Der Fall Froome erzürnt nach wie vor die Franzosen

Team Sky: Spott und Beschimpfungen Tag für Tag

Von David Geisbüsch aus Luz-Saint-Sauveur

Foto zu dem Text "Team Sky: Spott und Beschimpfungen Tag für Tag"
Französische Fans protestieren gegen die Tour-Teilnahme von Chris Froome (Sky). | Foto: Cor Vos

26.07.2018  |  (rsn) - Luz. Den nächsten Urlaub werden Chris Froome und seine Teamkollegen vom umstrittenen Team Sky wohl eher nicht in Frankreich verbringen. Seit der Mannschaftspräsentation in La-Roche-sur-Yon vor drei Wochen werden der viermalige Tour-Sieger, der mögliche neue Gesamtsieger Geraint Thomas und ihre Helfer systematisch vom französischen Publikum attackiert – zumeist verbal.

Dass das Problem der in allen Bereichen dominant auftretenden Briten aber hausgemacht ist, will Sky-Patron Dave Brailsford auch zum Ende der Tour noch immer nicht wahrhaben. Viel mehr noch: Brailsford ließ bis zum heutigen Tag keine Gelegenheit aus, den Franzosen Unfähigkeit und fehlenden Sachverstand zu unterstellen. Beispiel gefällig? UCI-Chef David Lappartient attestierte er das Auftreten und den Charakter eines französischen Kleinstadt-Bürgermeisters. Lappartient ist Bürgermeister des bretonischen Orts Sarzeau, wo die 4. Etappe endete.

Cyril Guimard, einst Sportlicher Leiter von Bernard Hinault und heute Selectionneur der Equipe de France, sprach zuletzt offen aus, was viele denken: "Ich höre, dass wir Franzosen keine Klasse, dass wir von nichts eine Ahnung haben. Ich kann das Ganze nicht mehr hören.“ Und wenn der Durchschnittsfranzose eine Sache ganz und gar nicht mag, dann es ist, von außen dominiert zu werden, ob sportlich, politisch oder gesellschaftlich – das war zu Zeiten von Lance Armstrong nicht anders als im Jahr 2018, und das reicht im Selbstverständnis der "Grande Nation" bis weit in die Geschichte zurück.

Doch der Fall Froome ist anders und prekärer gelagert. Der Brite steht sich immer wieder selbst im Weg. Seine Französisch-Kenntnisse sind ansprechend, doch bei den Siegerehrungen auf den Champs-Èlysées im Herzen von Paris las er regelmäßig in seiner Muttersprache einen vorgefertigten Text wie ein Lehrer beim Diktat ab. Keinerlei Emotionen, keine Ausstrahlung, kein Band zwischen ihm und dem Publikum. Und die Franzosen am Streckenrand haben ein feines Gespür dafür, wen sie in ihr Herz schließen und wen nicht.

"Sky macht den Radsport kaputt. Ihre Art, Rad zu fahren und das Rennen zu dominieren nimmt mir seit Jahren die Lust auf die Tour“, sagt etwa Jean-Claude (58), der Patron eines Bauernhofs am Fuße des Col du Tourmalet. Dann unterbricht er das Gespräch und öffnet wieder das Tor zu seiner Weide. Eine Gruppe von 25 englischen Radsportlern schlägt hier ihr Nachtquartier auf – gegen Bezahlung, versteht sich. Die Engländer sehen die Sache naturgemäß ganz anders. Philipp (41), der Leiter der Gruppe, wehrt sich entschieden: "Was können wir denn dafür, wenn wir das Rennen Jahr für Jahr gewinnen? Geraint Thomas ist eben in Topform, Froome leistet das noch Mögliche. Es ist nicht unser Fehler, dass die Franzosen seit 33 Jahren keinen Sieger mehr gestellt haben.“ Ein breites Grinsen kann er sich dabei nicht verkneifen…

In der Tat, der Stachel der langen Durststrecke sitzt in Frankreich tief. Wir fahren weiter den Berg hinauf. "Sky Dopage“ und "Froome Go Home“ ist auf der Straße zu lesen. Den Pinsel schwingt ein Kind im Grundschulalter, Vater Pierre (34) sitzt beobachtend am Rand und wirkt amüsiert: "Der Fall Froome ist eine Komödie. Ein Witz. Der dürfte gar nicht hier sein. Wir haben auch schon Plakate gemalt und werden ihn empfangen.“ Auch das ist ein Szenario, das der Titelverteidiger täglich über sich ergehen lassen muss. Beschimpfungen hier, Attacken dort – Nicolas Portal, Franzose und Sportlicher Leiter bei Sky, traute zu Beginn seinen Augen nicht: "Es ist enttäuschend, das sind da draußen meine Landsleute. Das tut schon weh.“

Und so wäre es durchaus ein geschickter Schachzug, wenn Geraint Thomas in diesem Jahr die Tour gewinnen würde. Für viele wäre das tatsächlich das kleinere Übel, zumal der locker und souverän auftretende Waliser von Anfeindungen bislang weitestgehend verschont blieb. Aber was das betrifft: Auch dazu wird Sky-Chef Brailsford gewiss wieder seine eigene ganz persönliche Sichtweise haben. Wir, Cyril Guimard und all die Franzosen am Straßenrand warten darauf, dass er sie kundtut und die Komödie somit ihre Fortsetzung findet…

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