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20.04.2018 | (rsn) - Nils Politt (Katusha-Alpecin) hat sich während der flämischen Klassiker, fast schon erwartungsgemäß, zum künftigen deutschen Hoffnungsträger für Kopfsteinpflasterrennen gemausert. Ähnliches könnte nun für Maximilian Schachmann (Quick-Step Floors) in den Ardennen gelten. Der 24-Jährige fuhr beim Flèche Wallonne am Mittwoch als letzter "Überlebender" einer starken Ausreißergruppe um Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) auf einen hervorragenden achten Platz.
"Es lief ganz gut, ja. Top Ten ist nicht schlecht", sagte Schachmann radsport-news.com tagsdrauf am Telefon während eines kleinen Spaziergangs im belgischen Wald nahe des Teamhotels in Lanaken. Understatement par excellence, darf man dazu wohl sagen - und das wird er von seinem Manager Jörg Werner gelernt haben: sich nicht selbst zu feiern für eine vordere Platzierung, wenn noch mehr Potenzial abrufbar ist.
Trotzdem aber darf man dem Youngster von außen applaudieren für sein Ergebnis. Denn dass der Berliner an der berüchtigten Mur de Huy bis knapp 200 Meter vor dem Ziel das Rennen anführen würde, damit hatte vorher wohl kaum jemand gerechnet.
"Früher lagen mir so steile Rampen eher nicht", gab Schachmann zu. "Aber da habe ich mich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Ich bin leichter geworden und habe auch kürzere, intensivere Intervalle ins Training eingebaut. Das merkt man deutlich." Der zweifache Vize-Weltmeister im Einzelzeitfahren der U23 von 2015 und 2016 galt eher als Zeitfahrer mit Kletterfähigkeiten und kam ähnlich wie Lennard Kämna (Sunweb) von dieser Seite in die Riege der potenziellen Rundfahrt-Hoffnungen. Inzwischen aber kommt er immer besser die Berge hinauf.
Auch im WorldTour-Peloton fühlt sich Schachmann nach dreieinhalb Monaten seiner zweiten Profi-Saison bereits recht gut angekommen. Am 24. März gelang ihm in Torrefarrera auf der 6. Etappe der Katalonien-Rundfahrt als Ausreißer sogar bereits der erste WorldTour-Sieg. "Die Rennen früher waren natürlich ganz anders besetzt, aber es fühlt sich jetzt schon wieder so an wie in meinem letzten guten U23-Jahr: Das Mitfahren fordert mich nicht mehr so sehr und ich kann hinten raus richtig am Rennen partizipieren," erklärte er, wie sich das "Ankommen" im Peloton bemerkbar macht.
Beim Flèche "partizipierte" er im Finale ausgesprochen eindrucksvoll. Die Vorgabe war, ab der ersten von drei Passagen über die Mur de Huy, Gruppen zu besetzen, so dass das Team im Hauptfeld nicht arbeiten müsste und sich so besser um Kapitän Julian Alaphilippe kümmern könnte. Schachmann gelang der Sprung in eine zunächst 24- und später sechsköpfige Gruppe um Nibali, und als es zum letzten Mal nach Huy hineinging, war er schließlich nur noch mit Jack Haig (Mitchelton-Scott) zusammen an der Spitze.
Nibali hatte über die Cote de Cherave, den vorletzten Anstieg des Rennens sechs Kilometer vor dem Ziel, zwei Mal attackiert, doch Schachmann kam jedes Mal mit. "Und dann ist Jack Haig die Abfahrt runtergebügelt, als wäre es die letzte Abfahrt seines Lebens. Ich konnte sein Rad nicht ganz halten, bin aber unten an der Maas wieder rangekommen und wir hatten Nibali abgehängt", so der Deutsche. Am Fuß der Mur de Huy kam das Hauptfeld zwar bereits sehr nahe an die beiden Spitzenreiter heran und es sah so aus, als wäre die Flucht jetzt vorbei. Doch Schachmann gab noch einmal alles, ließ Haig stehen, quälte sich durch die berühmt-berüchtigte Links-Rechts-Kombination an der kleinen Kapelle - die steilste Stelle des Anstiegs - und hatte noch immer eine beträchtliche Lücke hinter sich.
"Danach wurde es kurz nochmal flacher, aber im zweiten Steilstück war es dann schwer, noch weitere 30-40 Sekunden durchzuziehen", erklärte Schachmann. Sah es 300 Meter vor dem Ziel noch so aus, als sei sogar ein Sensationssieg möglich, so kamen die Favoriten 250 Meter vor der Linie bereits sehr nah und zogen knapp 200 Meter vor dem Ziel an dem Deutschen vorbei. An der Mur wirken selbst 20 Meter manchmal wie eine Ewigkeit.
"Im ersten Moment ist es natürlich eine gewisse Enttäuschung und man lässt kurz sacken, weil es ja richtig weh tut und man nicht gerne für nichts durchzieht", erklärte Schachmann nun seine Emotionen im Moment des Endes seiner Flucht. "Julian ist wie eine Rakete vorbeigeschossen und ich dachte, jetzt kommt wie im Massensprint das ganze Feld. Aber dann kamen noch drei, vier und sonst irgendwie keiner. Da habe ich mich umgeschaut und ein Loch gesehen, also habe ich wieder angetreten." Auf diese Weise fuhr Schachmann als Achter ins Ziel und konnte sofort mit Sieger Alaphilippe jubeln.
Nun steht am Sonntag mit Lüttich-Bastogne-Lüttich der nächste große Klassiker an. Und eigentlich sollte ihm der sogar besser liegen - weil es eben nicht zum Schluss eine derart steile Rampe wie die Mur hinaufgeht. "Im Vorfeld habe ich es auch so gesehen", sagte er nun, warnte aber vor den nochmal rund 50 Kilometern Mehr-Distanz: "Es wird nochmal was ganz anderes, weil es deutlich länger ist. Deshalb muss man sehen: Ich bin letztes Jahr das Amstel Gold Race gefahren und das ist jetzt erst mein zweites so langes Rennen. Ich werde versuchen, am Anfang nicht zu viele Körner rauszuhauen und dann zu schauen, was am Ende noch geht."
Grundsätzlich ist Schachmann im Star-Ensemble von Quick-Step Floors aber wahrscheinlich ohnehin zunächst wieder in der Helferrolle, so dass eigene Ambitionen eventuell auch dadurch bereits zunichte gemacht werden könnten - je nach Rennverlauf eben.
Unabhängig vom Ergebnis in Lüttich hat sich Schachmann in diesem Frühjahr aber bereits für die Zukunft empfohlen. Und sein Saisonhöhepunkt kommt erst im Mai: der Giro d'Italia, seine erste dreiwöchige Rundfahrt. "Natürlich wird es auch ein Giro zum Lernen sein. Aber so wie die erste Saisonhälfte lief - an der Algarve habe ich mich richtig gut gefühlt, dann bei den französischen Eintagesrennen, in Katalonien und jetzt auch hier in den Ardennen - werde ich auch mit Ambitionen ins Rennen gehen. Wie die genau aussehen, weiß ich noch nicht", blickte er schon mal vorsichtig voraus.
Wie Quick-Step Floors in Jerusalem am 4. Mai genau aufgestellt sein wird, ist noch unklar. Doch es sieht so aus, als wäre Elia Viviani der Kapitän für die Sprints, während für die Berge und das Gesamtklassement kein klarer Leader eingeplant ist. Gut möglich also, dass Schachmann in Italien Freiheiten bekommt - und dann könnten die deutschen Fans viel Spaß an dem 24-Jährigen haben.
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