RSN-Serie: Die Erben von Cancellara & Boonen

Nils Politt: Faible für das “Drücker-Ding“ Roubaix

Von Daniel Brickwedde

Foto zu dem Text "Nils Politt: Faible für das “Drücker-Ding“ Roubaix"
Deutsche Klassikerhoffnung: Nils Politt (Katusha-Alpecin) | Foto: Cor Vos

22.03.2017  |  (rsn) - Nach den Klassikern ist vor den Klassikern. Das gilt auch für das Team Katusha-Alpecin. Zeit für das Management, sich zusammenzusetzen, das Geschehene zu analysieren und das Kommende zu planen. Und über Verstärkungen zu sprechen. Ein Name stand dabei nach dem Frühjahr 2015 ganz oben auf der Liste: Nils Politt.

Bei diesen Treffen ist jedes Jahr auch Torsten Schmidt anwesend, der als Sportlicher Leiter die Klassiker im Team verantwortet. Politt kennt er schon länger – beide kommen aus dem Rheinland. "Mit Fleiß, Leidenschaft und Talent hat er alles mitgebracht, um in der höchsten Liga einen Profivertrag zu bekommen“, kommentiert er die Verpflichtung des gebürtigen Kölners rückblickend.

Der erste Kontakt entstand nach der Bayern-Rundfahrt 2015, kurz darauf wurde Politt Deutscher U23-Straßenmeister und im September die Verpflichtung schließlich öffentlich gemacht. Politt ist mit 21 Jahren am Ziel.

Im Finale der Flandern-Rundfahrt vorne dabei

"Bis zum Ende der U23 wollte ich mir Zeit geben, den Sprung ins Profifeld zu schaffen. Im März [2015] hatte ich meine Ausbildung abgeschlossen und konnte ab da wesentlich mehr trainieren und habe mich voll auf den Radsport konzentriert“, erklärt der gelernte Speditionskaufmann.

Eine Fokussierung, die sich auszahlt. Denn der Start in seine Profi-Laufbahn verlief bemerkenswert. Politt zeigte kaum Anpassungsschwierigkeiten an das höhere Niveau und fuhr bei den Driedaagse van West-Vlaanderen (Platz drei im Gesamtklassement) und beim GP Samyn (Platz fünf) frühe Achtungserfolge ein, die ihn prompt ins Aufgebot für die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix warfen. Ein "Kindheitstraum“ wurde wahr und auch bei der "Ronde“ schlug sich Politt beachtlich: Zunächst in einer Fluchtgruppe unterwegs, mischte Politt neben den etablierten Namen wie Fabian Cancellara und Tom Boonen auch noch vorne mit, als das Rennen 25 Kilometer vor dem Ziel seine finale Phase erreichte.

"Nach 200 Kilometern mit der Spitzengruppe über den Kwaremont, wo zig tausend Zuschauer an den Seiten stehen und dich anfeuern und du deinen eigenen sportlichen Leiter gar nicht mehr im Ohr hörst: Das waren richtig schöne Gefühle“, beschreibt er diesen Moment. Kurz darauf muss er nach Helferdiensten für seinen Kapitän Alexander Kristoff jedoch abreißen lassen und wird noch auf Platz 89 durchgereicht. Eindruck hat er dennoch hinterlassen.

Früh auf Klassiker gepolt

Eine Woche später in Roubaix muss er allerdings aufgeben – wie bereits im Jahr zuvor in der Espoirs-Ausgabe. Das Rennen sei eben "die Hölle des Nordens“, bemerkt Politt. Trotzdem sieht er sich bei der „Königin der Klassiker“ in Zukunft stärker als in Flandern. "Es ist ein Drücker-Ding, wo man über lange Zeit eine hohe Wattleistung fahren muss“. Das Potenzial dafür habe er, glaubt Politt.

Schon in den Junioren-Jahren lagen ihm die Rennen in Belgien besser als in Deutschland, an denen er aufgrund der räumlichen Nähe häufiger teilnahm Seitdem ist Politt quasi auf Klassiker gepolt. Was ihm dagegen noch fehle, sei die Rennhärte, die erfahrene Profis mitbringen, "um dann nach 220 Kilometern auch noch vorne mitmischen zu können“, sagt Schmidt. Die soll ihm unter anderem seine erste dreiwöchige Rundfahrt verschaffen, die für ihn 2017 auf dem Programm steht. Möglich: Tour de France. Wahrscheinlich: Vuelta a Espana.

Künftig sei für Politt bei den Klassikern in ein Top-Ergebnis möglich, erklärt Schmidt. "Die Fähigkeiten und die Cleverness besitzt er dafür“, so der Ex-Gerolsteiner-Profi.

Für Politt ist ohnehin klar, dass seine Zukunft auf den Klassikerstrecken liegt – auch, wenn er noch einiges lernen muss. "Ich brauche bestimmt noch zwei oder drei Jahre, um die Strecke und die Fahrweise richtig zu verinnerlichen“, gibt er zu. Daran will er arbeiten. Und klingt dabei zuversichtlich.


Mit Tom Boonen verlässt ein Jahr nach Fabian Cancellara die andere große Klassiker-Figur des vergangenen Jahrzehnts die Radsport-Bühne. Unmittelbare Nachfolger wie Peter Sagan oder John Degenkolb haben sich längst positioniert – aber wer besitzt noch das Potenzial, die kommende Dekade auf dem Pavé zu prägen? In der Serie "Die Erben von Cancellara & Boonen“ stellt radsport-news.com fünf junge interessante und vielversprechende Profis vor, die großes bei den Klassikern erreichen können.

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