Kellers Senegal-Tagebuch

Startverzögerung durch Macrons Staatsbesuch

Von Hermann Keller

Foto zu dem Text "Startverzögerung durch Macrons Staatsbesuch"
Das Team Embrace the World präsentierte nach der 1. Etappe das Gelbe und das Grüne Trikot der Senegal-Rundfahrt. | Foto: Nils Laengner

18.11.2019  |  (rsn) - Alles hat ein Ende, auch die Tour du Senegal. So traurig sind wir darüber nicht, da es zwar wunderschön war, aber auch stressig und anstrengend. Die Schlussetappe wurde auf einem Rundkurs an der Promenade in Dakar ausgetragen, vorbei an der russischen, japanischen und kuwaitischen Botschaft. Die Japaner standen sogar an der Strecke und feuerten uns begeistert an.

Ebenfalls an der Strecke war der angereiste Fanclub aus Ruanda, dessen Mitglieder ihren Helden Didier (DJ) Muyaneza im Gelben Trikot bewunderten. Allerdings mussten die Botschafter und der Fanclub etwas mit dem Zujubeln warten, da sich der Start um rund zwei Stunden verzögerte. Der Grund dafür war ein Staatsbesuch des Französischen Staatspräsidenten Macron, dessen Konvoi die Strecke vorher passieren musste, so die Information. Wir wussten, dass wir länger warten mussten, da wir schon umgezogen und startbereit waren, als der Staatsflieger (French Force One) über unsere Köpfe zum Landeanflug ansetzte.

Als es dann endlich soweit war, gaben wir zwar noch einmal alles, attackierten, was das Zeug hielt und versuchten es auch mit taktischen Raffinessen, welche aber durch das extrem starke ruandische Team vereitelt wurden. Im chaotischen, von Angriffen gespickten Finale mogelten wir uns irgendwie durch das Feld und konnten schließlich einen Dreifachsieg erringen. Dies war sicherlich auch dem geschuldet, dass die slowakischen Freunde in der Sprintanfahrt mal wieder eine etwas seltsame Taktik an den Tag legten und die einheimischen Teams während der Etappe ihre Kräfte in Ausreißergruppen und nicht ganz perfekt getimten Angriffen verschleuderten.

In der Endabrechnung fehlten mir so noch neun Sekunden auf das Gelbe Trikot. Zum einen sehr schade, da man im Nachhinein überall auf der Strecke noch neun Sekunden findet. Aber auf der anderen Seite bin ich mit dem zweiten Platz sehr zufrieden und ich denke, die Rundfahrt hat in DJ einen wohlverdienten Sieger.

Zudem war es wirklich einmalig mitanzusehen, wie groß die Freude beim gesamten ruandischen Team mit Fans war. Der Erfolg wurde in zahlreichen Tänzen, strahlenden Umarmungen und schwenkenden Flaggen zelebriert! Außerdem konnte ich mich sehr gut mit dem Gewinn des Grünen Trikots trösten. Was uns noch auffiel: Thomas hatte nach der 1. Etappe das Trikot des besten afrikanischen Fahrers überreicht bekommen. Das zeugt auf jeden Fall von schneller Integration, fasst aber auch die gesamte Rennorganisation der  Rundfahrt gut zusammen!

Nach dem Rennen lief dann alles sehr schnell ab, aber irgendwie auch nicht schnell genug. Nach der Siegerehrung ging es erstmal gemeinsam zum Essen. Wir bekamen wieder mal als letzte Mannschaft das Essen serviert (gefühlt haben wir pro Person 25 halbe Hühner vernichtet und dazu entweder Reis oder Pommes), was an sich überhaupt kein Problem wäre. Allerdings muss man sich dann extrem beeilen, weil der Bus schon wieder mit laufendem Motor und hupend die Weiterfahrt einläutet.

Das Hähnchen heruntergeschlungen und das Getränk geext, ging es dann weiter. Im chaotischen Verkehr durch Dakar fiel uns auf, dass die Stadt im Vergleich zu den anderen Städten im Senegal sauber, aufgeräumt und auch "westlich" (die slowakischen Betreuer marschierten vor dem Start mit einer Tüte KFC Hot Wings durch die Gegend) wirkt. In der Unterkunft angekommen, verpackten wir die Räder und duschten noch kurz, denn die ersten Mitglieder unserer kleinen Familie hier verabschiedeten sich schon zum Flughafen.

Rückblickend war es ein wundervolles Abenteuer, bei dem wir Neues gesehen, kennengelernt und vor allem erlebt haben. Die Rundfahrt hatte in meinen Augen den typischen afrikanischen Charme und war im Großen und Ganzen auch gut organisiert. Lediglich das doch sehr heterogene Starterfeld war nicht ganz optimal. Dies war vermutlich durch das Verschieben der Rundfahrt von April auf November bedingt.

Zudem sagten kurz vor Start noch die in der Regel starken Teams aus Burkina Faso, Südafrika und Algerien ab. Sehr schade, aber dafür kamen wir mehr mit den anwesenden Fahrern in Kontakt und entstand eine wirklich tolle Atmosphäre unter den Fahrern. Auch die zu Beginn eher kühl wirkenden Slowaken tauten gegen Ende auf und wir durften uns so einige Anekdoten aus dem slowakischen Radsport anhören. Sehr interessant, aber auch etwas verstörend.

An dieser Stelle nochmals vielen Dank an unsere Betreuer (Nils zählt hier als Betreuer) und meine Teamkollegen hier, es hat viel Spaß gemacht.

Mit der gestrigen Etappe ging auch meine Saison zu Ende. Ich werde mich hoffentlich im nächsten Jahr wieder das ein oder andere Mal zu Wort melden dürfen. Vielen Dank für die Lektüre meiner Berichte, ich hoffe, euch bereitete das Lesen genauso viel Spaß wie mir das Schreiben.

Kommt gut über den Winter!

Liebe Grüße,

Hermann

Mehr Informationen zu diesem Thema

17.11.2019Alle Chancen auf das Gelbe Trikot gewahrt

(rsn) - Heute meldet sich die Betreuercrew zu Wort, um die Eindrücke aus dem Teamwagen zu übermitteln. Chris (Sportlicher Leiter), Nils (Fotograf) und ich (Ingo) als Betreuer versuchen Tag ein Tag

16.11.2019Fair Play-Preis! Meine bisher schönste Auszeichnung

(rsn) - Endlich am Meer! Direkt nach dem Ziel sind wir gestern mit unseren Rädern zu unserem Hotel gefahren, das auf einer Landzunge vor Saint Louis liegt, und haben uns in die Wellen gestürzt.Auf d

15.11.2019Die Slowaken hauten zu früh auf den Putz

(rsn) - Und mal wieder sende ich Grüße aus Thiès, Senegal. Auch heute ging es nach dem Frühstück mit dem Bus zum Start. Auf dem Plan standen knapp 150 Kilometer, zur Abwechslung mal ein paar Kur

14.11.2019Erst gelangweilt, dann gewonnen und das Spendenmaterial verteilt

(rsn) - Oh kommet Freunde, lasset uns glücklich sein! Ein Gedanke, der uns gestern den ganzen Tag begleiten sollte.Das erste Mal erfuhren wir pures Glück, als wir mit dem Rad zum Start rollen konnte

12.11.2019Wir sind eiskalt attackiert und zerlegt worden

(rsn) - Was machen wir für Sachen? Das haben wir uns gestern nach gut 120 Kilometer gefragt. Uns war klar, dass es nicht besonders leicht werden würde, aber es erschien uns möglich, die Trikots zu

11.11.2019Regulator Lienert hatte alle im Griff

(rsn) - Vorweg: Wir haben es geschafft, heute standen tatsächlich alle sechs Fahrer mit Rad am Start der 1. Etappe. Aber bis dahin war es ein steiniger Weg. Ich konnte auf das Ersatzrad zurückgreife

10.11.2019Warten als probates Mittel

(rsn) - Hallo und herzlich willkommen zu meinem Tagebuch von der Tour du Senegal. Ich habe das Vergnügen, euch von den kommenden sieben Etappen  zu berichten. Diese Zeilen schreibe ich im Bus, da

Weitere Radsportnachrichten

27.01.2025Kopecky will ihrem Palmares 2025 neue Rennen hinzufügen

(rsn) - Die zweifache Straßen-Weltmeisterin Lotte Kopecky (SD Worx – Protime) hat einen umfangreichen Einblick in die Planung ihrer aktuellen Saison gegeben. Wie die Belgierin in einem Interview mi

27.01.2025Nach drei Siegen träumt Welsford von Gelb bei der Tour de France

(rsn) - Träume sind erlaubt! Auch der von Sam Welsford (Red Bull – Bora – hansgrohe) von der Tour de France. "Jedermann träumt davon, eine Etappe zu gewinnen. Für mich ist die Tour etwas, die i

27.01.2025Van der Poel freut sich über van Aerts WM-Teilnahme

(rsn) – In Liévin will Mathieu van der Poel am 2. Februar Radsportgeschichte schreiben und mit seinem siebten Regenbogentrikot mit dem derzeit alleinigen Rekordhalter Erik de Vlaeminck gleichziehen

27.01.2025Deutsches Bahn-Nationalteam auf Mallorca von Auto umgefahren

(rsn) – Das deutsche Ausdauer-Nationalteam der Bahnradsportler ist am Montagmorgen im Trainingslager auf Mallorca in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt worden. Wie die Mallorca Zeitung unter B

27.01.2025De Jong fährt überlegen zum ersten Saisonsieg

(rsn) – Im letzten und auch schwierigsten Rennen der Mallorca Challenge, der Trofeo Binissalem-Port d´Andratx (1.1) hat sich Thalita de Jong (Human Powered Health) überlegen den Sieg gesichert. Di

27.01.2025Privater Investor vor Einstieg bei Polti – VisitMalta und Aurum?

(rsn) – Wie die Gazzetta dello Sport und der in Italien lebende, britische Radsport-Journalist Stephen Farrand für cyclingnews.com berichten, steht das von den Contador-Brüdern gemeinsam mit Ivan

27.01.2025Kampf um den Klassenerhalt mit punktuellen Verstärkungen

(rsn) - Die Frauen von Uno - X Mobility gehen in ihre vierte WorldTour-Saison. Dabei sind sie ihren männlichen Kollegen weiterhin einen Schritt voraus: Sie starten in der höchsten Liga des Radsport

27.01.2025ASO vergibt Wildcards für Paris-Roubaix der Frauen und Männer

(rsn) – Die Schweizer Teams Q36.5 und Tudor, der französische Rennstall TotalEnergies und erstmals auch die niederländische Mannschaft Unibet – Tietema Rockets dürfen sich über Wildcard-Einlad

27.01.2025Mit Longo Borghini soll es weiter Richtung Weltspitze gehen

(rsn) - Mit dem Transfer von Elisa Longo Borghini hat das UAE Team ADQ endgültig seine Ambitionen unterstrichen, künftig eine ähnliche Dominanz im Peloton einnehmen zu wollen, wie die Männermannsc

26.01.2025Van Aert hat plötzlich doch Lust auf die Weltmeisterschaft

(rsn) – Sechs Crossrennen hatte Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) für diesen Winter auf seiner Agenda stehen, sechs werden es trotz seiner krankheitsbedingten Absage bei seinem Saisonauftakt i

26.01.2025Hirschi feiert Tudor-Debüt nach Maß

(rsn) – Marc Hirschi (Tudor) hat es seiner Landsfrau Marlen Reusser gleich getan und das erste Rennen für seinen neuen Arbeitgeber gewonnen. Der Eidgenosse war bei der Clàssica Comunitat Valencian

26.01.2025Mit punktgenauen Transfers zu noch mehr Erfolgen

(rsn) - Was macht man nach einem grandiosen Jahr? Man will ein noch grandioseres. “Ich bin noch jung, ich habe noch Raum für Verbesserung”, sagte ein selig lächelnder Tadej Pogacar im Trainingsl

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour of Sharjah (2.2, UAE)
  • AlUla Tour (2.1, 000)