Oldie will mit Yates Giro-Geschichte schreiben

Tuft: Stolzer Vater mit furchtlosen Söhnen

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Tuft: Stolzer Vater mit furchtlosen Söhnen"
Svein Tuft (Mitchelton-Scott) beim diesjährigen Giro d´Italia | Foto: Cor Vos

24.05.2018  |  (rsn) - Svein Tuft, Kanadier, 41 Jahre jung, ist der Mann, der vielleicht am besten die Entwicklung des Rennstalls Mitchelton - Scott zur den Giro beherrschenden Größe beschreiben kann. Tuft selbst ist schon ein besonderer Typ. Er zog eine Weile als Tramp durch die Lande und fuhr mit seinem Rad auch seinen einzigen Begleiter, einen etwa 40 Kilogramm schweren Hund, durch die Gegend.

Dann probierte er seinen robusten Motor im Straßenradsport aus und wurde dabei Vizeweltmeister im Zeitfahren. 2008 war das, hinter dem Leipziger Bert Grabsch übrigens, der das eine Jahr ausnutzte, an dem Dauersieger Fabian Cancellara keine Lust auf Regenbogentrikots hatte. Es war, das sagen die Namen, die Steinzeit-Ära des Radsports, auch David Millar bestritt da noch Zeitfahren. Immerhin dabei - als Neo-Pro -, und als Siebter auch recht erfolgreich, war ein gewisser Tony Martin.

Tuft ist seit 2012, seit der Gründung von Orica, dem Vorgängerrennstall von Mitchelton - Scott, der Fix- und Ruhepunkt dort. "Ich war ja schon da, als diese Jungs alle erst kamen, zwei Jahre später, die Yates-Zwillinge und Chaves. Man hat bei ihnen sofort das Talent gesehen. Aber weißt du, es gibt viele Talente, die enorme Sachen machen, wenn sie jung sind, das dann aber über die Jahre nicht bestätigen können", sagt Tuft radsport-news.com. "Diese Jungs aber haben eine beständige Entwicklung durchgemacht. Jetzt halten sie hier mit den Besten der Welt mit, ja rocken den ganzen Giro. Das ist phänomenal. Und ich fühle mich wie ein stolzer Vater inmitten seiner prächtigen Kinder. Manche sind ja 20 Jahre jünger als ich", meint der Kanadier, und die vielen Lachfalten im Gesicht des Radsport-Vaters, naja, Radsport-Opas, bilden immer neue Konstellationen.

Tuft war schon vor zwei Jahren Helfer beim Giro. Damals stand Esteban Chaves kurz vor dem ganz großen Triumph. Er wurde am Ende zweiter, Tuft war auch im letzten Jahr dabei, als der Angriff auf Rosa mit Simon Yates' Bruder Adam erfolgen sollte. "2016 mit Chaves war  die erste große Rundfahrt, die er als Kapitän angegangen ist. Es war neu für ihn, es war auch noch recht neu für uns. Es war Lehrgeld. 2017 hatten wir als Team ja zwei Ziele, die Gesamtwertung für Adam und die Sprints für Caleb Ewan. Das bedeutete für uns: In den Tagen, die wichtig für Adam waren, mussten wir einen Block um ihn bilden. Und wenn es Massensprints gab, mussten wir für Caleb arbeiten. Es gab keinen Tag Ruhe, Mann", erzählt Tuft, und stöhnt noch in der Erinnerung.

Wenn einer wie Tuft stöhnt, einer also, der ein König in der extremen Selbstbelastung ist, dann kann man erahnen, wie heftig das war. Und man kann sich natürlich auch fragen, welche Perspektive ein Sprinttalent wie Ewan hat, wenn das eigene Team auch noch solche Rundfahrtaspiranten wie die Yates-Zwillinge oder eben Chaves auf der Payroll hat - solange es sie hat, freilich. Beim Giro 2017 sprangen immerhin ein Etappensieg für Sprinter Ewan und Gesamtplatz neun für Adam Yates heraus.

In diesem Jahr ist aber alles anders. Kein Sprinter ist dabei, alles war auf das Klassement mit Simon Yates und Chaves ausgerichtet. "Die Entscheidung dafür fiel im Winter 2017. Und im Februar 2018 haben wir uns alle, alle die hier sind, alle acht Fahrer, im Trainingslager zusamegesetzt und die Planung für den Giro besprochen. Du kannst es glauben oder nicht. Aber seit Februar sind wir zusammen, um auf diesen Giro hinzuarbeiten", sagt Tuft.

Der Routinier ist stolz, Teil dieses Masterplans zu sein. Seine eigenes Training musste er dafür nicht sonderlich ändern. "Die Arbeit bleibt für mich doch die gleiche. Ich muss auf den flachen Stücken und in den Tälern zwischen den Bergen für Tempo sorgen, ob das nun für ein Sprinterteam ist oder für ein Klassementteam. Der einzige Unterschied ist, jetzt für das Klassement-Team will ich etwas besser über die Berge kommen.", meint er. Nicht nur, weil auch nach dem zweiten Berg bei Rundfahrten noch ein Tal kommt, in dem seine Power gefragt ist. Sondern auch, weil er wissen will, was vorn passiert. "Wenn du früh zurückfällst, gerätst du ja auch ganz schnell aus dem Sendebereich des Tourfunks. Da kann es passieren, dass du fast eine komplette Etappe ohne Infos fährst, was vorn passiert. Jetzt will ich aber wissen, was die Jungs da vorn machen. Es ist eine so schöne Geschichte, ich will einfach mitbekommen, was abgeht. Dann fällt dir auch das Fahren hinten leichter", meint er.

Nach dieser Saison ist aber doch wohl Schluss für den Haudegen. Lockt das alte Tramp-Leben wieder? "Ja, ich werde erst einmal eine Weile nichts machen, bevor ich mir neue Ziele stecke und neue Aufgaben gebe", sagt Tuft Sport wird darin durchaus eine Rolle spielen. "Nicht unbedingt Leistungssport, aber der mentale Aspekt von Sport. Ich habe da eine ganzheitliche Sicht drauf, nicht nur den Leistungsaspekt. Es geht doch darum, gut und gesund durchs Leben zu kommen", lautet das altersweise Bekenntnis des Methusalems unter den Giro-Startern.

Vor dieser neuen Karriere steht für den alten Tramp aber erst einmal wieder das Herumziehen. Und vor dem Herumziehen die Arbeit für den Karrierehöhepunkt als Helfer: Einen GrandTour-Sieg mit dem eigenen Mann, nun gut, mit einem der vielen Söhne. An dem schätzt er vor allem eine Eigenschaft: Mut. "Simon und auch sein Bruder Adam sind Burschen, die vor nichts und niemandem Angst haben. Das macht sie speziell. Und das macht es schön, für sie zu fahren." Ein gelassener Vater mit seinen furchtlosen Söhnen ist auf dem Weg, Giro-Geschichte zu schreiben.

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