum Sturz von Longo Borghini und Niewiadoma ruhig verliefen, erlebten die Zuschauer im Finale ein extrem spektakuläres Rennen, das an Spannung und Dramatik kaum zu überbieten und daher die bestmögliche Werbung für den Frauen-Radsport war - und das bei einer der ersten internationalen Live-Übertragungen des Sports außerhalb von Großstadt-Kriterien wie La Course by Le Tour in Paris oder dem Prudential Ride London sowie den Weltmeisterschaften. Ein Rennen, das Lust auf die gesamte Saison der Women's WorldTour gemacht hat, welche nun natürlich Siegerin Longo Borghini anführt.
Ergebnis:
1. Elisa Longo Borghini (Wiggle High5)
2. Katarzyna Niewiadoma (WM3 Energie) +0:02
3. Elizabeth Deignan (Boels-Dolmans) +0:05
4. Lucinda Brand (Sunweb) +0:08
5. Annemiek van Vleuten (Orica-Scott) +0:09
6. Shara Gillow (FDJ) +0:12
7. Katrin Garfoot (Orica-Scott) +0;18
8. Amanda Spratt (Orica-Scott) +0:36
9. Cecilie Uttrup Ludwig (Cervelo SRAM) +1:06
10. Elena Cecchini (Canyon SRAM) s.t.
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